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Beurteilung

       VII.Fazit und medienethischer Ausblick

       Abkürzungen und Notationen

       Literaturverzeichnis

       Anmerkungen

       Namenregister

       Begriffsregister

      »Gewalt! Gewalt! wer kann der Gewalt nicht trotzen?

      Was Gewalt heißt, ist nichts: Verführung ist die wahre Gewalt.«

      Gotthold Ephraim Lessing: »Emilia Galotti«

       Vorwort

      Wenn Rhetorik die Theorie der Wirkung einer Äußerung ist, dann ist rhetorische Ethik die Theorie des moralischen Umgangs mit dieser Wirkung. Auf diese kurze Formel lässt sich die These des vorliegenden Buches bringen. Die Legitimation dafür liegt in der Ambivalenz rhetorischer Wirkungsmacht, denn was dem Redner nützt, kann den Zuhörern schaden, wenn er sie nur überredet, ohne sie auch zu respektieren und überzeugen zu wollen. Gegenstand dieser rhetorischen Ethik – will sagen: dieser Ethik der Rhetorik – sind die Normen rhetorischen Handelns, die den Redner gegenüber den Zuhörern bei aller persuasiven Beeinflussung auch moralisch glaubwürdig machen. Das hier vorgelegte Buch will aber nicht nach Art rhetorischer Ratgeber Rezepte für richtiges Verhalten geben. Stattdessen will es die ethischen Begriffe und Prinzipien präsentieren, die der Redner genauso wie die Vorschriften der rhetorischen Technik kennen und berücksichtigen sollte, wenn er verantwortlich mit der Rhetorik umgehen will. Es beschränkt sich auf das Verhältnis von Redner und Rede als Kernthema der Rhetorik und vernachlässigt daher – mit Ausnahme einiger Überlegungen zur Medienethik am Schluss – alle disziplinären Weiterungen auf diesem Feld. Die Arbeit ist eine systematische Fortsetzung meiner geschichtlichen Untersuchung des Rednerideals1 und versteht sich als eine auf die Rhetorik konzentrierte Bereichsethik, die mit ihren Vorstellungen zum Entwurf eines modernen Leitbilds für rednerisches Handeln beitragen will.

      Herzlich danken möchte ich Simon Drescher, Jessica Heesen, Olaf Kramer, Hans Krämer (†), Manfred Kraus, Dietmar Till und Niels Weidtmann, die mit mir oft über Fragen einer rhetorischen Ethik gesprochen und meinen Text kritisch gelesen haben. Ebenso möchte ich mich bei Lukas Beck bedanken, der die Register erstellt hat. Gewidmet ist das Buch Walter Jens, der mir zuerst die Rhetorik nahegebracht hat.

       Einleitung

       Wozu heute (noch) rhetorische Ethik?

      Eine Frage wie die in der Überschrift gestellte hat auf den ersten Blick etwas Altmodisches, Rückwärtsgewandtes und provoziert beinahe die weiterführende Frage: »Wozu heute noch Rhetorik?« Gibt es nicht anstelle von »Rhetorik« inzwischen »strategische« oder »persuasive Kommunikation«, Begriffe und Konzepte, die das Beste der alten Rhetorik in sich aufgesogen haben und den angeblich unbrauchbaren Rest von dem, was die rhetorische Tradition ausgemacht hat, fachgerecht entsorgten? Eine ähnliche Bewandtnis scheint es auch mit der rhetorischen Ethik zu haben. Ist denn ihre Erbmasse nicht in den verschiedenen Spielarten der modernen Kommunikationsethiken aufgegangen bzw. weiterentwickelt worden, als da sind: journalistische Ethik, Publikumsethik, Diskursethik, Medienethik, Informationsethik, Internetethik? Sicher, all diese Konzepte haben etwas von der Ethik rhetorischer Wirkung übernommen. Aber nur einzelne Aspekte werden jeweils berücksichtigt, so dass die Idee einer eigenen, auf Beeinflussung und Wirkung setzenden rhetorischen Ethik darin eher vorausgesetzt als wirklich entwickelt wird.

      Die Gründe dafür liegen allerdings nicht im Unvermögen der genannten Disziplinen, sondern darin, dass die moderne Rhetorikforschung zwar ethische Ansätze, aber keine systematisch fundierte eigene Ethik mehr anzubieten hat. Denn mit dem Untergang der Rhetorik als Produktionstheorie von Texten seit dem Ende des 18. Jahrhunderts verschwand auch das ehemals den rhetorischen Unterricht bestimmende und auf der antiken bzw. humanistischen Tugendethik gründende Ideal des vir bonus dicendi peritus, des »Ehrenmanns, der reden kann«. Außerdem wurde das mit der Tugendethik verbundene Modell der Strebens- und Klugheitsethik von der Prinzipien- und Pflichtenethik des 18. Jahrhunderts verdrängt, die in ihrem Handlungsverständnis auf hohe methodische Standards und universale Regelhaftigkeit setzte. »Die Konzepte der phronesis und prudentia, der Topik und rhetorischen Plausibilität, die Vico noch gegen die Methodik der neuzeitlichen Naturwissenschaft zu verteidigen suchte, fallen daher seit Kant aus der Architektonik Praktischer Philosophie heraus.« (Krämer)2 Als um die Mitte des 20. Jahrhunderts die rhetorische Forschung wieder auflebte, existierte für sie kein glaubwürdiges ethisches Theorieangebot mehr. Es gab zwar nach wie vor ethische Interpretationen von Reden aufgrund von Maximen der populären Moral oder anhand von Begriffen aus dem Grenzbereich zwischen Rhetorik und praktischer Philosophie wie »Überredung« und »Überzeugung«. Aber es fehlte ein ethisches Modell, das die moralischen Forderungen der rhetorischen Tradition mit den Erkenntnissen der zeitgenössischen Ethik verbunden hätte.3 Die neue Rhetorikforschung konzentrierte sich stattdessen auf Fragen der persuasiven Adressatenlenkung und verfolgte dieses Ziel bei ihren Untersuchungen über Argumentation und Topik, über die Beziehungen der Rhetorik zu Linguistik und Pragmatik, zu Psychologie, Soziologie, Sprachphilosophie und Anthropologie4 sowie ihre Rolle in Literatur- und Kulturwissenschaft. Dazu kam die Erforschung der antiken Rhetorik in der klassischen Philologie.5 Die hier genannten Forschungsrichtungen analysierten die Rhetorik vor allem als Technik der Persuasion, weshalb eine Beschäftigung mit ethischen Fragen meist unterblieb.

      Heute ist die Entwicklung einer rhetorischen Ethik also allein deshalb schon ein Desiderat, weil das Spektrum kommunikativer Ethiken auch mit normativen Überlegungen zur Moral der persuasiven Einwirkung komplettiert werden sollte. Zu diesen innerdisziplinären Gründen kommen noch externe Gründe hinzu. Da die modernen Gesellschaften in ihrem Handeln immer mehr durch Informationsaustausch und symbolvermittelte Interaktionen bestimmt sind, wird die Kommunikation allgemein und insbesondere die persuasive Kommunikation für den gesellschaftlichen Verkehr immer wichtiger. Wer hier den größten Einfluss entfalten kann, gewinnt bei der Realisierung seiner Ziele am meisten. Die Folge ist, dass deshalb gerade die manipulativen Potentiale der Rhetorik gefragt sind, wie sich an der persuasiven Strategie vieler Politiker und Parteien, aber ebenfalls an den Werbekampagnen großer Unternehmen und Institutionen zeigen lässt. Auch heute bestätigt sich für viele Menschen daher der schon seit der Antike bestehende schlechte Ruf der Rhetorik, nicht viel mehr als eine raffinierte Kunst der Verführung zu sein. Unsere Gesellschaft wie alle Gesellschaften früher kann jedoch nicht auf den Einsatz von Rhetorik im öffentlichen und privaten Sektor verzichten, will sie ihren Bestand erhalten, und darin zeigt sich der positive Wert der Redekunst – d. h.: ihr »Gutes« – und ihres Gebrauchs. Schon Aristoteles wendet sich gegen eine einseitige Verurteilung der Rhetorik und ihrer Wirkung, wenn er eine kenntnisreiche Beherrschung dieser Kunst fordert, damit man z. B. Argumente, die jemand nicht nach Recht und Gesetz gebraucht, auch entkräften kann.6

      Doch die Aufdeckung von Fehlschlüssen und Täuschungen in der Argumentation ist zwar eine wichtige Aufgabe der Kritik rhetorischer Texte, begründet aber noch keine rhetorische Ethik. Denn Ethik beschäftigt sich mit der Theorie moralischen Handelns und rhetorische Ethik entsprechend mit den moralischen Grundsätzen persuasiven Handelns. Die Frage ist allerdings, wie man eine rhetorische Ethik ansetzen soll. Von der rhetorischen Technik, die als Instrumentarium der Persuasion fungiert und deshalb moralisch neutral ist, führt kein Weg zu einer Ethik der Rhetorik. Aber der Redner7 als Akteursrolle wirkungsbezogener Kommunikation, ein Konzept, das seit der Entstehung der Rhetorik im 5. Jahrhundert

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