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Perry Rhodan Neo 243: Drei Tropfen Unendlichkeit. Rainer Schorm
Читать онлайн.Название Perry Rhodan Neo 243: Drei Tropfen Unendlichkeit
Год выпуска 0
isbn 9783845354439
Автор произведения Rainer Schorm
Жанр Языкознание
Серия Perry Rhodan Neo
Издательство Bookwire
Aus den Akustikfeldern kam ein eigenartig gepresstes Geräusch.
Versucht dieses anorganische Monstrum etwa zu lachen?, dachte er. Das wird ja immer besser!
»Eine ausgesprochen komische Metapher«, sagte NATHAN. »Ich werde Mister Leibnitz bei passender Gelegenheit darüber in Kenntnis setzen. Monade liebt solche Details.«
»Lenk nicht ab.« Langsam verlor Bull die Geduld. »Bekomme ich eine Antwort auf meine Frage, oder wollen wir zusammen einen Leitfaden des menschlichen Humors erstellen?«
»Sicher nicht«, sagte NATHAN, und erneut hatte Bull den Eindruck, als amüsiere sich die Hyperinpotronik.
»Also?«, hakte er nach. Und ich will endlich wissen, ob ich mir um Sophie und Laura Sorgen machen muss.
»Das Programm Eurydike ist angelaufen«, teilte ihm NATHAN mit. »Das bedeutet für einen Großteil des nicht notwendigen Personals Einschränkungen und zeitweilige Versetzung.«
»Projekt Eurydike? Und welches Personal, bitte schön?«, fragte Bull scharf. Er registrierte, dass ein Leitstrahl seine Space-Disk auf die Mondoberfläche hinablenkte. Ob er das seiner Unnachgiebigkeit verdankte, bezweifelte er. NATHAN war durch einfache Hartnäckigkeit nicht zu beeindrucken.
»Programm Eurydike bezieht sich auf alle Bewohner des Monds«, antwortete NATHAN. »Nach Paragraf 3456 der diplomatischen Vereinbarung zwischen mir und der Terranischen Union bin ich berechtigt, im Falle einer drohenden, aber nicht genauer zu definierenden Gefahr, Evakuierungen vorzunehmen. Es dient ausschließlich der Sicherheit.«
»Drohende, aber nicht genauer zu definierende Gefahr«, wiederholte Bull langsam. »Das hört sich für mich schwer nach Willkür an.«
»Aber nicht doch, Protektor Bull«, beteuerte NATHAN. »Willkür ist mir fremd, das sollten Sie wissen.«
»Weiß ich das?«, fragte Bull leise. Dann konzentrierte er sich, als er das NATHAN-Areal mit dem Zentralberg des Asmodeuskraters näher kommen sah. »Wenn ich das hier richtig interpretiere, werde ich nicht evakuiert, sondern darf sogar landen.«
»Das ist korrekt«, bejahte die Hyperinpotronik. »Wenn Sie bis dahin die juristische Lage klären möchten – ich bin sicher, Mister Goslin hat ein paar Minuten Zeit.«
»Danke, nur das nicht!«, wehrte Bull hastig ab. Jeremiah Goslin vertrat NATHANS Angelegenheiten auf dem juristischen Spielfeld und war gefürchtet. Gespräche mit dem Mann, der immer eine altmodische Melone trug, hasste Bull von ganzem Herzen, denn Goslin behielt in aller Regel recht.
Die Warnleuchten erloschen. »Landesequenz läuft«, verkündete die Bordpositronik.
Seitlich etwas versetzt sah Bull eine Rotte kleiner Personentransporter abheben. Die Raumboote ähnelten dicken, aber leicht abgeplatteten Heringen. Sie verfügten nur über leichte Triebwerke und besorgten den Großteil der logistischen Flüge zwischen Erde und Mond.
»Du hast die ›Sprotten‹ für die Evakuierung requiriert?«, fragte Bull. »Das wird die Logistikunternehmen nicht gerade freuen.«
»Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen«, erwiderte NATHAN.
Wieso wundert mich das nicht?, dachte Bull düster. Als ob man ihn mit Konventionalstrafen beeindrucken könnte.
NATHAN beendete die Verbindung grußlos. An solche kommunikativen Eigenheiten hatte sich Reginald Bull längst gewöhnt.
»Projekt Eurydike«, raunte er. »Ich bin sicher, dass das keine Standard-Codebezeichnung ist. Die kenne ich in- und auswendig. Eurydike war die Frau des Orpheus. Nach ihrem Tod holte er sie aus dem Hades zurück und verlor sie erneut, weil er sich nach ihr umschaute. Das war ihm verboten worden. Wenn ich nur wüsste, warum NATHAN ausgerechnet diesen Namen gewählt hat. Für meinen Geschmack ist darin zu viel Tod, Verlust und trauriges Ende enthalten. Typisch für die Griechen, aber was will NATHAN damit andeuten? Die Hyperinpotronik wählt so einen Namen wohl kaum deshalb, weil er gut klingt oder ihr die Geschichte gefällt.«
Bull biss sich auf die Unterlippe, bis es schmerzte. Er kam nicht weiter, nicht mit solchen Spekulationen komplett ohne Fakten und Details.
Reginald Bulls Space-Disk schleuste in einen Untergrundhangar ein und setzte dort auf. Keine fünf Minuten später ging er bereits durch die sublunaren Tunnel, die ein weitläufiges Labyrinth formten. Es war stets eine Herausforderung, sich dort nicht zu verirren. Ohne das Leitsystem, dessen Wegweiserholo ihm als leuchtender, grüner Tennisball voraushuschte, wäre das aber wohl geschehen. Denn obgleich Bull NATHAN recht häufig besuchte, war seine Ortskenntnis lückenhaft. Man vergaß in diesem Gewirr sehr schnell, dass man sich in einer anorganischen, aber dennoch wachsenden Intelligenz aufhielt, nicht in einem Bauwerk. NATHAN veränderte sich unablässig.
Und doch stimmt etwas nicht!, dachte Bull. Immer wieder beobachtete er Klein- und Kleinstroboter, ab und zu sogar einen Schwarm aus technischen Nanomaschinen, die sich an Stellen zu schaffen machten, wo es für Bull keinen Sinn ergab. Viele der Konstruktionen sah er zum ersten Mal. Vielleicht waren sie eigens für diese Tätigkeiten erschaffen worden. Auch in der Untergrundanlage glaubte er, eine gewisse allgemeine Hektik zu spüren.
Es sieht beinahe aus, als würden sie etwas ... abdichten, isolieren, verkapseln. Aber warum nur?
NATHAN hatte seit der Landung nicht mehr mit Bull gesprochen, aber zweifellos hatte die Hyperinpotronik ihre Ohren überall.
»Wie groß ist die Gefahr, die du erwähnt hast?«, fragte er also laut.
Tatsächlich erhielt er prompt eine Antwort. »Das ist sehr schwer einzuschätzen«, sagte NATHAN. »Dass Iratio Hondro sich irgendwann der Erde und dem Mond zuwenden wird, überrascht Sie gewiss nicht. Aber in welcher Form das geschehen wird ... Um das zu beurteilen, fehlen mir die Informationen. Ich reagiere auf die Geschehnisse auf Epsal. Es ist prophylaktisch, aber dass Hondro aktiv werden wird, ist sicher – und der Mond ist ein primäres Ziel.«
Um Himmels willen ... das erklärt überhaupt nichts!, dachte Bull. Dass Hondro Ambitionen hat und gefährlich ist, weiß jeder. Dieses Ausweichen gefällt mir nicht. Aber immerhin hat NATHAN die Sache nun beim Namen genannt. Vielleicht wissen Laura und Sophie mehr.
Ein wenig Ironie schwang in NATHANS Stimme mit, als er ergänzte: »Ihre Töchter werden Ihnen nicht weiterhelfen können, fürchte ich.«
Der Mistkerl wird immer schlauer!, schimpfte Bull stumm. Clever war er immer, aber langsam beginnt er, zusätzlich eine Sensitivität zu entwickeln, die für uns nur eins bedeutet: noch mehr Schwierigkeiten.
Er folgte dem holografischen Wegweiser weiter durch eine flache Halle, in der eine Schar Roboter eine komplette Wandseite von ihren Verschalungen befreit hatte. Die Maschinen drangen tief in die technischen und positronischen Innereien von NATHAN ein. Was genau sie taten, entzog sich Bulls Verständnis. Allerdings machte sich ein Verdacht in ihm breit.
»Sie arbeiten direkt am Neuronat, aus dem sich NATHANS Gesamtheit bildet. Egal was er genau fürchtet: Es geht an die Substanz«, sagte er leise. NATHAN reagierte nicht.
Hinter der Halle zweigte ein großzügig gehaltener Gang ab, in dem sich bequem ein Haluter hätte ausbreiten können. An den Wänden flimmerten auffällige Strukturen, die Bull an Widmannstättensche Figuren erinnerten, wie man sie in Stählen, Titan- oder Zirkoniumlegierungen finden konnte. Diese Gebilde waren nicht stabil, veränderten sich sehr schnell. Außerdem sahen sie aus, als befänden sie sich nicht an der Oberfläche, sondern im Innern des Materials, bedeckt von einer hochtransparenten, klaren Lackschicht.
Eine überraschend asymmetrisch geformte Tür schwang vor ihm auf. Eigenartiges Licht strömte aus dem Raum dahinter. Es pulsierte schwach und schimmerte ein bisschen zu grün, um angenehm zu sein. Als Bull eintrat, sah er seine Töchter. Laura hatte ihn bemerkt und stand auf. Sophies Kopf steckte in einer Holowolke, deren Details sich in einem atemberaubenden Tempo änderten. Bull bekam bereits vom einfachen Betrachten Kopfschmerzen.
»Dad!«,