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heiße Cooper. Wie bin ich an euch geraten?« Er wollte direkt zur Sache kommen. Für schmuddelige Kiffer fehlte ihm die Geduld. Sie mochten zwar versuchen, nett zu sein, wobei er sich kein vorschnelles Urteil bilden wollte. Er hatte noch niemanden kennengelernt, der so aussah und in irgendeiner Hinsicht normal war. Nicht, dass Cooper kein Verständnis für Notdürftige an den Tag legte; er hatte in der Schule und bei den Pfadfindern viele, viele Stunden damit verbracht, wirklich unglückseligen Menschen unter die Arme zu greifen. Diejenigen, die dringend Hilfe brauchten, fielen für gewöhnlich weniger augenscheinlich auf als solche, denen man auf der Straße begegnete, wo sie täglich zu allen Zeiten um Geld bettelten.

      Cooper war in der behüteten Kleinstadt Monterey aufgewachsen, die als Zwischenstation für Durchreisende auf dem Weg die Küste hinunter fungiert hatte. Deshalb kreuzten dort je nach Jahreszeit Fremde auf, vornehmlich abenteuerlustige Jugendliche, und die meisten reisten mit negativen Beweggründen, etwa weil sie missbraucht oder im Stich gelassen worden waren, Drogen nahmen oder unter psychischen Problemen litten. Er war in einem solchen Umfeld groß geworden, hatte eine Vielzahl dieser Menschen gesehen und oft mit ihnen zu tun bekommen. Deshalb konnte er sie mittlerweile gut durchschauen, und obwohl die Mehrheit freundlich war, durfte man niemandem von ihnen trauen, weil sie sich in einer verzweifelten Situation befanden.

      Im Zentrum war es besonders drastisch gewesen, weil die Busse des Fernverkehrs eine große Haltestelle dort angesteuert hatten. Zwischen Los Angeles und San Francisco gab es abgesehen von Monterey und Santa Cruz keine wesentlichen Klein- oder Großstädte. An jenem Knotenpunkt waren viele Landstreicher ausgestiegen, um über Tage, manchmal auch Wochen hinweg herumzulungern, zu schnorren oder zu stehlen, und sich Ärger einzuhandeln.

      »Wir haben deinen Arsch gerettet, Bruder«, betonte Ben todernst.

      Willow nickte, während sie ihn anschaute und erneut ein verhaltenes Lächeln bemühte.

      Selbiges beunruhigte Cooper, doch was ihn richtig fahrig machte, bemerkte er erst jetzt im Schatten hinter dem Kerl. Es wäre ihm nie aufgefallen, wenn er im Laderaum gesessen und Ben sich nicht zur Seite gelehnt hätte, um den Joint von Willow entgegenzunehmen. Es war ein Metallring – eine simple Vorrichtung, um Frachtstücke zu sichern – nahe an einer Wand an den Boden des Busses geschweißt. Man hätte ihn als relativ normal für ein solches Fahrzeug erachten können, doch daran befestigt war eine silbern verchromte Kette, die unter dem Teppichboden hindurchführte. Sie erinnerte an jene Ketten, die Handschellen miteinander verbanden. Cooper versuchte sich einzureden, dass er Gespenster sah, aber das waren zu viele kleine Warnsignale – ungute Gefühle, was diese beiden anging. Sie kamen ihm nicht koscher vor und hatten eine Ausstrahlung, die ihm nicht gefiel. Möglicherweise lag es daran, dass er während der Apokalypse in einem dunklen Wald erwacht war, doch er spürte, dass es nichts damit zu tun hatte. Nein, irgendetwas stimmte nicht mit diesen beiden.

      »Wir haben gesehen, wie du beschossen wurdest und dann in dieses Auto gekracht bist. Da mussten wir helfen.«

      »Habt ihr gesehen, von wem ich angegriffen wurde?«

      »Nö, aber wer auch immer es war, hatte es den ganzen Tag lang getan. Wir haben beobachtet, wie mehrere Leute getroffen wurden, und verhalten uns deswegen unauffällig, bis dieser Mist vorbeigeht.«

      »Wisst ihr denn, mit wem ich zusammengestoßen bin?«

      Ben kicherte. »Irgendeine blöde Fotze. Wir haben getrampt, aber sie wollte uns nicht mitnehmen. Wir wären zu dreckig. Kannst du dir das vorstellen? Das ist das verdammte Ende der Welt und die macht sich ’nen Kopf über Flecken auf ihren Sitzen.«

      Willow nickte nur. »Wohin wolltest du?«

      »Nach Norden, San José«, antwortete Cooper, während er sich fragte, warum sie trampen wollten, wo sie doch einen Bus besaßen.

      »Das kannst du abschreiben. Alles ist über Meilen hinweg blockiert.« Sie zwirbelte ihre Zöpfe mit einem Finger. »Wir haben ein paarmal versucht, aus der Stadt zu kommen, und wären dabei fast kaltgemacht worden. Nach Washington wollten wir.«

      Ben legte sich auf den Boden. Er sah aus, als sei er eingeschlafen, doch dann redete er weiter: »Du darfst gerne mit uns abhängen, solange du Bock hast.«

      »Danke, aber ich muss mich wieder auf den Weg machen. Habt ihr mitbekommen, wer auf die Leute ballert?« Cooper stellte die Frage erneut, weil er den Schießwütigen tunlichst meiden wollte.

      »Nein, doch er lauert schon mindestens seit gestern auf der Überführung«, gab Ben an, während Willow die Augen schloss.

      »Mindestens«, bekräftigte sie. »Ich schätze, wir hauen uns jetzt aufs Ohr.« Sie schienen beide einzunicken.

      Bekloppte Drogenfreaks, dachte Cooper. Er fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart, doch seine Schmerzen machten ihm zu schaffen. Als könne sie seine Gedanken lesen, schlug Willow die Augen wieder auf. »Der Unfall hat dir zugesetzt, was? Brauchst du irgendetwas?«

      »Habt ihr Schmerzmittel?« Noch während er danach fragte, wurde ihm bewusst, wie dumm das war, weil er im Leben nichts zu sich nehmen würde, was diese beiden ihm gaben.

      »Aber hallo.« Ihre Augen funkelten.

      »Aber hallo«, wiederholte Ben.

      Sie stand auf und griff nach einem Rucksack, der auf einem der Vordersitze im Bus lag. Heraus zog sie eine große Einkaufstüte, die aussah, als stecke sie voller Süßigkeiten. Darin enthalten waren bestimmt mehrere Tausend Tabletten. Sie begann, darin zu wühlen.

      »Ich dachte eher an Tylenol oder Advil.«

      Sie rümpfte die Nase. »Das Zeug ist nicht gut für dich. Ich hab Oxycodon, Percocet …«

      »Klappt auch so, danke.«

      »Eine halbe Codein bringt dich wieder runter, damit du pennen kannst.«

      »Ich komm klar.« Er wollte nicht unhöflich werden, aber sie ließ nicht locker.

      »Ich sehe doch, wie nötig du es hast. Warum quälst du dich so?«

      »Wirklich, mir geht es gut.« Er versuchte, das Thema zu wechseln. »Woher stammt ihr zwei überhaupt?«

      »Komm schon, Hasenfuß.« Ben ließ sich dazu hinreißen, die Augen zu öffnen. »Sei kein solcher Hosenscheißer.«

      »Hör auf Ben.« Willow kroch dichter zu Cooper hinüber. »Achte nicht auf ihn, er hat bloß schlechte Laune.« Nachdem sie einen Arm um ihn gelegt hatte, drückte sie ihre Brust gegen seine Schulter. Hätte sie sich gewaschen, wäre sie echt heiß gewesen, doch sie war so verstrahlt und schmierig, dass es ihn abstieß. »Mensch komm, Süßer, nur eine Halbe. Willst du mit mir Party machen?«

      Sie hielt eine Tablette zwischen zwei Fingern vor Coopers Gesicht. »Bitte.« Er sollte seinen Mund aufmachen.

      Ihr Atem stank. Er konnte jeden einzelnen Mitesser in ihrem Gesicht sehen. Ben lag nach wie vor auf dem Rücken, beobachtete aber nun aufmerksam wie ein Raubtier, was vor sich ging. Coopers Alarmglocken läuteten laut, und er wollte Reißaus nehmen, befürchtete aber, sie könnten versuchen, ihn zu überwältigen und zurück in den Bus zerren. Sie bemühte sich eindeutig, ihn zu verführen, und keiner der beiden hatte sich, seit er wachgeworden war, weiter als drei Fuß von ihm entfernt.

      Er lächelte und entgegnete: »Lass mich zuerst pinkeln gehen. Wenn ich mich zu sehr entspanne, mache ich euren ganzen Bus nass.« Sicherheitshalber streckte er eine Hand aus. »Meine Fresse, eine halbe Tablette … mir tut alles weh, und ich hätte nichts dagegen, mir die Lichter so richtig auszublasen.«

      »Gute Idee.« Sie lächelte abermals und rieb seine Schulter. Dann brach sie die Tablette in der Mitte durch und hielt sie an seinen Mund. Er grinste, und ließ sie sich in den Mund legen, wobei er sich hinter die Ohren schrieb, sich später die Zunge abzuschrubben, wo ihre bitter schmeckenden Fingerspitzen sie berührt hatten.

      Als er sich abwandte, war er verblüfft, denn in seinem Mund lag nun eine ganze Tablette. Irgendwie musste sie die Halbe im Bruchteil einer Sekunde ausgetauscht haben, während sie miteinander gesprochen hatten. Er hielt sie auf der Zunge,

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