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»Lieber Gott, ich muss immer weinen, doch ich will gar nicht immer weinen, kannst du machen, dass ich nicht mehr weinen muss?«

      Seit diesem Gebet erleben Luca und seine Mutter als Kleinfamilie die Präsenz und den Trost des himmlischen Vaters. Und Vanessa hat durch ihren Sohn gelernt, mit Gott in den Dialog zu treten.

      Lücken in einem Familiensystem kann man nicht einfach kompensieren – das gilt auch, wenn die Kinder ausfliegen und das Nest plötzlich leer ist. Gott ersetzt nicht automatisch den fehlenden Partner, Elternteil oder die Kinder, die nicht mehr in derselben Wohnung wohnen. Gott ist kein Lückenfüller in unserem Familienhaus. Aber wir haben in ihm einen Ort, wo wir mit unserem Schmerz hingehen können und neu Trost, Weisheit und Kreativität zur Bewältigung der Leerstellen bekommen. Sie werden damit zu »Lehrstellen« und zum Segensort, was man jedoch oft erst rückblickend sehen kann.

      Eine häufige berufliche oder krankheitsbedingte Abwesenheit des Partners kann ähnliche Auswirkungen haben:

      Der CEO eines global tätigen Unternehmens arbeitet oft im Ausland. An vielen »vaterlosen« Wochenenden ist Maria mit ihren Kindern allein. Sie beneidet die Nachbarsfamilie: Beide Elternteile sind Lehrpersonen, haben zwölf Wochen Ferien und teilen sich die Erwerbs- und Familienarbeit. Maria benötigt einen längeren inneren Weg, um ihre Familiensituation, zu der sie sich gemeinsam entschieden haben, ohne Groll zu akzeptieren. Sie beginnt, während der gemeinsamen Aktivitäten mit ihren Kindern den abwesenden Vater mit einzubeziehen, indem sie beispielsweise sagt: »Das würde Papa gefallen. Schicken wir ihm ein Bild davon.« Mit Gottes Hilfe wählt sie bewusst das, wozu sie im Moment eigentlich keine andere Wahl hat.

      Neue Plätze

      Ebenso herausfordernd ist es, wenn Plätze neu geschaffen oder neu besetzt werden. Ein weiteres Kind kommt zur Welt und schlägt wie eine Bombe ins Familienhaus ein. Das hat für alle große Auswirkungen. Es bewegt alle – und alle müssen sich bewegen.

      Die zweijährige Laura hat einen kleinen Bruder bekommen. Sie ist eifersüchtig. Während ihre Mutter den kleinen Noel stillt, behauptet sie: »Mama, Noel hat mir gesagt, dass deine Milch scheußlich ist.«

      Falsche Plätze

      Die Bezeichnung »Falsche Plätze« wirkt etwas arrogant. Als ob man bezüglich der Architektur eines Familienhauses so klar sagen könnte, was richtig und was falsch ist! Doch manchmal ist es eindeutig, dass jemand gewollt oder ungewollt den falschen Platz einnimmt:

      Linns Mutter ist alleinerziehend. Immer wenn die Mutter psychisch erkrankt, sorgt Linn für ihren kleinen Bruder und für die Mutter. Unglaublich, was die kleine Linn in diesen Zeiten schon alles geleistet hat, bevor sie morgens in die Schule geht. Manchmal kommt sie zu spät oder schläft im Unterricht ein. Sie hat einen falschen Platz und muss die Elternrolle übernehmen (eine sogenannte »Parentifizierung«).

      Die Plätze im Familienhaus werden immer dann nicht optimal eingenommen, wenn dies dem Kind schadet oder wenn es dem ganzen Familienwohl abträglich ist.

      Entfaltet und stärkt dieser Platz mein Kind längerfristig? Tut uns das als Familie gut? Tut es uns als Liebespaar gut? Diese Fragen sind nicht immer einfach zu beantworten.

      Nach zwei erfolgreichen Berufskarrieren von Mama und Papa wird das lang ersehnte Kind als krönender Abschluss gefeiert. Von Anfang an sitzt es am Ehrenplatz im Familienhaus. Es wird rundum verwöhnt, gefördert, aber auch von elterlichen Erwartungen und Wünschen überhäuft.

      Manchmal gestehen wir dem Kind zu viel Raum ein und übertragen ihm Verantwortungen, die es noch nicht tragen kann.

      Conny fragte ihren dreijährigen Mischa oft nach seiner Meinung: »Was kochen wir heute, was hättest du gerne?« Oder: »Was meinst du, wollen wir nun vom Spielplatz nach Hause gehen?« Einmal wollte Mischa mal das eine und dann das andere. Er wusste selbst nicht, was er wollte und reagierte weinerlich und unzufrieden. Conny wurde klar, dass sie oft selbst nicht sicher war, was sie wollte, und ihre Verantwortung auf das Kind verschob und es dadurch überforderte. Dieses Bewusstsein half ihr, jeden Tag neu ihren Platz und die Verantwortung als Mutter einzunehmen und sich zu fragen: »Was will denn eigentlich ich? Was ist nun dran?«

      In anderen Familien nimmt ein Elternteil zu viel Raum ein:

      »Hört auf zu streiten, Papa muss sich erholen, er hat es schwer im Geschäft.« Alles dreht sich um den Vater, als wäre er der Mittelpunkt des Familienuniversums – und die Kinder dürfen nicht mehr Kinder sein. Papa bzw. sein Geschäft drücken alles andere an die Wand des Familienhauses.

      Natürlich gibt es Zeiten, Krankheiten, Beziehungs- und Ausbildungsabbrüche etwa, wo Einzelne im Familienhaus besonders viel Raum, Aufmerksamkeit und Zuwendung bekommen. Aber das sollte nie zu einem Dauerzustand werden. Wenn ein Kind aufgrund einer chronischen Krankheit oder Behinderung sehr viel Pflege benötigt, schauen Sie, wer Sie dabei unterstützen kann, damit Sie als Eltern und die anderen Kinder nicht zu kurz kommen.

      Und wenn ein Kind keine Eltern mehr hat oder diese ihre Verantwortung nicht wahrnehmen können? Während des Zweiten Weltkrieges und danach fehlten viele Väter und Mütter. Kinder können jedoch auch mit einer anderen Bezugsperson resilient und gesund heranwachsen und das Leben meistern, wenn diese verlässlich ist.

      Cecile lebt bei der Großmutter, welche seit ihrer Geburt ihre Bezugsperson ist. Ihre Mutter besucht die Tochter immer wieder, doch sie ist nicht in der Lage, für ihr Kind zu sorgen.

      Klare, aber nicht starre Plätze

      Mit jedem neuen Mitglied kommt es zu neuen Beziehungen und Bezügen im Familienhaus. Die Familie ist ein Beziehungsgeflecht, ein lebendiger Organismus, der ständig in Bewegung ist. Das ist bei jedem Kind, das hinzukommt, der Fall, aber ebenso wenn Familienmitglieder das Familienhaus verlassen.

      Für unsere Jüngste war es eine große Herausforderung, als ihre drei älteren Geschwister aus Studien- oder Berufsgründen auszogen. Sie hat die Gabe, Beziehungen zu leben. Wie ein Herdenhund wachte sie über das Miteinander in unserer ganzen Familie. Nun war ihr die Herde abhandengekommen. Für uns Eltern und sie war eine Zeit der Neuanpassung angesagt. Tränen wurden vergossen und viele Gespräche geführt.

      Wir haben die Erfahrung gemacht, dass uns bei einschneidenden Veränderungen die Gottesbeziehung Stabilität und Flexibilität verleiht. Der biblische Gott ist ein Weg-Gott. Er forderte Abraham auf, alles zu verlassen, was ihm vertraut war und ihm Sicherheit gab.4 Er versprach ihm, ihn in ein Land zu führen, das er ihm noch zeigen würde. Abraham vertraute ihm und zog aus.

      Angst macht unbeweglich, Gottvertrauen macht flexibel. Wir dürfen darum bitten, dass uns dieses Vertrauen immer wieder neu geschenkt wird.

      BAUSTELLE FAMILIENHAUS

      Wir Eltern haben eine Verantwortung für die Innen- und die Außenarchitektur unseres Familienhauses. Das bedeutet für uns, dass wir immer mal wieder über Strukturen unseres Hauses sprechen, darüber, wer in der Familie wie viel Raum einnimmt:

      • Hat jeder seine gute Nische?

      • Wie gestalten sich unsere Beziehungen zu den Kindern aus?

      • Gibt es ungute Koalitionen, die den Beteiligten und der Familie schaden?

      • Werden Familienmitglieder ausgetrickst?

      • Bevorzugen wir eines der Kinder und stellen es auf einen Sockel?

      • Gibt es einen Sündenbock oder ein schwarzes Schaf?

      • Ist das kranke oder rebellische Kind vielleicht Symptomträger eines vertuschten Elternproblems?

      • Unser Blick möge mit besonderer Sorgfalt auf dem stillen, angepassten und pflegeleichten Kind liegen!

      Wenn die Kinder größer sind, können wir als Familie über unsere Plätze in der Familie sprechen. Mit ihren Themen, wer in der Familie was, wann und wie viel bekommt, spielen die Kinder uns

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