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Freunde«, trieb sie Casagrande hinaus.

      »Aber nicht mehr zu Fuß«, stöhnte Bannister. »Ich denke, es reicht jetzt.« Sie winkten ein Taxi heran. Der Wagen hielt mit kreischenden Bremsen. Wie verabredet fuhren die drei zur Sukhumvit Road zu dem großen Fisch-Supermarkt-Restaurant mit dem Slogan: If it swims we have it, und es gab hier tatsächlich alles, was schwamm: Jede Art von Fischen, Krebsen, Hummern, tagesfrisch auf Eis gelegt; Kenner kauften mit dem Zeigefinger, dazu frisches Gemüse, Salate, Gewürze und die Getränke.

      Sie zahlten an der Kasse, schoben den Wagen in den Garten, suchten einen Platz und erklärten dann dem Kellner, wie sie die Fische zubereitet haben wollten. Der Mann brachte den Einkauf zu den Köchen, die vor allen Augen in großen Kupferkesseln die Meeresfrüchte brutzeln ließen.

      Die Freiluft-Köche waren Meister ihres Fachs und das Restaurant nicht nur pittoresk, sondern auch ein Gourmet-Treffpunkt. Bangkok-Besucher erhielten die Adresse als Geheimtip, der offensichtlich doch zirkulierte, denn das originelle Gartenrestaurant mit der Fisch-Folklore war ständig gut besetzt.

      »Zubereitung im Preis inbegriffen«, erläuterte Casagrande, der Weitgereiste, »Nur das Trinkgeld geht noch extra.«

      Odermatt war noch immer ein wenig durcheinander. »Vielen Dank für die Pat-Pong-Führung«, sagte er. »Daß es so etwas gibt — ich war schon mal auf der Hamburger Reeperbahn — auf der Ginza in Tokio und im Kopenhagener Tivoli — von Amsterdam gar nicht zu reden —, aber Bangkok schlägt wirklich alles —«

      »Gut, daß Sie Ihr Rotary-Abzeichen zu Hause gelassen haben«, spöttelte Casagrande.

      »Das ist Zufall«, behauptete der Gnom aus Zürich. »Ich hab’s beim Umziehen vergessen —« Er schenkte sich Wein nach. »Außerdem bin ich kein Knopfloch-Mensch.«

      »Zwei Ausreden sind immer schlechter als eine«, belehrte ihn der Autor. »Aber wir glauben Ihnen ja«, besänftigte er gleich wieder, »daß Sie kein Liederjan sind.«

      Überraschend schnell servierte der Kellner das Dinner, genau nach Wunsch. Bannister, der beim Einkauf noch die Nase gerümpft hatte, ging noch einmal in den Supermarkt zurück, um einen Lobster zu erstehen, den er sich dann grillen ließ. Odermatt holte zwei Flaschen des hervorragenden Chablis und lud seine Begleiter dazu ein. »In Paris bekomm’ ich ihn nicht besser.«

      Leise Thai-Musik hatte es schwer, sich gegen das Stimmengewirr durchzusetzen. Die Gäste waren frohgelaunt; teilweise herrschte Biergarten-Atmosphäre. Die menschliche Annäherung war nicht schwierig, denn die leicht im Wind schaukelnden Lampions spendeten nur schummeriges Licht.

      Odermatt saß Bannister und seinem Hausautor gegenüber, genoß den Hummer, den Abend und die Vorstellung, daß er morgen abend allein durch Pat Pong streifen würde. Er wunderte sich, daß ein solches Viertel so nahe bei einem Nobelhotel liegen konnte, aber in der Stadt der Kontraste steht alles auf engstem Raum: Buddha-Tempel und Stundenhotels, fromme Bettelmönche und brutale Heroinhändler, Armut und Verschwendung, Geld und Liebe.

      Casagrande sah, daß Odermatts Blick plötzlich starr wurde. Die Augen im teigigen Gesicht weiteten sich vor Überraschung.

      »Nicht umdrehen«, sagte der Mann aus Zürich. »Sitzen Sie gut auf Ihrem Stuhl, Casagrande? Am besten halten Sie sich auch noch am Tisch fest. So, und jetzt wenden Sie den Kopf, ganz vorsichtig nach links«, wies er ihn an. »In Richtung des gelben Lampions — übernächster Tisch.«

      Der Mann aus Monte Carlo folgte der Anweisung, mechanisch wie eine schnurgelenkte Puppe, mehr höflich als interessiert.

      »Dear me«, sagte Bannister, der der Blickrichtung gefolgt war. »Really unbelieveable.«

      »Wirklich nicht zu fassen«, stimmte ihm Casagrande zu, als er sich von seiner Verblüffung erholt hatte.

      Martin Laimer saß neben der schönen Unbekannten mit der ungarischen Mutter, dem deutschen Vater, dem US-Adoptiv-Daddy und der Jugendzeit in vielen Ländern der Erde. Im spärlichen Licht wirkten die beiden wie ein Liebespaar; sie machten auch keine großen Umstände zu verbergen, daß sie einander nahestanden.

      »Alle Achtung«, stellte der Geldmann fest. »Dieser Laimer hat uns ja ganz schön geleimt —«

      »Richtig schlitzäugig, seine Besprechung mit dem Thai-Geschäftsfreunds bemerkte Bannister und lächelte schief. »Seht euch diesen Narren des Glücks an —«

      »Der Kerl wirft glatt das Konzept meines neuen Romans um«, grollte Casagrande. »Der bringt meine ganze Dramaturgie durcheinander«, setzte er aufgebracht hinzu.

      »Vielleicht hat Mr. Laimer ausnahmsweise einmal mehr Phantasie gehabt als du«, versetzte ihm Bannister einen Seitenhieb.

      Sie drehten sich alle drei noch einmal und sahen zum gelben Lampion hin, wie um sich zu überzeugen, daß sie richtig gesehen hatten.

      Daran konnte es keinen Zweifel geben.

      4

      Die improvisierte »Hole-in-one«-Feier im Clubhaus hatte sich in die Länge gezogen, denn die Gäste waren zu Gegeneinladungen übergegangen, um die Heldin des Tages zu feiern. Endlich gelang es den beiden Golferinnen, sich nach einem kleinen Imbiß loszureißen; schließlich würden sie morgen mittag abfliegen.

      Es begann bereits zu dunkeln, als sie in Vale do Lobo wegfuhren. Die Nacht warf ihre Schatten voraus, doch ein zunehmender Mond zog am Himmel auf, bereit, die wunderbare Landschaft zu versilbern. »Dieses As war ein herrlicher Abschluß deiner Algarve-Tage«, stellte Milena fest.

      »Herrlich schon«, erwiderte Lulu lachend, »aber mit fünfzehn Flaschen Schampus auch ziemlich kostspielig.«

      Sie erreichten den Feriensitz der Deutlers. Nach dem Trubel im Clubhaus genossen die beiden nunmehr die Stille; sie war trügerisch — die Ruhe vor dem Sturm, den Lulus Enthüllungen bei ihrer Freundin auslösen müßten. Sie rauchte schweigend, suchte einen Einstieg in ein Gespräch, das sie dem Düsseldorfer Bankier Keil abnehmen sollte.

      Der Abend war kühl, aber nicht kalt. Die beiden Frauen saßen auf der Terrasse, hoch über der Steilküste, und sahen auf das Meer hinaus. Ein säuselnder Wind streichelte die Wellen des Atlantiks, sie schrubbten den Strand und gluckerten dabei vor Zufriedenheit. Die Positionslampen der Fischerboote leuchteten wie Glühwürmchen.

      »Ganz bestimmt werde ich zur Zeit der Mandelblüte wieder hier sein«, gab sich Milena selbst das Versprechen. »Diese Pracht kann man sich einfach nicht entgehen lassen.«

      Lulu Casagrande nickte, wiewohl sie ihre Zweifel hatte. Wenn ihre Freundin nicht sofort handelte, würde sich Milenas Vater — und dadurch auch sein Konzern — in einen beispiellosen Schlamassel hineinmanövrieren. Die Wienerin kannte ihn nur flüchtig; flüchtig schien ihr das richtige Wort zu sein, denn bei allen Ereignissen, die nichts mit seiner Firma zu tun hatten, wirkte der Industrielle wie auf der Flucht. Gesellschaftliche Verpflichtungen, soweit sie Martin Laimer überhaupt anerkannte, absolvierte er gewissermaßen im Laufschritt. Wohl fühlte sich der Unternehmer offensichtlich nur im Kreise seiner Entwicklungs-Ingenieure; er hatte vermutlich nur Bits und Chips im Kopf, was immer das sein mochte.

      »Hat sich dein Vater eigentlich nach dem Tod deiner Mutter sehr verändert?« fragte Lulu behutsam.

      »Überhaupt nicht«, erwiderte Milena. »Er ist ein Mann, der sich nie ändert; er ist offensichtlich schon fertig auf die Welt gekommen.« Sie sprach ohne Eifer und Zorn. »Ohnedies ist er in letzter Zeit meistens in Amerika. Wir führten von jeher alles andere als ein normales Familienleben.« Ihr Lächeln war zweckentfremdet. »Manchmal habe ich mir überlegt, ob wir überhaupt eine Familie sind.« Milena wickelte sich fröstelnd in ihre Stola. »Vielleicht bin ich auch nur undankbar. Mein Vater hat immer bestens für meine Mutter, für mich und für meine Tochter gesorgt, und letztlich auch für das berufliche Fortkommen meines Mannes. Nie hat er einen Geburtstag überfahren oder sonst ein Familienereignis. Nie blieb ein auch nur angedeuteter Wunsch unerfüllt. Wir bekamen, was wir wollten, stets in allerbester Ausführung. Aber diese Geschenke schienen irgendwie vom Fließband zu kommen. Verstehst du mich, Lulu?«

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