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Ermordet in Kabul. Heidemarie Führer
Читать онлайн.Название Ermordet in Kabul
Год выпуска 0
isbn 9783775174916
Автор произведения Heidemarie Führer
Жанр Религия: прочее
Издательство Bookwire
Simone erzählte kurz, wie sie Gottes Führung bisher erlebt hatte, und dankte für das Vorrecht, eine betende Gemeinde hinter sich zu wissen. Nach dem feierlichen Gottesdienst hieß es Abschied nehmen von lieben Menschen, die vertraute Umgebung und die Heimat am Fuße der Schwäbischen Alb zu verlassen. Sie erlebte wieder eine Ent-Bindung, diesmal aus einer Welt der Ordnung und Struktur, wo Kontakte und Beziehungen leicht zu knüpfen sind.
Nochmals gute Wünsche: »Gott segne Dich!« »Ich bete für Dich!« »Bleib behütet und bewahrt!« »Lass von Dir hören!« Hände schütteln, letzte Umarmungen – die Trennung fiel schwer. Doch Simone musste noch manche Dinge erledigen, musste packen, höchstens 23 kg Gepäck, mehr war nicht erlaubt. Und dann ging die Reise los, erste Station: die Niederlande.
3. EINE GROSSE HERAUSFORDERUNG
Jesus rief seine Jünger
und die Menschenmenge zu sich und sagte:
»Wer mein Jünger sein will,
darf nicht mehr sich selbst in den Mittelpunkt stellen,
sondern muss sein Kreuz auf sich nehmen
und mir nachfolgen.
Denn wer sich an sein Leben klammert,
der wird es verlieren.
Wer aber sein Leben für mich
und für Gottes rettende Botschaft aufgibt,
der wird es für immer gewinnen.«
Markus 8,34-35 (HFA)
Wer mit einem Schiff von OM auf Missionsreise geht, begibt sich nicht auf eine fidele Kreuzfahrt, sondern muss sich auf eine starke physische, psychische und geistliche Herausforderung einstellen. Darauf werden alle Teilnehmer – so gut es geht – vorbereitet. Dies geschieht durch gute Vorträge über Gemeinschaft, Einsatzfreude und Gebet und durch das Studium von Bibeltexten wie Markus 8,34-35. Allerdings braucht es ein ganzes Leben, solche Texte wirklich im Innersten zu begreifen.
Simones Missionseinsatz begann am 1. September 1996 mit einer zweiwöchigen intensiven Schulung in Zwolle am IJsselmeer auf einer GO Conference. »GO« steht für »Global-Orientation«. Es kann aber auch in einem übertragenen Sinn gedeutet werden: Geh!
2018 erlebte ich eine GO Conference mit. Ich setzte mich unter die jungen Leute, die ausgesandt werden sollten, nahm mit ihnen die Mahlzeiten auf den rötlich-braunen Bänken der Biertischgarnituren ein, hörte ihnen zu, radebrechte mit ihnen auf Englisch, so gut es ging. Der Personalchef, der selbst in dieser Eigenschaft manchen Schiffseinsatz mitgemacht hatte, sagte mir, dass in der Regel nur junge Leute den Härten und Herausforderungen eines solchen Einsatzes gewachsen seien. Ich begegnete einigen Teilnehmern, die mit Simone auf der Doulos zusammen gewesen waren. Bei allem stellte ich mir Simone vor, mittendrin unter so einer großen Gruppe junger Leute, die sich für ihren Einsatz vorbereiteten, wie sie neugierig und interessiert zuhörte und sich an allen Begegnungen erfreute.
In Zwolle traf Simone zum ersten Mal die Ansprechpartner für ihr Einsatzgebiet und alle anderen sechsundsechzig Neu-Einsteiger, die mit ihr den Flug nach Hongkong antreten würden. Dort sollten dann noch andere aus dem asiatischen Raum hinzukommen. Auf der GO Conference konnte sich jeder nochmals ganz klar darüber werden, was es bedeutet, sich von Jesus in Dienst nehmen zu lassen: Bin ich dazu bereit, tagein, tagaus Gemüse zu putzen, in der Wäscherei oder in der Reinigung zu arbeiten, unter Deck im Maschinenraum zu verschwinden, während sich an Deck das pralle Leben mit Besuchern und Empfängen abspielt? Bin ich dazu bereit, mich auf dem Schiff und an Land dorthin senden zu lassen, wo ich gebraucht werde? – Engagierte Gespräche darüber, leidenschaftliche Gebetsgemeinschaften und gegenseitige Ermutigung ließen die Gruppe zusammenwachsen.
Schon auf dem Schiff würden sie mit Menschen aus ganz verschiedenen Nationen und ihren kulturellen Prägungen auf engstem Raum aufeinandertreffen. Deshalb wurden die angehenden Missionare auf die kulturellen Unterschiede und die anderen Lebensstile vorbereitet, mit denen sie bald konfrontiert werden würden. Scheinbar alltägliche Situationen konnten zu Konflikten führen, wie zum Beispiel: Wie nehme ich meinen Nachbarn wahr, den ich lieben soll wie mich selbst (Markus 12,31), der aber mit seinen Schweißfüßen die ganze Kabine verpestet? Wie reagiere ich auf seine Nationalität, sein Äußeres, seinen Charakter? Wie verträgt sich deutsche Gründlichkeit mit brasilianischer Großzügigkeit? Wie verhalte ich mich, wenn andere mich kritisieren oder falsch einschätzen?
Der Unterricht zielte auch darauf ab, sich und seine Meinung nicht zum Maß aller Dinge zu machen. Zusammengefasst lautete die Frage: Ähnelt deine Weltanschauung der von Jesus oder wird sie eher von der Kultur bestimmt, aus der du kommst? Was prägt deine Sichtweise und dein Handeln? Den angehenden Missionaren gegenüber wurde nichts idealisiert. Jesus nachzufolgen, war mit persönlicher Hingabe und entschlossenem Einsatz und manchem Opfer verbunden.
Die Trainingsrunden wurden nicht »Unterricht«, sondern »Discovery-Stunden« (Entdeckerstunden) genannt. Darin konnte jeder ständig etwas Neues über sich selbst, über die anderen, über Gott entdecken. Bei aller jugendlichen Begeisterung lag doch ein großer Ernst über der Gruppe. Alle waren entschlossen, die große Herausforderung anzunehmen. Diese Tage des Hörens und Lernens, des Gebets und Gesprächs, die Simone mit ihren Kommilitonen erlebte, wurden abgeschlossen mit einer bewegenden Stunde der Wortverkündigung und der Sendung der Gruppe zum Dienst auf der Doulos.
Nun hieß es: Koffer packen, Bus besteigen, zum Terminal fahren und dann den etwa elfstündigen Flug von Amsterdam nach Hongkong anzutreten.
4. MEER, WIND UND NEUE UFER.
Weise mir, Herr,
deinen Weg,
dass ich wandle in deiner Wahrheit;
erhalte mein Herz
bei dem einen, dass ich deinen Namen fürchte.
Ich danke dir,
Herr, mein Gott, von ganzem Herzen
und ehre deinen Namen ewiglich.
Psalm 86,11-12
Die Maschine setzte im ersten Morgenlicht des 16. September zur Landung auf dem Kai-Tak-Flughafen in Hongkong an, bekannt als eine der gefährlichsten Landungen der Welt. Eine hohe Hügelkette ließ einen direkten Anflug auf die Landebahn nicht zu und verlangte deshalb ein kompliziertes Flugmanöver. Das Flugzeug musste ziemlich tief zwischen hohen Hügelketten rechts und links hereinschweben, davor riesige Hochhäuser schier ohne Zahl. Es war, als flöge der Riesenvogel in einem großen Canyon aus Häusern. Unter ihnen war der Viktoriahafen und die fast vier Kilometer lange Landebahn 13, die zugleich Startbahn war, gesäumt von Grünflächen. Die Kunst des Piloten bestand nun darin, an einer bestimmten Stelle und nach einem digitalen Signal eine scharfe Rechtskurve zu fliegen und dann mitten in der Stadt zu landen. Für dieses Manöver blieben ihm nur Bruchteile von Sekunden. Gelang es ihm nicht, endete der Flug im Meer. Doch bald brandete erleichterter Applaus der Passagiere auf, die Maschine war gut gelandet. Zwei Jahre später wurde der Kai Tak geschlossen und vom Flughafen Chek Lap Kok abgelöst, der auf einer künstlich aufgeschütteten Insel angelegt wurde.
Hongkong war noch britische Kronkolonie, einige Monate später, am 1. Juli 1997, wurde der Inselstaat an China zurückgegeben.
Die OMer mussten noch einige Zeit wegen eines Sicherheitstrainings an Land verbringen. 1988 hatte das Missionsschiff Logos einen dramatischen Schiffbruch im Beagle-Kanal im Süden Argentiniens erlitten.