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Die Stadt am Meer - Nonni's neue Erlebnisse. Jón Svensson
Читать онлайн.Название Die Stadt am Meer - Nonni's neue Erlebnisse
Год выпуска 0
isbn 9788711445693
Автор произведения Jón Svensson
Серия Nonni
Издательство Bookwire
Ich stand unterdessen neben dem Schiffsmast und dachte über meine Zukunft nach und über das Glück, das der Mann auf Island mir vorhergesagt hatte. Ich war so sehr damit beschäftigt und so ganz in Gedanken versunken, dass ich kaum auf das sonst für mich so fesselnde Leben und Treiben am Hafenkai achtete; nur ab und zu liess ich meinen Blick dorthinüber schweifen.
Ich glaubte in der Tat an mein zukünftiges Glück.
Vor meinen Augen winkte und lockte es mir wie aus einem märchenhaften königlichen Land in weiter Ferne. Ich war überzeugt, dass ein freundlich-gutes Schicksal mich unaufhaltsam vorwärts treibe, immer neuen, freudvollen Erlebnissen entgegen. Ich fühlte mich als den glücklichsten Knaben der Welt und war, wie der Matrose soeben gesagt hatte, immer lustig und froh.
Jetzt freilich war meine Lage doch etwas eigenartig. Trotz der wonnigen Freude, die ich empfand, kam es mir vor, als sei in dieser Stunde alles feierlich ernst um mich herum geworden.
Ich stand nun ganz allein da in einer neuen Welt, noch so jung und unerfahren, unter lauter fremden Menschen, sozusagen auf mich selbst gestellt.
Bei meiner Abreise in Island hatte ich alles verlassen müssen, was mir lieb und teuer war auf Erden: Freunde und Verwandte, meinen kleinen Bruder Manni, meine Schwester Bogga und meine liebe, liebe Mutter.
Ein unermessliches Weltmeer lag von nun an wie ein gähnender Abgrund zwischen ihnen und mir.
Infolge dieser Gedanken war ich nahe daran, traurig zu werden. Da kam Owe gesprungen und sagte schnell zu mir:
„Nonni, der Steuermann will etwas mit dir sprechen! Ich habe soeben gehört, wie er es zum Kapitän gesagt hat.“
Ich sprach mit Owe noch einige Worte, da sahen wir schon den Steuermann aus der Kapitänskajüte heraufkommen. Er ging auf mich zu, klopfte mir freundlich auf die Schulter und sagte:
„Komm einen Augenblick mit mir, Nonni, in die Matrosenkajüte. Ich möchte etwas mit dir reden. Der Herr Kapitän braucht doch noch einige Zeit, bis er zum Ausgehen fertig ist.“
Ich folgte dem Steuermann die Treppe hinunter, und wir traten beide in die vordere Kajüte hinein.
Der Steuermann sah diesmal gegen seine Gewohnheit merkwürdig ernst aus. Ich konnte mir das gar nicht erklären.
Was mochte er mir wohl zu sagen haben?
Er schloss die Tür hinter sich zu und bat mich, an dem Tisch mitten in dem kleinen Raum Platz zu nehmen. Dann setzte er sich mir gegenüber und begann:
„Nun, mein lieber Nonni, wie geht es dir heute? Hast du noch immer Lust, hier in Kopenhagen zu bleiben, bis der deutsch-französische Krieg zu Ende ist? Und willst du dann wirklich deine grosse Reise bis nach Südfrankreich fortsetzen?“
„Aber natürlich! Das muss ich doch! Es ist ja alles so abgemacht!“
„Freilich, das schon. Aber ich meine, wenn es dir in Kopenhagen unter den fremden Menschen nicht mehr gefallen würde, und du wolltest wieder nach Island zurückkehren ...“
„Ich nach Island zurückkehren? — Herr Steuermann, das wäre doch nicht vernünftig!“
„Warum denn nicht?“
„Ich soll doch nach Frankreich reisen! Und jetzt bin ich schon so weit von zu Hause fort! Und ich bin ja ganz freiwillig gegangen! Alle Leute in Akureyri würden mich ja auslachen, wenn ich jetzt wieder heimkäme!“
„O nein, Nonni, man würde dich nicht auslachen; du müsstest nur einen guten Grund haben, warum du wieder heimkommst.“
„Aber ich habe keinen Grund, Herr Steuermann. Ich habe auch bis jetzt noch gar nie daran gedacht, nach Hause zurückzukehren.“
„Das freut mich, mein Lieber, dass du so mutig bist. — Aber sag mal, hast du noch nie Heimweh gehabt, seitdem du von Akureyri fort bist?“
„Ein wenig schon; aber nur, wenn ich an meine Mutter denke und an meine Geschwister. Sonst habe ich kein Heimweh.“
Der Steuermann schwieg jetzt einen Augenblick. Dann fuhr er fort:
„Zuweilen hast du also doch Heimweh, Nonni. Das kann ich wohl begreifen. Vielleicht bekommst du aber später noch mehr Heimweh. Möchtest du dann nicht doch wieder zu deiner Mutter gehen?“
„Das ist schon möglich. Aber meine Mutter würde das nicht gern haben, wenn ich nur aus Heimweh wieder nach Hause käme.“
„Glaubst du das sicher?“
„Ja, Herr Steuermann, ich glaube es ganz sicher. Meine Mutter ist so. Sie hat es mir freigestellt, ob ich die Reise machen wolle oder nicht, und sie hat gesagt, es sei sehr gut und nützlich für mich, wenn ich in Frankreich studiere. Nun bin ich aber schon so weit auf dem Wege nach Frankreich, da will sie ganz gewiss, dass ich jetzt aushalte. Sie hat mir auch selbst gesagt, dass ich Heimweh bekommen würde; aber darauf solle ich gar nicht achten, sondern es überwinden, wenn es käme; die Kinder vornehmer Eltern müssten das auch manchmal tun.“
„Deine Mutter hat recht, Nonni. Aber glaubst du, du wirst das Heimweh immer überwinden können?“
„O, ich kann das schon, wenn ich mir nur Mühe gebe und Gott um seine Hilfe bitte. — Aber warum sprechen Sie gerade jetzt von diesen Sachen, Herr Steuermann?“
„Das will ich dir sagen, mein kleiner Freund: Ich tue es nicht, um dich mutlos zu machen; aber ich kam gestern mit dem Herrn Kapitän auf dich zu sprechen. Wir sind beide etwas besorgt um dich und würden dich gern umsonst wieder nach Island mitnehmen, wenn du dich unglücklich fühlen würdest und nach Hause zurückkehren wolltest.“
Jetzt erst verstand ich, warum der Steuermann mich so ausfragte. Ich ergriff seine Hand, drückte sie herzlich und sagte:
„Sie sind beide so gütig gegen mich, Herr Steuermann, Sie und der Herr Kapitän. Ich danke Ihnen sehr dafür. — Wann werden Sie denn wieder nach Island fahren?“
„Wir segeln jetzt zuerst heim nach Bornholm. Gegen Ende des Winters kommen wir noch einmal nach Kopenhagen. Hier nehmen wir Waren ein, dann fahren wir wieder nach Island. Wenn du um diese Zeit noch in Kopenhagen bist und gern nach Island zurückkehren willst, dann bist du als Passagier bei uns willkommen. Du würdest unser Gast sein und natürlich freie Fahrt haben.“
Ich dankte dem Steuermann nochmals herzlich und sagte, wenn ich am Ende des Winters noch in Kopenhagen sei und mich unglücklich fühlen würde, dann wolle ich die Einladung gerne annehmen und mit nach Island fahren.
Der Steuermann reichte mir freundlich die Hand. „Gut, Nonni, das ist also abgemacht“, sagte er.
Nach einer kleinen Weile fragte ich ihn:
„Aber, Herr Steuermann, warum denken Sie, dass ich mich vielleicht unglücklich fühlen könnte?“
„Warum? — Das hat seinen Grund, Nonni. Du bist noch ein Knabe und stehst schon allein da in der Welt. Du kommst jetzt in eine grosse Stadt unter lauter fremde Menschen. Die haben andere Sitten und Gebräuche, als sie bei euch in Island sind. Da ist alles ganz neu für dich. Du wirst dich an vieles erst gewöhnen müssen. Das wird nicht immer leicht sein. Dann wirst du vielleicht Heimweh bekommen nach deinen Freunden und Geschwistern und nach deiner Mutter, und da wäre es doch möglich, dass du dich unglücklich fühlen würdest. — Überhaupt, Nonni, bist du selber gar nie ein wenig bange, wenn du so an deine eigentümliche Zukunft denkst?“
„Nicht viel und nur ganz selten. Aber dann habe ich auch ein Mittel, das mir gleich hilft.“
Der Steuermann war sichtlich gespannt darauf, was für ein Mittel das wohl sein würde.
„Es ist der Gedanke an meine Mutter“, sagte ich.
„An deine Mutter? — Wie meinst du das, Nonni?“
Ich griff in meine Brusttasche, holte mein Notizbuch hervor und nahm daraus ein Blatt. Indem ich es auseinanderfaltete, sagte ich:
„Hier,