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zur Ruhe setzen.«

      Veronika stimmte in das Lachen ein.

      »Da muß ich dich enttäuschen, Großvater, so lang’ bleib’ ich net«, antwortete sie. »In drei Tagen ist mein Urlaub zu Ende. Dann muß ich wieder fort.«

      Urban schaute sie ungläubig an.

      »Fort…?« murmelte er.

      »Ja, freilich. Und außerdem – ich glaub’ net, daß der Christian damit einverstanden wäre, wenn ich für den Rest meines Lebens Sennerin spielen wollte.«

      »Christian? Welcher Christian?«

      Er schaute das Madel verständnislos an.

      »Christian Wiltinger, mein Verlobter«, antwortete Veronika und schlug sich plötzlich vor die Stirn.

      »Hab’ ich denn gar nichts von ihm erzählt?«

      Urban Brander hörte gar nicht mehr zu. Fortgehen würde sie, hatte Veronika gesagt. Fort, genau wie damals Maria. Aber das würde er niemals zulassen. Das Kind wußte ja gar net, was er tat, kannte doch die Gefahren gar net, die da draußen lauerten. Er mußte sie beschützen, jetzt, da er ihr einziger Verwandter war, den sie noch hatte. Er konnte sie doch nicht fortlassen!

      »Großvater, hörst du mir überhaupt zu?«

      Ihre Stimme riß ihn in die Wirklichkeit zurück. Da stand sie vor ihm, so zart und zerbrechlich…

      »Ja… ja, natürlich«, stammelte er, drehte sich um und schlurfte hinaus.

      Draußen setzte er sich auf die Bank und stützte den Kopf in die Hände. Immer wieder hörte er seine Enkelin diesen Satz sagen: »Ich muß wieder fort…«

      Aber das konnte doch net richtig sein, dachte Urban Brandner gequält. Er schaute zum Himmel hinauf. Hatte ER es so bestimmt? War dies die Strafe dafür, daß er, Urban, vor so langer Zeit falsch gehandelt hatte?

      So mußte es wohl sein. Erst schenkte Gott ihm eine Enkeltochter, dann nahm er sie ihm wieder fort.

      Aber das würde er sich net gefallen lassen! Niemand nahm Urban Brandner etwas fort – auch Gott net!

      Tränen traten ihm in in die Augen, und um ihn herum schien sich alles zu drehen. Der Alte wischte sich über das Gesicht. Dabei hörte er Veronika drinnen immer noch die Kurbel am Butterfaß drehen. Er war froh, daß sie ihn so, in dieser Verfassung, nicht sah. Benommen stand er auf und holte tief Luft.

      Er würde – er mußte verhindern, daß das Madel wieder von ihm ging. Unter allen Umständen! In seinem Kopf reifte ein Plan heran. Ein vager Gedanke zunächst, doch je mehr er darüber nachdachte, um so sicherer war der alte Senner sich.

      Drei Tage, hatte Veronika gesagt – dann würde er seinen Plan in die Tat umsetzen.

      *

      Sepp Reisinger rieb sich die Hände und strahlte. Wie an jedem Samstag abend herrschte Hochbetrieb im ›Goldenen Löwen‹, dem größten Hotel in Sankt Johann. Zum einen waren etliche Touristen abgestiegen, die die Schönheit Sankt Johanns und seiner Umgebung entdeckt hatten, zum anderen fand immer am Wochenende der große Ball auf dem Saal statt, und keiner der Dorfbewohner ließ es sich nehmen, dem Fest beizuwohnen.

      Mehr als vierzig Tische standen um die Tanzfläche herum, und auf einer kleinen Bühne hatte die Musikkapelle ihren Platz. Von Walzer bis Polka, jeder Musikwunsch wurde erfüllt. Die Paare drehten sich zu den schmissigen Klängen, und Wein und Bier flossen in Strömen.

      Natürlich waren auch hier der schändliche Einbruch und der Madonnenraub das Gesprächsthema des Abends.

      Später vermochte niemand mehr zu sagen, wer eigentlich das Gerücht aufgebracht hatte – doch immer wieder war der Name der Familie Anderer im Zusammenhang mit dem Verbrechen zu hören.

      Besonders an einem Tisch ging es hoch her. Dort saßen der Sterzinger-Bauer und seine Familie mit denen vom Nachbarhof, den Bachmeiers. Während die Alten sich lautstark über den Kirchendiebstahl erregten, versuchte Anton Bachmeier die Sterzingertochter, Katharina, in ein Gespräch zu verwickeln. Das dunkelbraune Madel schaute gelangweilt zur Tanzfläche hinüber und strafte den jungen Bachmeier mit Nichtachtung.

      Schon seit Wochen versuchten die Eltern sie dazu zu bewegen, Antons Frau zu werden. Noch hatte sie es geschafft, sich dem unter fadenscheinigen Ausflüchten zu entziehen, doch heute hatte der Vater ein ernstes Wort mit ihr geredet. Noch länger würde er sich nicht hinhalten lassen, hatte er gesagt. Wenn sie net bald einwilligte, dann würde der Vater sie über ihren Kopf hinweg mit Anton Bachmeier verheiraten!

      Kathi seufzte lautlos auf. Was sollte sie bloß tun? Sie konnte Anton net heiraten. Nicht nur, weil sie ihn überhaupt net mochte – ihr Herz gehörte ja längst einem anderen!

      Aber, wenn das herauskam… Kathie wagte gar nicht daran zu denken. Dann gab es eine Katastrophe!

      »Magst net tanzen?« vernahm sie Antons Stimme, der ihr gegenüber saß.

      Sie schaute zur Mutter, die ihr aufmunternd zunickte.

      »Ich hab’ schon immer gewußt, daß sie allesamt Taugenichtse und Tagediebe sind«, sagte der alte Sterzinger in diesem Moment. »Es tät mich net wundern, wenn der Thomas der Einbrecher ist.«

      Die anderen nickten bestätigend. Alle bis auf Katharina, die von ihrem Stuhl aufgesprungen war.

      »Wie kannst du so etwas sagen?« rief sie empört. »Der Thomas ist ein grundanständiger Kerl, der nur etwas Pech im Leben gehabt hat. Aber, darum dürft ihr ihn net gleich einen Verbrecher schimpfen.«

      Das Madel hatte so leidenschaftlich gesprochen, daß alle anderen am Tisch sie erstaunt anblickten.

      »Was verteidigst du ihn denn so vehement?« argwöhnte ihr Vater auch gleich. »Hast dich gar in ihn verguckt?«

      Katharina spürte, wie sie rot wurde, während die Mutter erschrocken das Kreuz schlug. Anton Bachmeier und seine Familie schauten sie verwundert an.

      »Hock dich wieder hin!« befahl Joseph Sterzinger seiner Tochter. »Und laß dir ja nur keine Flausen wachsen. Du heiratest den Anton und damit basta!«

      Er wandte sich seinem Schwiegersohn in spe zu und hob seine Maß.

      »Prost, Anton«, sagte er mit breitem Grinsen. »Du bist mir als Schwiegersohn herzlich willkommen, und net dieser dahergelaufene Habenichts. Und jetzt wollen wir eure Verlobung feiern.«

      Während alle anderen ihre Gläser hoben und sich zuprosteten, drehte Katharina sich um und lief hinaus.

      Die anderen schauten dem Madel ratlos hinterher.

      »Kommt, laß uns trinken«, rief Joseph Sterzinger. »Das renkt sich schon alles ein.«

      Er schlug Anton auf die Schulter.

      »Und wenn erst die ersten Enkelkinder da sind, dann denkt niemand mehr an heute abend.«

      *

      Katharina schoß durch die Saaltür und lief Thomas Anderer genau in die Arme.

      »Holla, wohin so stürmisch?« rief er lachend und zog sie an sich.

      Kathie schluchzte auf und warf sich an seine Brust. Zärtlich strich der Bursche ihr über das Haar. Hier draußen, auf dem langen, schwach beleuchteten Flur waren sie einen Moment alleine.

      »Was ist denn geschehen?« fragte Thomas.

      Katharina berichtete es ihm mit hastigen Worten.

      »Geh«, sagte er. »Warte draußen bei meinem Motorrad. Ich komm’ gleich hinterher.«

      Er küßte sie auf den Mund und schob sie fort. Dann strich er sich durch den dunklen Haarschopf, atmete tief durch und öffnete die Saaltür. Mit einem grimmigen Lä­cheln auf den Lippen trat er ein.

      Im selben Moment machte die Musikkapelle eine Pause.

      Alle Leute sahen auf, als die Tür hinter dem jungen Mann mit einem lauten Knall zufiel.

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