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sachliche Meinung erhoffe, einen Rat, wie ich damit umgehen soll … ein letzter Versuch, zu schauen, wo wir stehen. Allerdings gestaltet sich das schwierig, denn David weiß nichts von der magischen Welt.

      »Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du kannst doch nicht wirklich darüber nachdenken, diesen Scheiß zu machen!«

      Okay. Sachlich ist anders.

      Aufgebracht geht er in seinem Wohnzimmer umher, seine Mimik zeigt mir deutlich, dass er sauer ist. Ich sitze ein bisschen verloren auf seiner Couch und weiß nicht, wohin mit mir. Denn ich habe keine Ahnung, warum er so sauer ist.

      »Ich will Trevor entlasten«, fällt mir lediglich ein. »Der Lohn ist wirklich gut, und ich könnte das sicher zeitlich eingrenzen.«

      »Ich kann dir Geld leihen, wenn es so knapp ist. Ich besorge dir einen Job in meiner Firma. Aber es ist kompletter Irrsinn, an diese Schule am Arsch der Welt zu gehen.« David schaut mich nicht an bei diesen Worten, sondern aus dem Fenster. Mir ist es fast recht so, denn all seine Vorschläge sind zwar nett – und doch irgendwie …

      »Ich will mir kein Geld leihen, ich will arbeiten und es selbst verdienen, aber nicht in deiner Firma. Ich bin Koch, keine Aushilfskraft für … was auch immer.« Ich schüttle den Kopf. David arbeitet als Computermensch in einer großen Firma, was hab ich da verloren? Ich bin froh, dass ich den Power-Knopf an meinem Laptop finde. Abgesehen davon: Warum sollte er mich so unterstützen? Wir sind doch nicht mal richtig zusammen. »Ich könnte das von dir auch nicht annehmen. Müssten wir dafür nicht einmal … über uns reden?«, frage ich herausfordernd, und ich sehe an seinem Gesichtsausdruck, dass er das nicht für nötig hält.

      »Über uns reden? Was meinst du?« Er runzelt die Stirn.

      »Letztens … ich hätte dich gern gesehen, mir ging es nicht gut. Ich-« Die Worte habe ich mir sorgfältig zurechtgelegt, mir genau überlegt, was ich sagen möchte.

      »Ich war unterwegs. Du weißt, dass ich nicht auf Überraschungsbesuche stehe«, fällt er mir ins Wort.

      Ich nicke langsam. »Ja, das weiß ich. Trotzdem würde ich gerne meinen Freund anrufen können, wenn ich ein Problem habe. Irgendwas scheine ich dir ja zu bedeuten, wenn es dich so aufregt, dass ich weggehen könnte. Auch wenn wir irgendwie kein richtiges Paar sind. Um eine Entscheidung zu treffen, müsste ich schon wissen, was wir für dich sind.«

      »Ich reg mich nur auf, weil das Blödsinn ist. Du hast ein Café, das ein bisschen schwächelt, da muss man nicht gleich abhauen.« Er wendet sich mir zu, und mir wird unwohl unter seinem Blick. »Was ist denn mit uns? Natürlich sind wir ein richtiges Paar. Darling, du weißt doch, dass ich noch Zeit brauche, dass … ich bin noch nicht so weit. Du bist so viel stärker als ich, ich brauche dich für diesen Weg.« David setzt sich neben mich und nimmt meine Hand. Ich wende mich ihm zu.

      Das hat er schon so oft gesagt. Seine Stimme wird in diesem Moment immer ganz weich und liebevoll, meistens küsst er mich dann, und wir haben Sex.

      »Gabriel, ich weiß nicht, ob ich das hinkriege. Wenn du ein paar Monate weg bist oder vielleicht für immer, das wäre das Aus für uns. Das will ich nicht.«

      Ich betrachte unsere Hände, die ineinander liegen, und in mir steigt das Gefühl hoch, das ich schon ein paar Mal hatte, aber nie wirklich greifen konnte. Das ich als Angst identifiziert habe, obwohl es keine Angst ist. Heute spüre ich es genauer, heute habe ich das Gefühl, näher bei mir zu sein. Hier, wo ich eigentlich Nähe zu jemand anderem suche.

      Langsam entziehe ich ihm meine Hand. »Ich werde das machen, David«, sage ich leise. »Wir sind kein Paar, und ich hab’s satt, nur dein Freizeitvergnügen zu sein.« Ich atme tief durch. »Ich hab gedacht, das mit uns wäre gut für mich, nach der Sache mit Yanis, aber-«

      »Yanis, Yanis. Gabriel, das ist doch …« David rauft sich die Haare und springt auf. »Du musst aufhören, an ihn zu denken und ihm hinterher zu heulen. Er ist weg. Tot. Für immer, und du musst weitermachen! Hier, in deinem Zuhause, in deinem Café, das kann man retten, so schlimm kann es nicht sein mit der Kohle. Dein Onkel übertreibt doch total. Und der Typ, er ist tot, Gabriel.«

      Seine Worte verletzen mich, jedes einzelne. Aufhören, an ihn zu denken. Ich spüre den Schmerz hochsteigen, spüre Verzweiflung. Tot. Für immer. Verzweiflung, die auch John ergriffen hatte, und doch spüre ich die gleiche Hoffnung. Tot. Übertreibt doch total. Sehe Trevor vor mir, wie erschöpft er war, weil die Bank ihm nicht mehr helfen kann, sehe das leere Café.

      Sehe meine Leere.

      Unwillkürlich schüttle ich den Kopf und stehe von der Couch auf, suche Davids Blick. Er versteht sofort und hebt hilflos die Schultern. Ich habe keine Worte mehr für ihn, stattdessen suche ich meine zwei, drei Sachen zusammen und fahre in meine Wohnung. Schaue mich um, beginne zu packen. Öffne an meinem Laptop einen Ordner, den ich tief versteckt hatte, um nicht ständig darüber zu stolpern, und schaue mir die Bilder an, die damals am See entstanden sind. Ich bemerke erst, dass ich weine, als die Tränen auf die Tischplatte tropfen.

      Dann rufe ich John an.

      Oktober 2017

      ❤

      Das wird bestimmt eine gute Erfahrung!« Mein Onkel sagt das bestimmt zum dreißigsten Mal, und genauso oft war ich versucht, zu widersprechen. Aber ich lasse mir meine Unsicherheit nicht anmerken, also nicke ich wie all die Male davor.

      »Wir haben das doch besprochen. Es wird guttun, was Neues zu sehen«, antworte ich ihm. »Wir sparen Geld, ich verdiene was dazu, und im Frühjahr schauen wir weiter.«

      »April.« Trevor legt mir die Hand auf die Schulter. »Dann kommst du wieder. Gab, das alles tut mir so leid. Ich hatte mir so gewünscht, dass es besser läuft.«

      »Es ist, wie es ist. Wir haben gewusst, dass das Café immer ein Risiko ist. Und nun müssen wir schauen, dass wir es halten können. Wenn ich dafür eine Weile woanders Geld verdiene, ist das okay.« Dass dieser Ort eine magische Schule in Österreich sein würde, hätte ich mir allerdings nicht einmal in meinen kühnsten Träumen ausgemalt.

      »Melde dich, wenn du angekommen bist, ja?« Er nimmt meinen Koffer und hebt ihn ins Auto.

      Ich habe mich für wenig Gepäck entschieden, ich weiß nur noch nicht genau, warum. Ob ich neu anfangen will oder nicht lange bleiben, diese Entscheidung steht noch aus. Ausgemacht haben wir ein halbes Jahr. Bis dahin könnte ich einiges gespart haben, und mehr Zeit wollte ich John auch nicht zugestehen. Wenn ich in sechs Monaten nichts erfahren habe, was seine Vermutung bestätigt, wars das.

      Ein halbes Jahr. Das ist überschaubar.

      Meine Wohnung vermieten wir per Airbnb, meine wenigen wertvollen und persönlichen Sachen sind bei Trevor untergebracht.

      Ich bin bereit, aufzubrechen.

      Wir umarmen uns lange. Es geht ihm nicht gut damit, dass ich wegfahre.

      Kurz schweifen meine Gedanken zu David. Er hat noch versucht, mit mir zu sprechen, aber wenn ich nicht reden will, will ich nicht reden, da bin ich stur wie ein Esel. Julie kann ein Lied davon singen.

      Sie hat sich zwei Jahre die Zähne an mir ausgebissen.

      Von Sam und Miles habe ich mich verabschiedet, sie sind wieder eng an mich herangerückt seit diesem Abend, an dem sie für mich da waren. Sie befürworten, was ich tue. Dass ich eine Weile weggehe, dass ich David verlasse, dass ich an den Palast reise.

      Dass ich herausfinde, was mit unserem toten Freund passiert ist.

      ❤

      Kurze Zeit später bin ich auf dem Weg nach Österreich. Mein erster Zwischenstopp ist die Fähre in Dover. Ich schaue aufs Meer, verabschiede mich von England und meinem bisherigen Leben.

      Es erschien mir immer undenkbar, mein Zuhause zu verlassen. Zu groß war die Angst, dass es nicht mehr da ist, wenn ich zurückkomme.

      Warum ich jetzt gehe, kann ich mir selbst nicht erklären. Ich habe Johns Bitte aus

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