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Die größten Kriminalfälle Skandinaviens - Teil 2. Frederik Strand
Читать онлайн.Название Die größten Kriminalfälle Skandinaviens - Teil 2
Год выпуска 0
isbn 9788726548426
Автор произведения Frederik Strand
Жанр Языкознание
Серия Die größten Kriminalfälle Skandinaviens
Издательство Bookwire
Nach dem großen Coup wollten die Brüder ein neues Leben. Sie investierten in einen kostspieligen amerikanischen Essex-Sportwagen, von denen es in Deutschland nur wenige gab. Hinzu kamen einige teure Motorräder. Außerdem stürzten sie sich ins Berliner Nachtleben, tauchten in zahlreichen Cafés und Bars überall in der Stadt auf, nicht zuletzt in den Locations für Homosexuelle, die in der Hauptstadt der Weimarer Republik aus dem Boden geschossen waren. Beide Brüder hatten Verhältnisse mit Männern und Frauen, wie aus den Berichten der Kriminalpolizei hervorgeht. Wo sie sich zeigten, warfen sie mit Geld nur so um sich – und behaupteten, sie hätten es in Monte Carlo beim Roulette gewonnen. Außerdem kurvten sie ganz ungeniert mit homosexuellen Freunden und leichten Mädchen in ihrem Essex-Sportwagen herum, was das Blut der prüden Ermittler des Dritten Reichs zum Kochen brachte.
Das war aber noch nicht alles, was den extravaganten Lebensstil der Brüder betraf. Sie reisten kreuz und quer durch Europa und genossen überall das Nachtleben, Paris, London, Wien, sie logierten in den ersten Hotels am Platze, besuchten Luxusrestaurants und verpulverten große Summen in Nachtclubs – vermutlich zusammen mit männlichen und weiblichen Nachtschwärmern, die sich dort amüsierten. Wahrscheinlich versuchten die Brüder sich in dieser Zeit nur an einem weiteren Coup, und zwar der Deutschen Reichsbank in Berlin. Wieder spielte ein Tunnel eine zentrale Rolle, doch flogen ihre Machenschaften dieses Mal auf. In der anschließenden Gerichtsverhandlung gelang es der Staatsmacht aber nicht zu beweisen, dass es um Einbruch in die Reichbank und um Diebstahl ging. Der Anwalt der Brüder behauptete, diese hätten nur ein Loch gegraben, um darin wohnen zu können – schließlich handelte es sich um verarmte arbeitslose junge Männer!
Das Luxusleben der 'verarmten' jungen Männer verschlang allerdings jede Menge Geld, und obwohl die Brüder nach heutigen Maßstäben mehrere Millionen Kronen erbeutet hatten, war die Kasse einige Jahre später leer! Die Wirklichkeit griff nach den partyfesten Dieben – und die Wirklichkeit war rau! Verschwunden war die Toleranz der Weimarer Republik. Die Nazis waren an der Macht – und sie hatten nicht die Absicht, nachsichtig gegenüber ausgebufften Tresorknackern mit einem Hang zum grellen Nachtleben zu sein. Die Zeit war gekommen, sich neue Reviere zu erschließen, und die Wahl fiel auf Dänemark.
Fachmännische Beutezüge in Dänemark
In Dänemark machte man im März 1934 zum ersten Mal Bekanntschaft mit den Brüdern, als sie in ihrem Zimmer in einer Pension in Vesterbro festgenommen wurden. Wenige Tage zuvor war es zu einem Einbruch in P. Wullfs Cigarfabrik in Kopenhagen gekommen, bei dem die beiden Tresore mit einem Schneidbrenner aufgebrochen und 4.000 Kronen sowie einige Gold- und Silbermünzen entwendet worden waren. Die Vorgehensweise deutete darauf hin, dass man es mit professionellen Dieben zu tun hatte, und die Geheimpolizei Kopenhagen durchkämmte Hotels und Pensionen, da man meinte, dass nur ausländische Verbrecher über die notwendige Expertise verfügten. Der Verdacht fiel auf die beiden deutschen Brüder, weil sich die Inhaberin der Pension darüber wunderte, dass die beiden jungen Männer immer erst am Nachmittag aufstanden und den Kontakt zu anderen Pensionsgästen stets vermieden. Daher wandte sie sich an die Polizei.
Die Geheimpolizei nahm zunächst die Pässe der zwei Brüder unter die Lupe und stolperte dabei über ein fatales Detail. Das Einreisedatum war mit Bleistift von 2.9.1933 auf 2.12.1933 geändert worden. Diese illegale Berichtigung erregte Verdacht, die Brüder wurden verhaftet und ihr Zimmer auf den Kopf gestellt. Dabei stieß man auf einige Werkzeuge, leere Batterien für Taschenlampen, mehrere Paar Arbeitshandschuhe samt einem 7-mm-Schraubenzieher, der sich als ein wichtiges Beweisstück gegen die Brüder entpuppte. Beim Einbruch in die Zigarrenfabrik war ein solcher Schraubenzieher verwendet worden, um einige Kästen aufzuhebeln. Die polizeilichen Untersuchungen ergaben, dass dazu aller Wahrscheinlichkeit nach der gefundene Schraubenzieher benutzt worden war, was man anhand einiger besonderer Merkmale nachweisen konnte, die das Werkzeug an den Kästen hinterlassen hatte.
Die Ermittlungen
Erich Sass räumte ein, dass der Schraubenzieher ihnen gehörte, wies aber entschieden zurück, etwas mit dem Einbruch zu tun zu haben – und folgte damit der Strategie, die er und sein Bruder schon früher in Deutschland angewendet hatten. Sie seien nach Dänemark gekommen, um einen Reparaturbetrieb zu eröffnen, behaupteten die Brüder, und wollten daher die dänische Kultur und die Sprache besser kennenlernen!
Unmittelbar nach der Festnahme hatte die Geheimpolizei eine Anfrage bezüglich der Identität der Brüder an die deutschen Kollegen gerichtet. Die Rückmeldung aus Berlin besagte, es handele sich um die zwei raffiniertesten Diebe Deutschlands – und der Geheimpolizei seien zwei richtig 'dicke Fische' ins Netz gegangen. Darüber hinaus teilte die deutsche Polizei mit, dass man vier Jahre zuvor versucht habe, die Brüder in Verbindung mit einem der spektakulärsten Einbrüche der 1920er-Jahre in die Filiale der Disconto Gesellschaft in der Berliner Kleiststraße zu fassen.
Allerdings mussten die Berliner hinzufügen, dass man damals keine Beweise gegen die Brüder hatte finden können, aber als man sie später auf frischer Tat ertappte, wie sie einen Tunnel gruben, der in Richtung der Reichsbank zeigte, sei man sicher gewesen, dass die beiden auch für den früheren Einbruch verantwortlich waren. Diese Informationen verliehen den Ermittlungen der dänischen Staatsmacht neue Energie. Man nahm sich noch einmal die Bleibe der Deutschen vor und fand hinter den Wandpanelen die gestohlenen Gold- und Silbermünzen samt einer Tube Zahnpasta, in der sich mehrere Zeichnungen, Notizen und Schlüsselabdrücke befanden.
Weitere Pläne und ein Urteil
Gleichzeitig stellte man fest, dass ein Schließfach im neuen Shellhaus mit einer Feile so bearbeitet worden war, dass es mit einem gewöhnlichen Schlüssel geöffnet werden konnte. Weit alarmierender war jedoch, dass auch die Schlösser der Schließfachanlage in der neuen Sparekasse for Kjøbenhavn og Omegn mit einer Feile verändert worden waren, sodass man hier ebenfalls einfach auf die 384 Schließfächer zugreifen konnte. Die Zeichnungen aus der Zahnpastatube zeigten die Schließfachanlage, während es sich bei dem Schlüsselabdruck um einen Yaleschlüssel handelte. Die Notizen hielten fest, welche Schlüssel für die Anlage gebraucht wurden. Dabei ging es um eine Schließfachanlage, in der insbesondere Wertgegenstände aufbewahrt wurden. Man fand nur einen Schlüssel. Inwieweit er für mehrere der Schließfächer genutzt werden konnte, ist unklar.
Man konfrontierte die Brüder mit sämtlichen Beweisen, doch stritten sie rundweg ab, irgendetwas mit Einbrüchen oder Diebstählen zu tun zu haben, andere mussten dafür verantwortlich sein – sie behaupteten sogar hartnäckig, die dänische Polizei habe ihre Finger im Spiel! Das unnachgiebige Leugnen half ihnen jedoch nichts, 1934 wurden sie vom Amtsgericht Kopenhagen zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil wurde vom Landgericht nicht nur bestätigt, sondern auf vier Jahre Gefängnis und anschließende Ausweisung nach Deutschland korrigiert.
Zurück im Dritten Reich – Asoziale und Gewohnheitsverbrecher
Nach Verbüßung der Strafe wurden die Brüder 1938 ins Dritte Reich verbracht, und sie ahnten wohl schon, dass es nicht sehr angenehm für sie werden würde. Schließlich hatten die beiden unverbesserlichen Einbrecher und Diebe ihr 'Arbeitsgebiet' nach Dänemark verlegt, weil sich die Verhältnisse im Dritten Reich zuspitzten und das Regime gegen jede Form von Kriminalität unerbittlich vorging. Allerdings hatten die Brüder keinerlei Ahnung, dass sie in Deutschland zu Studienobjekten der besonderen Art werden sollten. Das Dritte Reich hatte ein besonderes Interesse an sogenannten Gewohnheitsverbrechern – man wollte wissen, ob man sie möglichweise bessern konnte oder ob sie außerhalb jeder pädagogischen Reichweite waren und deshalb 'aufgegeben' werden mussten.
Das Interesse des Dritten Reiches an Gewohnheitsverbrechern war Teil des generellen Kampfes gegen sogenannte asoziale Elemente und Gewohnheitsverbrecher, die man als Schmarotzer betrachtete, die die Gesellschaft aussaugten. Mit 'asozial' war eine breite Spanne an zweifelhaften Gewerben gemeint, es handelte sich unter anderem um Obdachlose, Stadtstreicher, Zuhälter und Prostituierte – und etwas nebulöser um Arbeitsscheue. Manchmal galten auch Homosexuelle als asozial. Ein Asozialer war jedoch nicht ganz dasselbe wie ein Gewohnheitsverbrecher – und in den Konzentrationslagern wurden sie auch auf andere Weise gekennzeichnet.