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Der Gartenpavillon - Skandinavien-Krimi. Elsebeth Egholm
Читать онлайн.Название Der Gartenpavillon - Skandinavien-Krimi
Год выпуска 0
isbn 9788726569650
Автор произведения Elsebeth Egholm
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
Er hatte seinen Schwiegervater gemocht. Hatte zu ihm aufgesehen. Ihn vergöttert, wie auch Kit ihn vergötterte, wie die Welt allgemein ihn vergötterte. Und dann hatte er schließlich doch sowohl die Verbindung zu ihr wie auch zu ihm abgebrochen. Jetzt lag er da, halb bewusstlos. Dem Tod so nahe.
»Fuck ups«, sagte er leichthin und kehrte zu dem Gespräch über den Job zurück. Wenn man nicht über die eigenen Probleme sprechen konnte, konnte man sich ja immer noch über die der anderen auslassen. »Was heißt das?«
Er war dabei, hinter Carsten zurückzufallen. Der Teufel sollte den Rotwein holen, dachte er und versuchte sich selbst vorwärts zu zwingen.
Carsten reduzierte das Tempo, und sie liefen wieder nebeneinander her. »Eigentlich darf ich ja nichts sagen. Kit weiß es nicht einmal. Aber es ist schon eine ziemliche Scheiße.«
Henrik sagte nichts. Manchmal sollte man besser den Mund halten, dann bekam man das Ganze auf dem Tablett serviert. Er dachte flüchtig an Karen-Lis, die Expertin darin war. Als Journalistin hatte sie oft gesagt, dass alle Menschen eine Geschichte haben, die sie liebend gerne erzählen möchten. Man muss nur ganz Ohr sein. Nichts weiter. Dann kommt es irgendwann.
Sie liefen eine Weile schweigend. Der Schnee wirbelte auf die Stadt mit den roten Dächern und dem Schloss, in dem die Könige des Mittelalters Dänemarks Geschichte geschrieben hatten. Die Fortsetzung kam erst, als sie ihre Route gelaufen waren und bei ihren Autos Dehnübungen machten.
»Irgendwie ist das auch Scheiße für mich. Ich hätte es natürlich merken müssen«, sagte Carsten, während er die Wade streckte, indem er sie hoch gegen die Mauer stemmte. »Die Fabrik in Hongkong hat vor drei Monaten einen großen Auftrag bekommen. 30 000 Strickjacken im Doppelstrick mit Pailletten und Perlen.«
»Igitt!«
Carsten nickte. »Nichts für den dänischen Markt, natürlich. Den Informationen nach für die Staaten im mittleren Westen der USA vorgesehen.«
»Klingt glaubwürdig.«
»Genau. Das Ganze klang glaubwürdig. Der Käufer war eine neue Firma mit Sitz auf den Cayman Islands, aber mit der Chase Manhattan Bank im Rücken. Du kennst die Vorgehensweise.«
»Irrevocable Letter of Credit«, erinnerte sich Henrik, weil sie für ein unwiderrufliches Akkreditiv immer den englischen Ausdruck gebrauchten.
»Jep. Das waren die Zahlungsbedingungen. Wir konnten ja nicht mit dem Garnkauf beginnen und Löhne zahlen, ohne eine Garantie zu haben. Also bekamen wir sie. Glaubten wir.«
Henrik kannte die Prozedur. Es war in der Textilbranche überall auf der Welt das Gleiche. Der Käufer schickt einen Irrevocable Letter of Credit an die Bank des Produzenten. Dieser autorisiert die Bank, den Produzenten zu bezahlen, wenn er die vereinbarten Dokumente vorlegt, die in dem Akkreditiv festgelegt sind: Rechnung, Versicherungspapiere, Inhaltsverzeichnis und Bill of Loading oder Airway Bill, wenn der ganze Kram per Flugzeug befördert werden soll. Wenn die Ware da ist und die Bank die Dokumente zu ihrer Zufriedenheit geprüft hat, erhält der Produzent seine Bezahlung und schickt die Dokumente weiter an den Käufer. Alles, um zu garantieren, dass der Käufer nicht plötzlich aus einem Handel aussteigt, weil ein bestimmtes Hemdenmodell von einem zum anderen Tag unmodern geworden ist und der Produzent mit den Kosten und einer Ladung nicht verkaufbarer Hemden dasteht.
»Was meinst du mit ›haben wir geglaubt‹?«
Carsten richtete sich auf. Begegnete kurz seinem Blick und studierte dann eingehend das Mauerwerk, als versteckte sich irgendwo in dem alten Mörtel ein Geheimnis. Henrik sah, wie ihm der Schweiß durch die Nackenhaare und unter den Kragen des Trainingsanzugs lief.
»Sie haben uns hereingelegt.«
»Das habe ich begriffen. Aber wie?«
Der Blick begegnete seinem. Verzweifelt. »Außer den normalen Bedingungen verlangte das Akkreditiv eine Inspektion durch den lokalen Agenten des Käufers.«
»Ja und? Die Pullover dürften doch bestimmt einer Inspektion standgehalten haben.«
Carsten nickte. »Natürlich konnten sie das. Aber es zeigte sich, dass der lokale Agent und der Käufer identisch waren. Sie überprüften alles. Und teilten uns mit, dass die Pullover nicht dem Standard entsprachen, sodass sie uns kein Zertifikat ausstellen konnten.«
»Also habt ihr das Geld nicht bekommen«, schloss Henrik. »Wie viel hat Kaliki verloren?«
»Anderthalb Millionen.«
Henrik schüttelte den Kopf. »Ach, du meine Fresse. Und was jetzt?«
Carsten seufzte. »Mit dem Chef im Krankenhaus kann man das mit Sicherheit als gute Frage bezeichnen.«
10
Es tat fast zu weh. Genau wie es die Gesichter der Kinder mit ihrem stummen Betteln getan hatten. Selbst die Wände schienen sie mit fordernden hungrigen Blicken anzustarren. Als forderten alle einen Teil von ihr.
Vielleicht lag es mehr an dem Haus als an der Familie. Vielleicht daran, dass ihre Mutter natürlich ihr altes Zimmer aufgeräumt hatte, in dem alles so stand wie damals. Sodass sie plötzlich, erwachsen wie sie war, eine Zeitreise antrat, um wieder einmal im Alter von acht, zehn, zwölf und sechzehn Jahren die älteste Tochter der Familie zu sein. Egal wie weit sie zurückdachte, es war immer so gewesen. Die große Schwester Karen-Lis, die alles aushielt. Die sich hart machen und zum Wohle der Familie Geheimnisse für sich behalten konnte. Die nicht Kits künstlerische Sensibilität und Verletzlichkeit hatte, sondern die Beharrlichkeit und Ausdauer eines Terriers.
Sie packte aus. Versuchte, sich mit Hilfe des Kofferinhalts in der Gegenwart festzukrallen. Kramte die afrikanischen Buschshorts und das khakifarbene Hemd heraus, das sie in Bulawayo gekauft hatte; den Sarong in den Farben des Ndebele-Stammes, die kleine Basaltfigur des Schakalgottes Anubis aus der Zeit, als die Zeitung sie nach Ägypten geschickt hatte, um über das Massaker an den Touristen am Hatshepsut Tempel zu berichten. In dem Hotel in Luxor hatte sie eine Affäre mit einem holländischen Kollegen gehabt, der ihr die Figur geschenkt hatte. Sie versuchte ihn heraufzubeschwören, sich an das Gefühl seines Körpers zu erinnern, an seinen Duft und seinen Blick.
Aber es funktionierte nicht. Die Vergangenheit schien sie durch die Geschichte des Zimmers, in dem noch immer alte Rockplakate und politische Ikonen an ihren Heftzwecken an den Wänden hingen, unablässig anzusaugen. Pink Floyd und Black Sabbath gegenüber von Vaclav Havel und einem jungen Lech Walesa, der von seinen Kameraden auf Händen getragen wurde und mit zwei ausgestreckten Fingern das V-Zeichen machte. Rahmen hatte sie nie gemocht.
Sie legte eine flache Hand in das Fach, in dem einmal ihre Jeans gelegen hatten – mit kunstvollen Flicken und Rissen über den Oberschenkeln, wie es die Mode der Zeit vorschrieb. In dem sie damals ihre erste Pillenpackung unter all den Sachen versteckt hatte; aus Angst vor der Entdeckung von etwas so Privatem. Und aus noch mehr Angst vor dem Tag, an dem sie in der Praxis ausprobiert werden sollten.
Mit diesem in ihren Schlaf verwobenen Tag war sie aufgewacht. Merkwürdig, dass sie nicht von ihrem Vater geträumt hatte, dachte sie. Nicht von Kit oder ihrer Mutter. Sondern von ihrer ersten Liebe. Von Jesper, mit dem krausen Haar und den tunesischen Perlen, die er an einem Lederriemen um das Handgelenk trug. Jesper, den sie eines Abends, als ihre Eltern nicht zu Hause waren, in ihr Zimmer mit den Wänden mit der Blumentapete eingeladen hatte, nachdem sie Kit zum Schweigen verpflichtet hatte. Jesper, der schon eine Freundin gehabt hatte.
Es war das Haus, stellte sie wieder fest, während sie systematisch den Koffer leerte und ihre Sachen aufhing. Es schien all das in ihr hervorzurufen, was sie einmal gewesen war und