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das Auto endlich still steht und die Türen aufgehen, verfliegt zumindest die ärgste Übelkeit. Wir inspizieren unsere Unterkunft, ziehen die Skiklamotten an und leihen uns Ausrüstung. Dabei stellt sich heraus, dass sowohl Maria als auch Tyler Snowboards vorziehen; nur ich wähle die Skier. Von denen ich keine Ahnung habe – geschweige denn, wie man darauf die Balance hält.

      “So schön ist es hier!”, ruft Maria, während sie ihre Handschuhe überstreift. “Was für eine tolle Landschaft!”

      “Ich wäre jetzt lieber zu Hause im Bett”, beschwere ich mich, „und ich habe deine üblen Hintergedanken übrigens durchschaut.”

      Maria ignoriert mich. Lächelt stattdessen und trillert vor sich hin.

      “Und guck mal, wer da kommt”, sagt sie dann und zeigt auf Tyler, der die Piste hinabgeschossen kommt wie eine Rakete.

      Direkt vor uns bleibt er stehen. Der Schnee fliegt uns um die Ohren.

      “Hallo”, sagt Maria.

      “Hi Mädels”, sagt Tyler und lächelt breit. “Seid ihr bereit?”

      “Ich bin superbereit”, erwidert Maria.

      “Cool”, sagt Tyler. “Und du?”

      Seine blitzend weißen Zähne reflektieren das Sonnenlicht, während er auf meine Antwort wartet.

      “Naja...”, seufze ich, „wo ich schonmal hier bin...”

      “Okay”, sagt er mit einem Lächeln in der Stimme, das wohl andeuten soll, dass er damit rechnet, meine Meinung in überschaubarer Zeit ändern zu können.

      Wir gehen zum Lift. Tyler hilft mir hoch und fast hätte ich ihm meine Meinung gesagt. Aber ich beherrsche mich.

      Auf dem Weg nach oben hört Tyler nicht auf zu reden. Ich kann mich gar nicht auf die Aussicht konzentrieren, die tatsächlich wirklich schön ist. Das sehe ich sogar durch meine aufgebende Brille. Und es hilft erstaunlicherweise gegen die Übelkeit.

      “Die Piste sieht viel steiler aus als sie eigentlich ist”, erklärt er. “Aber wenn ihr erstmal da unten im Schnee steht und es los geht, dann... das Ganze ist ganz einfach. Auch die Kurven. Ihr dürft nur keine Angst haben.”

      “Jaja”, grunze ich ihn an, „du wirst ja dafür bezahlt, uns den Quatsch zu erzählen.”

      “Aber Recht hab ich trotzdem”, lacht er.

      Wir springen vom Lift und los geht’s. Maria ist nicht sonderlich gut, stellt sich aber auch nicht dumm an. Sie gleitet auf ihrem Snowboard umher, ohne wilde Manöver zu wagen oder sonderlich Hilfe zu benötigen. Ich dagegen gestikuliere wild mit den Stöcken und fühle mich wie Bambi auf dem Eis. Nur ohne die Dankbarkeit gegenüber Klopfer.

      “So, dann wenden wir mal”, sagt Tyler. “Schau, das läuft doch gar nicht schlecht.”

      Ich falle wieder und immer wieder auf den Hintern. Aber Tyler, mit einer Engelsgeduld, lobt mich trotzdem jedes Mal. Als sei ich drei Jahre alt.

      Ich schreie frustriert auf.

      “Wir sind alle schonmal hingefallen”, versucht Maria mich zu besänftigen. “Nimm es nicht so schwer.”

      Tyler ist stoisch galant, beugt sich zu mir herunter und hilft mir mit seinen starken Armen wieder auf. Nach jedem Sturz. Seine Geduld verbessert meine Laune ein wenig. Und auch die Bergluft scheint zu helfen. Besonders, wenn sie sich mit Tylers Parfum vermischt, das tatsächlich recht gut duftet.

      Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich lachen muss. Vielleicht ist es ja doch gar nicht so blöd, ein Ski-Trampel zu sein...

      Aber mit einem Mal wird mir wieder alles zu viel. Ich hab nicht ohne Grund so lange dem Sonnenlicht den Rücken gekehrt und bei zugezogenen Gardinen im Bett gelegen. Es geht mir mies. Ich vermisse Jonas, auch wenn ich mich dafür ohrfeigen könnte. Ich will einfach nur meine Ruhe. Die Skier rutschen unter meinen Beinen weg und ich plumpse auf meinen Hintern. Befreie mich umständlich aus den Stiefeln. Fluche und seufze.

      “Ach, jetzt hör schon auf!”, ruft Maria herüber. “Es ist doch so gut gelaufen bis jetzt!”

      “Kümmer dich um deinen eigenen Mist!”, schreie ich sie an und stürme davon.

      “Aber wir sind doch noch nicht fertig!”, ruft mir Tyler noch hinterher. “Du hast noch eine ganze Stunde?”

      Ich zeige ihm den Mittelfinger, während ich in Richtung Lift davon stapfe, Skier und Stöcke über der Schulter.

      Wieder in der Hütte angekommen, nehme ich zuerst ein langes Bad, was mich ein wenig entspannt. Es ist auch ein gutes Gefühl, endlich allein zu sein. Langsam kehrt die gute Laune zurück - ich kriege sogar Lust, für mich und Maria zu kochen.

      Maria kommt nach Hause, als ich gerade den Tisch decke.

      “Du warst ganz schön bitchy heute”, lässt sie mich wissen.

      Ein tiefes Seufzen entfährt meinem Körper.

      “Ich weiß. Entschuldige bitte... aber lass uns ein anderes Mal darüber reden, ja? Jetzt, wo wir endlich etwas machen, was mir auch Spaß macht: Wein und Käse-Fondue.”

      Bevor sie mir antworten kann, steht Tyler neben ihr. Ich sende ihr einen vielsagenden Blick. Ich hatte ihn nicht hereinkommen hören.

      “Äh, also...”, kichert sie. “Ich hab Tyler zum Abendessen eingeladen.”

      Ich antworte nicht. Starre nur auf den Porzellanteller in meiner Hand. Rubbele ihn etwas zu eifrig mit dem Handtuch ab, obwohl er schon lange trocken ist.

      Ich habe es verstanden: Maria meint, es sei an der Zeit, dass ich einen Neuen finde. Oder zumindest Jonas endgültig vergesse. Jetzt, wo er schon lange weitergezogen ist. Das sagt ja nicht nur Maria, das sagen alle. Und ich habe auch begriffen, dass, ihrer Meinung nach, nicht nur Bergluft allein mich glücklich machen soll. Aber dieses Theaterstück ist dann doch zu viel. Ich möchte meinen Zeigefinger in Tylers Brust bohren und ihm ins Gesicht sagen, was für ein Gigolo er ist. Aber ich halte mich zurück und blitze Maria wütend an.

      “Ist jetzt schlecht?”, fragt Tyler und klammert sich an seiner Sektflasche fest, die er mitgebracht hat.

      Ich antworte nicht. Etwas verwirrt reicht er mir die Flasche.

      “Ja, also ich habe was zu trinken mitgebracht, weil... also falls du Lust auf Wein hast?”

      Nervös kratzt er sich im Nacken. Fast tut er mir leid. Er scheint es ehrlich zu meinen. Maria ist diejenige, die hier Spiele spielt. Aber nicht er.

      “Also... du bist ja vorhin früher gegangen...”, sagt er verzweifelt.

      Noch immer sage ich kein Wort. Aber durch eine ungeduldige Geste mache ich ihm deutlich, dass er sich hinsetzen soll. Maria hat bereits ein zusätzliches Gedeck hingelegt, ohne dass ich es bemerkt habe.

      “Ich hatte richtig Spaß heute Nachmittag”, sagt Tyler, als wir zu dritt um den Tisch sitzen und essen. Er klingt noch immer aufrichtig.

      “Ich auch!”, stimmt Maria zu.

      “Und ich finde auch, dass ihr euch gar nicht dumm angestellt habt”, sagt er weiter, während er mit dem Sektkorken kämpft.

      “Ja, oder?”, antwortet Maria. “Und das, obwohl es erst Anyas zweites Mal ever war. Ich war richtig beeindruckt!”

      Das bin ich auch. Aber nicht von meinen Ski-Skills, sondern von Marias Durchhaltevermögen. Und Tylers unendlichem, geduldigen Mut angesichts weiblicher Streitlustigkeit. Er muss eine gute Mutter haben, denke ich. Oder viele Schwestern. Und Maria hat ihm gegenüber ihre eigene Agenda sicher schon deutlich gemacht. Sonst wäre er bestimmt schon vor langer Zeit abgehauen. Er sieht nicht aus wie einer, der sich für Eisköniginnen interessiert. Ich kann es mir genau vorstellen: ‘Anya ist eigentlich total lieb, sie hat es nur gerade etwas schwer’ oder ‘sie ist halt schüchtern und hat Angst, sich auf was Neues einzulassen, aber lass dich davon

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