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Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten. Gustav Weil
Читать онлайн.Название Die phantastische Welt der Literatur: 90+ Romane, Märchen & Zauberhafte Geschichten
Год выпуска 0
isbn 9788027226276
Автор произведения Gustav Weil
Жанр Языкознание
Издательство Bookwire
„Sieht er, Herr Wirth,“ sprach der Jäger, „nun habe ich Brot, Fleisch, Zugemüs und Zuckerwerk, aber ich will auch Wein trinken, wie ihn der König trinkt.“ Er rief seinen Löwen herbei und sprach „lieber Löwe, du trinkst dir doch gerne einen Rausch, geh und hol mir Wein, wie ihn der König trinkt.“ Da schritt der Löwe über die Straße, und die Leute liefen vor ihm, und als er an die Wache kam, wollte sie den Weg sperren, aber er brüllte nur einmal, so sprang alles fort. Nun gieng der Löwe vor das königliche Zimmer und klopfte mit seinem Schweif an die Thüre. Da kam die Königstochter heraus, und wäre fast über den Löwen erschrocken, aber sie erkannte ihn an dem goldenen Schloß von ihrem Halsbande, und hieß ihn mit in ihre Kammer gehen und sprach „lieber Löwe, was willst du?“ Antwortete er „mein Herr, der den Drachen getödtet hat, ist hier, ich soll bitten um Wein, wie ihn der König trinkt.“ Da ließ sie den Mundschenk kommen, der sollte dem Löwen Wein geben, wie ihn der König tränke. Sprach der Löwe „ich will mitgehen und sehen daß ich den rechten kriege.“ Da gieng er mit dem Mundschenk hinab, und als sie unten hin kamen, wollte ihm dieser von dem gewöhnlichen Wein zapfen, wie ihn des Königs Diener tranken, aber der Löwe sprach „halt! ich will den Wein erst versuchen,“ zapfte sich ein halbes Maaß und schluckte es auf einmal hinab. „Nein,“ sagte er, „das ist nicht der rechte.“ Der Mundschenk sah ihn schief an, gieng aber und wollte ihm aus einem andern Faß geben, das für des Königs Marschall war. Sprach der Löwe „halt! erst will ich den Wein versuchen,“ zapfte sich ein halbes Maaß und trank es, „der ist besser, aber noch nicht der rechte.“ Da ward der Mundschenk bös und sprach „was so ein dummes Vieh vom Wein verstehen will!“ Aber der Löwe gab ihm einen Schlag hinter die Ohren, daß er unsanft zur Erde fiel, und als er sich wieder aufgemacht hatte, führte er den Löwen ganz stillschweigens in einen kleinen besonderen Keller, wo des Königs Wein lag, von dem sonst kein Mensch zu trinken bekam. Der Löwe zapfte sich erst ein halbes Maaß und versuchte den Wein, dann sprach er „das kann von dem rechten sein,“ und hieß den Mundschenk sechs Flaschen füllen. Nun stiegen sie herauf, wie der Löwe aber aus dem Keller ins Freie kam, schwankte er hin und her und war ein wenig trunken, und der Mundschenk mußte ihm den Wein bis vor die Thüre tragen, da nahm der Löwe den Henkelkorb in das Maul und brachte ihn seinem Herrn. Sprach der Jäger „sieht er, Herr Wirth, da hab ich Brot, Fleisch, Zugemüs, Zuckerwerk und Wein, wie es der König hat, nun will ich mit meinen Thieren Mahlzeit halten,“ und setzte sich hin, aß und trank, und gab dem Hasen, dem Fuchs, dem Wolf, dem Bär und dem Löwen auch davon zu essen und zu trinken, und war guter Dinge, denn er sah daß ihn die Königstochter noch lieb hatte. Und als er Mahlzeit gehalten hatte, sprach er „Herr Wirth, nun hab ich gegessen und getrunken, wie der König ißt und trinkt, jetzt will ich an des Königs Hof gehen und die Königstochter heirathen.“ Fragte der Wirth „wie soll das zugehen, da sie schon einen Bräutigam hat, und heute die Vermählung gefeiert wird?“ Da zog der Jäger das Taschentuch heraus, das ihm die Königstochter auf dem Drachenberg gegeben hatte, und worin die sieben Zungen des Unthiers eingewickelt waren, und sprach „dazu soll mir helfen was ich da in der Hand halte.“ Da sah der Wirth das Tuch an, und sprach, „wenn ich alles glaube, so glaube ich das nicht, und will wohl Haus und Hof dran setzen.“ Der Jäger aber nahm einen Beutel mit tausend Goldstücken, stellte ihn auf den Tisch und sagte „das setze ich dagegen.“
Nun sprach der König an der königlichen Tafel zu seiner Tochter „was haben die wilden Thiere alle gewollt, die zu dir gekommen und in mein Schloß ein-und ausgegangen sind?“ Da antwortete sie „ich darfs nicht sagen, aber schickt hin und laßt den Herrn dieser Thiere holen, so werdet ihr wohl thun.“ Der König schickte einen Diener ins Wirthshaus und ließ den fremden Mann einladen, und der Diener kam gerade wie der Jäger mit dem Wirth gewettet hatte. Da sprach er „sieht er, Herr Wirth, da schickt der König einen Diener, und läßt mich einladen, aber ich gehe so noch nicht.“ Und zu dem Diener sagte er „ich lasse den Herrn König bitten daß er mir königliche Kleider schickt, einen Wagen mit sechs Pferden und Diener, die mir aufwarten.“ Als der König die Antwort hörte, sprach er zu seiner Tochter „was soll ich thun?“ Sagte sie „laßt ihn holen wie ers verlangt, so werdet ihr wohl thun.“ Da schickte der König königliche Kleider, einen Wagen mit sechs Pferden und Diener, die ihm aufwarten sollten.