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schlecht.

      Sie hatte geglaubt, eine kurze Reise dorthin machen und die ganze Sache schnell abschließen zu können, da sie in der Angelegenheit Bente Bertelsen noch immer im trüben fischte.

      Und daß ein bißchen Geld hereinkommen würde.

      Vor dem Mietshaus war Frau Gundersen damit beschäftigt, den Hauseingang zu fegen. Mit dem langen Besen in der Hand sah sie mehr denn je aus wie eine Hexe. Sie hörte sofort mit der Arbeit auf, als sie Margaret sah, die sich wünschte, daß Frau Gundersen nicht zu alt wäre, um auf ihrer Hütte in Bjørkelangen zu wohnen. Sie hatte für heute genug von alten Sonderlingen.

      »Na?« sagte Frau Gundersen und blickte zu ihr hoch. »Ist die Sekte mal wieder unterwegs?«

      Moss schüttelte den Kopf und versuchte vorbeizukommen, aber Frau Gundersen war kein Mensch, der jemanden ohne weiteres vorbeiließ.

      »Kolbjørnsens kriegen nur wenig Besuch«, sagte sie im Konversationston und starrte Moss neugierig ins Gesicht. Zwei lange Haare sprießten am Kinn und leuchteten regelrecht in der Frühlingssonne. Ein graugrünes altes Auto wollte gerade in zweiter Reihe neben dem Renault parken, und Moss hob die Hand, legte sie der Hexe auf die Schulter und schob sie beiseite.

      »Ich bin Detektivin«, sagte sie mitten in das zahnlose Grinsen hinein. Sie ging zum Renault, schickte dem Mann im graugrünen Wagen einen so wütenden Blick zu, daß er sofort rückwärts fuhr, setzte sich in ihr Auto und knallte die Tür zu.

      Als sie um die Ecke fuhr, sah sie in den Rückspiegel. Das kleine alte Weib stand mit dem Besen in der Hand neben dem Auto. Sie starrte dem Renault hinterher.

      »Dir hab ich’s aber gezeigt!« sagte Moss laut und zufrieden, schaltete in den zweiten Gang und nahm Kurs auf die Stadt.

      6

      My baby even left me,

      never said a word.

      Crudup

      Es war ein kalter und grauer Frühling.

      Die Krokusse steckten gerade ihre Köpfe hoch und breiteten zwischen den Frostnächten ihre Kronblätter aus. Maisens Kater schrie im Morgengrauen unter den Apfelbäumen.

      Margaret Moss fiel es schwer, das Mädchen im Meer zu vergessen.

      Wer war sie gewesen?

      Eines Tages rief sie im Polizeipräsidium an und fragte nach ihrem alten Freund Charlie, aber es stellte sich heraus, daß er gerade auf einer Fortbildung in Stavanger war. Sie trommelte auf der Tischplatte und fragte sich, ob sie sich zu Inspektor Averøy durchstellen lassen sollte, entschied sich jedoch dafür, keine schlafenden Hunde zu wecken. Wenn Ansgar Averøy erst einmal der Meinung war, daß Margaret Moss etwas mit im Meer treibenden Wasserleichen zu tun hatte, würde sie bis Weihnachten keine Ruhe mehr haben.

      Sie dachte an Bente Bertelsen und an das Mädchen, das auf der niedrigen Treppe in Dronningens gate gesessen hatte, das Mädchen mit den Herpesbläschen und der Blasenentzündung.

      Sie dachte an Karen.

      Sie waren so zart, solche Mädchenkörper.

      Es war so wenig nötig, um sie zu zerbrechen.

      Und wer weiß, wie gut die Nahrungsreserve war, die man dem eigenen Mädchen mit auf den Weg hatte geben können.

      »Du frierst doch wohl nicht?« fragte Moss ihre Tochter, als sie eines Tages überraschend vom Kindergarten aus anrief.

      »Nein, sie haben mir einen Overall gekauft. Aber meine Doc Martens sind durchgelaufen, das merke ich jetzt, wo ich fast den ganzen Tag draußen bin. Du kannst mir nicht zufällig was leihen für neue?«

      »Ich bezahle sie dir«, sagte Moss.

      »Kannst du dir das denn leisten?«

      »Klar«, sagte Moss großzügig, obwohl sie nicht einmal wußte, ob ihr Konto überhaupt gedeckt war. »Und wie geht’s dir sonst?«

      »Ach, ganz gut«, sagte Karen und klang ein bißchen abweisend.

      »Was macht ihr denn so? Du und Vokter?«

      »Alles mögliche.«

      »Weißt du, das soll kein Verhör sein«, sagte Moss plötzlich resigniert. »Ich treibe nur Konversation. Wollte wissen, wie’s dir geht und so.«

      »Na ja«, sagte Karen gedehnt. »Vokter arbeitet ziemlich viel. Also, es ist keine richtige Arbeit, aber immerhin. Er ist viel unterwegs.«

      »Unterwegs?«

      »Mama!«

      »Hör mal, es sieht dir gar nicht ähnlich, so wortkarg zu sein, verdammt noch mal!« Es gelang Moss nicht, den freundlichen Ton aufrechtzuerhalten. »Da bist du dein Leben lang einigermaßen gesprächig gewesen, um nicht zu sagen geschwätzig, und dann ist plötzlich Schluß! Da ist es doch kein Wunder, wenn ich anfange, mir Gedanken zu machen, was da los ist!«

      Schweigen in der Leitung.

      »Könnte ich ...«, setzte Margaret an, inzwischen ziemlich desperat. »Könnte ich vielleicht mal bei dir vorbeikommen? Sehen, wie’s dir so geht? Damit ich mich vielleicht beruhige? Heutzutage geschehen so viele komische Dinge!«

      Wieder Stille, dann schließlich Karens zögernde Stimme. »Doch. Klar kannst du mal vorbeikommen.«

      Als der Renault am nächsten Tag über Galgeberg in Richtung Altstadt ratterte, dachte Moss, daß sie viel zu sehr zuließ, wie ihre Beziehung zu Karen von Bente Bertelsens Verschwinden geprägt wurde. Das Kind wollte nur seine Ruhe, Karen hatte den großen Sprung weg von zu Hause geschafft, und man wußte ja, wie sich das anfühlte: Wenn das Band erst einmal zerrissen war, fiel es erstaunlich leicht, nicht mehr zu Hause anzurufen. Es war sogar geradezu unangenehm, das zu tun. Es riß etwas auf, zerstörte, löste Schuldgefühle aus.

      Ach!

      Sie plazierte den Wagen mit großer Mühe in einer Parklücke und blickte zu dem Haus hinauf, in dem Karen wohnte.

      Verfallen und häßlich. Gesims, das aussah, als würde es jeden Moment herabfallen, was es teilweise offenbar schon getan hatte.

      Im gesamten Erdgeschoß hatten die Bewohner die Fenster mit Pappe oder aufgespanntem Stoff verhängt, eine Scheibe war zerbrochen und durch Plastik ersetzt, das sich in der Zugluft leicht beulte. Irgendwo baumelte ein Papagei aus Filz, anderswo hatte jemand von innen Plakate an die Fenster geklebt, die für Konzerte einer Gruppe warben, die sich Inhalers nannte, und etwas weiter weg hing Abnormal, ah ja. Sie fand den Namen ihrer Tochter zwischen diversen anderen und drückte auf die Klingel.

      Eine freundliche, aber reservierte Karen mit einem langen, gestreiften Wollpullover, verwaschenen Jeans und Filzpantoffeln kam herunter, um zu öffnen.

      Karen und Vokter bewohnten ein großes Eckzimmer am Ende eines langen Korridors im zweiten Stockwerk. Ein schnittiges Mountainbike lehnte an der Wand, es wimmelte nur so von Joggingschuhen und Stiefeln in allen Größen und Modellen, irgendwoher erklang Musik, etwas Unbestimmtes und Technoartiges.

      Margaret sah sich um, bei Karen war es erstaunlich aufgeräumt, das mußte an Vokter liegen, nicht an ihr. Ein Schreibtisch mit akkuraten Stapeln von Büchern und Papier, auf dem Fußboden ein Bett aus zwei Matratzen, bedeckt mit einer alten Häkeldecke, ein Sofa aus der schlimmsten Teakperiode mit einem Bezug wie Lungenhaschee, und in die Armlehnen waren kleine, amöbenförmige Holzplatten eingelassen. Ein runder Tisch mit Glasplatte, den Karen vom Dachboden in Smestad mitgenommen hatte. Außerdem gab es noch zwei Sessel, die ganz offensichtlich von zwei verschiedenen Möbelfuhren stammten und den Eindruck eines »Blind date« der Möbelstücke erweckten: Sie war klein und mit hellgrauem Bouclee bezogen, er groß und stämmig und aus der ersten IKEA-Periode – unappetitlich gelbes Kiefernholz mit zerschlissenen Wollkissen.

      Grünpflanzen auf dem Fensterbrett.

      »Ist es nicht schön hier?« fragte Karen und sah sich um.

      »Doch«,

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