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selbst, daß ich das Unglück hatte, einen solchen Freund zu verlieren. Kriton, der sich noch vor mir der Thränen nicht enthalten konnte, stand auf und irrete im Gefängnisse umher; und Apollodorus, der die ganze Zeit mehrentheils geweinet, fieng damals an, überlaut zu heulen und zu jammern, daß einem jeden das Herz davon brach. Nur Sokrates blieb unbewegt, und rief uns zu: Was machet ihr, Kleinmüthigen? deßwegen habe ich so eben die Weiber weggeschickt, damit sie hier nicht so klagen und winseln möchten; denn ich habe mir sagen lassen, man müsse suchen unter Seegen und guten Wünschen den Geist aufzugeben. Seyd ruhig, und zeiget euch als Männer! – Als wir dieses vernommen, schämten wir uns, und hörten auf zu weinen. Er gieng auf und nieder, bis ihm die Füße schwer wurden, und legte sich sodann auf den Rücken, wie der Sklave ihm gerathen hatte. Bald darauf betastete ihn der Mann, welcher ihm den Gift gereicht, mit den Händen, und beobachtete seine Füße und seine Hüften. Er drückte ihm den Fuß, und fragte, ob er es fühlte? Nein, sprach er. Er drückte ihm den Schenkel, ließ aber wieder los, und gab uns zu verstehen, daß er kalt und steif sey. Er betastete ihn wieder, und sprach: So bald es ihm ans Herz kömmt, wird er verscheiden. Nun fieng ihm der Unterleib schon an kalt zu werden. Er deckte sich auf, denn man hatte ihn zugedeckt, und sagte zum Kriton: (dieses waren seine letzten Worte:) Freund! vergiß nicht, dem Gott der Genesung einen Hahn zu bringen, denn wir sind ihm einen schuldig. – Kriton antwortete: Es soll geschehen. Hast du sonst nichts mehr zu hinterlassen? Hierauf erfolgte keine Antwort. Einige Zeit hernach bekam er Zuckungen. Der Mann deckte ihn vollends auf, und seine Blicke blieben starr. Als Kriton es sahe, drückte er ihm Mund und Augen zu.

      Dieses war das Ende unseres Freundes, o Echekrates! eines Mannes, der unter allen Menschen, die wir kannten, unstreitig der rechtschaffenste, weiseste, und gerechteste gewesen.

      Anhang zur 2. Auflage des Phädon 1768

       Inhaltsverzeichnis

      Anhang, einige Einwürfe betreffend, die dem Verfasser gemacht worden sind.

      Verschiedene Freunde der Wahrheit haben die Gewogenheit gehabt, mir ihre Erinnerungen und Anmerkungen über obige Gespräche, theils in Privatbriefen und theils in öffentlichen Blättern, zu Gesichte kommen zu lassen. Nicht wenige derselben habe ich bey dieser zwoten Auflage mit Nutzen gebraucht. Ich habe hier und da verändert, an einigen Stellen mich deutlicher erklärt, und andere durch Noten erläutert. Dieses ist der einzige Dank, den diese würdige Männer von mir erwarten. Aber alles habe ich nicht aus dem Wege räumen können, was meinen Richtern anstößig geschienen. Zum Theil haben mich ihre Gründe nicht überzeugt, und zum Theil giengen ihre Anforderungen über meine Kräfte. Man erlaube, daß ich mich hier über einige Erinnerungen von dieser Art erkläre.

      Ueberhaupt muß ich bekennen, daß die Kunstrichter in Ansehung meiner eher nachsichtsvoll, als strenge gewesen sind. Ich habe mich über keinen unbilligen Tadel zu beschweren, vielleicht eher über unbilliges Lob, davon mich die Selbsterkenntniß versichert, daß es übertrieben ist. Unmäßiges Lob pflegt mehr die Absicht zu haben andere zu demüthigen, als den Gegenstand desselben anzuspornen. Ich habe mir niemals in den Sinn kommen lassen, Epoche in der Weltweisheit zu machen, oder durch ein eigenes System berühmt zu werden. Wo ich eine betretene Bahn vor mir sehe, da suche ich keine neue zu brechen. Haben meine Vorgänger die Bedeutung eines Worts festgesetzt, warum sollte ich davon abweichen? Haben sie eine Wahrheit ans Licht gebracht, warum sollte ich mich stellen, als wüßte ich es nicht? Der Vorwurf der Sektirerey schreckt mich nicht ab, von andern mit dankbarem Herzen anzunehmen, was ich bey ihnen brauchbares und nützliches finde. Ich gestehe es, der Sektiergeist hat dem Fortgange der Weltweisheit sehr geschadet, aber er kann, meines Erachtens, von Liebe zur Wahrheit eher im Zaume gehalten werden, als die Neuerungssucht.

      Jedoch ich soll selbst in dem ersten Gespräche, allwo ich genauer beym Plato geblieben zu seyn vorgebe, Sätze aus Wolf und Baumgarten ohne Beweis vorausgesetzt haben, die nicht jeder Leser so schlechterdings annimmt. – Welches sind denn diese Sätze? Etwa, daß die Kräfte der Natur stets wirksam sind? Ich glaube, dieser Satz sey so alt, als die Weltweisheit selbst. Man hat von je her gewußt, daß ein wirksames Ding, wenn es nicht gehemmet wird, die ihm angemessene Wirkung hervorbringt, und wenn es Widerstand findet; so wirkt es in diesen Widerstand zurück. Es ist also niemals in Ruhe. Diese Begriffe leuchten der gesunden Vernunft so sehr ein, daß sie keines Beweises bedürfen, und die Weltweisen aller Zeiten haben sie gedacht, nur diese so, jene anders ausgedrückt.

      Alle Schulen der Alten sind beschäftiget gewesen, diesen Satz zu bestätigen, oder zu widerlegen. Man weiß das Gleichniß von einem Baume, der seinen Schatten auf ein vorbeyfließendes Wasser wirft. Der Schatten scheinet immer derselbe zu seyn, obgleich der Grund, auf welchem er gezeichnet ist, sich beständig fortbewegt. So, sagten die Anhänger des Plato, scheinen uns die Dinge Beständigkeit zu haben, ob sie gleich in stetem Wechsel sind. Daß diese Lehren auch im Wolf und Baumgarten vorkommen, ist kein Wunder, da sie seit den Zeiten des Heraclitus und Pythagoras von jedem Weltweisen haben untersucht werden müssen. Ich würde durchaus antik geblieben seyn, wenn ich keine neueren Sätze hätte brauchen dürfen, als diese.

      Ich soll aber meine ganze Demonstration auf den Satz gegründet haben, daß empfinden, denken und wollen die einzigen Wirkungen der Seele sind, und dieser Satz soll ausser der Schule, der ich anhänge, nicht angenommen werden. Ja, setzt ein Kunstrichter hinzu, wenn er auch von der Seele, als Seele, zugegeben wird; so kann er doch nicht von der Seele als Substanz gelten. Als Substanz muß sie auch noch eine bewegende und widerstehende Kraft haben, die mit der denkenden gar nichts gemein hat. Durch diese Unterscheidung soll einer von meinen Hauptbeweisen über den Hauffen fallen, denn die Seele kann nach dem Tode als Substanz würksam bleiben, ohne als Seele zu empfinden, zu denken und zu wollen.

      Wir wollen sehen! Mein Beweis, sagt man, gründe sich auf einen Satz, der nicht wahr ist, und ich? ich glaube, der Satz sey wahr, aber mein Beweis gründe sich nicht darauf. Ob eine Substanz nur eine Grundkraft, oder mehrere haben könne, ob denken und wollen aus einer, oder mehrern Grundthätigkeiten fließen, ob die Seele den Leib bewege, oder nicht bewege; diese und mehrere dahin einschlagende Untersuchungen kann ich als unausgemacht dahin gestellt seyn lassen. Für mich habe ich zwar Partey genommen; allein die Beweise für die Unsterblichkeit der Seele sollen mit so wenig andern Streitfragen, als möglich, verwickelt bleiben. Das Vermögen zu denken und zu wollen nenne ich Seele, und mein ganzer Beweis gründet sich auf folgendes Dilemma: Denken und wollen sind entweder Eigenschaften des Zusammengesetzten, oder des Einfachen. Jenes wird im zweyten Gespräche untersucht. In dem ersten betrachte ich sie als Eigenschaften des einfachen Wesens. Die Eigenschaften des einfachen Wesens sind entweder Grundthätigkeiten, oder Modifikationen anderer Thätigkeiten. Man gestehet ein, daß denken und wollen nicht bloße Modifikationen anderer Kräfte; sondern ursprüngliche Thätigkeiten seyn müssen. Eine, oder mehrere, das thut nichts; die einfachen Wesen mögen auch ausser dem Denken und Wollen noch andere Kräfte haben, bewegende, widerstehende, stoßende oder anziehende, so viel man nur will, und Namen erdenken kann. Genug, daß denken und

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