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      Um die Wahrheit zu sagen, so hatte Schagerström schon oft die Schwierigkeiten, ohne Hausfrau auszukommen, empfunden; aber er liebte die Verstorbene noch immer, und schon der Gedanke, ihren Platz von einer anderen ausgefüllt zu sehen, flößte ihm Widerwillen ein.

      Bisher hatte er sich immer eine Ehe nur mit einer Frau denken können, die genauso wäre wie seine Verstorbene. Aber nachdem er die Geschichte von Charlotte Löwensköld erfahren hatte, schlugen seine Gedanken eine andere Richtung ein. Wenn er zum Beispiel eine Verstandesheirat einginge, wenn er sich mit einer einfachen Person verbände, die weder den Platz der Verstorbenen in seinem Herzen noch die hohe soziale Stellung, die er kraft seines Reichtums und seiner Familienverbindungen einnahm, beanspruchen würde – auf diese Weise wäre ihm eine neue Ehe als etwas Annehmbares erschienen. Damit würde der Heimgegangenen kein Abbruch geschehen.

      Am folgenden Sonntag fuhr Schagerström zur Kirche und besah sich das junge Mädchen, das neben der Frau Propst in dem Kirchenstuhl saß. Sie war einfach und anspruchslos gekleidet und sah nicht viel gleich. Aber das machte nichts. Ganz im Gegenteil. Wäre sie eine blendende Schönheit gewesen, wäre es ihm nicht in den Sinn gekommen, sie zu heiraten. Die Tote sollte nicht glauben dürfen, die Neue solle sie auf irgendeine Weise ersetzen können.

      Während Schagerström nun in der Kirche saß und Charlotte Löwensköld betrachtete, malte er sich aus, wie sie sich wohl benehmen würde, falls er wirklich an der Propstei vorfahren und sie fragen würde, ob sie Herrin auf Groß-Sjötorp werden wolle. Sie hätte es sich ja niemals träumen lassen können, dass er um sie anhalten würde; aber gerade deshalb hätte er gern ihr Gesicht gesehen, wenn die Sache Ernst würde.

      Auf der Heimfahrt malte er sich die Erscheinung Charlotte Löwenskölds in kostbare, schöne Gewänder gekleidet aus. Da wurde ihm plötzlich eines klar: In den Gedanken an eine zweite Ehe hatte sich etwas Verlockendes eingeschlichen. Es hatte etwas ungemein Romantisches, das ihn in keiner Weise unangenehm berührte; nämlich ein armes Mädchen, das ja an so etwas gar nicht denken konnte, mit Glück zu überschütten. Sobald sich aber Schagerström darüber klar war, machte er seine Gedanken von dieser Sache los und wies sie von sich wie eine Versuchung. Er hatte immer in der Vorstellung weitergelebt, seine Gattin sei nur für kurze Zeit von ihm gegangen, und er wollte ihr bis zu ihrer Wiederkehr treu bleiben.

      In der Nacht sah Schagerström seine verstorbene Frau im Traum, und beim Erwachen war sein Herz ganz von der alten Liebe erfüllt. Die Erwägungen auf dem Heimweg von der Kirche erschienen ihm nun ganz und gar hinfällig. Seine Liebe lebte, und es war keine Gefahr, dass das einfache junge Mädchen, das er zu seinem Weibe zu machen geplant hatte, das Bild der Verstorbenen aus seinem Herzen verdrängen könnte. Er brauchte einen tüchtigen und klugen Kameraden zu seiner Gesellschaft und seinem Wohlbefinden. Bisher hatte er noch keine passende Haushälterin mieten können und auch in der Familie niemand gefunden, der sein Hauswesen geleitet hätte. So sah er keinen anderen Ausweg als eine Heirat.

      Er fuhr also noch am gleichen Tag in großer Gala an der Propstei vor. Da er in all den Jahren ganz zurückgezogen gelebt hatte, war auch sein Besuch in der Propstei unterblieben, und es brachte keine geringe Aufregung hervor, als der große Landauer mit dem schwarzen Gespann vorfuhr. Man führte Schagerström in die gute Stube, und da saß er nun und plauderte mit dem Propst und dessen Frau.

      Charlotte Löwensköld hatte sich auf ihr Zimmer geschlichen; aber nach einer Weile erschien die Pröpstin bei ihr und bat sie, herunterzukommen, um ihnen Gesellschaft zu leisten. Herr Schagerström sei ja gekommen, und es sei langweilig für ihn, nur mit zwei so alten Leuten zu plaudern.

      Die Frau Propst erschien etwas erhitzt und doch auch feierlich zugleich. Charlotte sah sie groß an, fragte aber nichts. Sie band ihre Schürze ab, wusch sich die Hände, strich ihr Haar glatt und legte einen reinen Kragen um. Dann folgte sie der Frau Propst; aber wie sie gerade im Begriff war, das Zimmer zu verlassen, wandte sie sich um und band sich die große Schürze wieder vor.

      Kaum war sie in den Salon getreten und hatte Schagerström begrüßt, als sie auch schon gebeten wurde, sich zu setzen, worauf der Propst eine kleine Ansprache an sie richtete. Er machte viele Worte und sprach lange über die Freude und das Wohlbehagen, das sie in der Propstei um sich verbreitet habe. Sie sei ihm und seiner Frau eine liebe Tochter gewesen, und sie würden sich nur ungern von ihr trennen. Aber da nun ein solcher Mann wie der Herr Grubenbesitzer Gustav Schagerström sie zu seiner Frau begehre, dürften sie nicht an sich selber denken, sondern müssten ihr raten, ein solches Anerbieten, das besser sei als alles, was sie erwarten könne, nicht von sich zu weisen.

      Der Propst erwähnte mit keinem Wort, dass sie schon mit dem Vikar verlobt war. Sowohl er als seine Frau waren schon lange gegen diese Verbindung und wünschten nichts sehnlicher, als sie aufgehoben zu sehen. Ein armes Mädchen wie Charlotte Löwensköld konnte sich doch nicht an einen Mann hängen, der es einfach ablehnte, sich einen anständigen Lebensunterhalt zu verschaffen.

      Charlotte hatte zugehört, ohne sich zu rühren, und da der Propst ihr die Zeit zu einer passenden Antwort lassen wollte, begann er eine stattliche Rede an den Herrn Hüttenbesitzer Schagerström über seine prächtigen Güter, seine Tüchtigkeit, seinen ehrbaren Lebenswandel und sein Wohlwollen gegen seine Untergebenen.

      Der Propst hatte schon so viel Gutes über Schagerström gehört, dass er ihn, obwohl er jetzt seinen ersten Besuch in der Propstei machte, bereits als Freund betrachtete und glücklich war, das Geschick seiner jungen Verwandten in dessen Hände zu legen.

      Schagerström beobachtete die ganze Zeit über Charlotte Löwensköld, um zu sehen, welchen Eindruck seine Werbung auf sie machte. Er sah, wie ihr Rücken sich steifte und sie den Kopf zurückwarf. Dabei stieg Farbe in ihre Wangen, ihre Augen verdunkelten sich zu einem tiefen Blau. Dann zog sich ihre Oberlippe zu einem spöttischen Lächeln empor.

      Schagerström war bestürzt; so, wie er Charlotte Löwensköld jetzt sah, war sie eine Schönheit, und zwar eine Schönheit, die weder bescheiden noch anspruchslos genannt werden konnte.

      Seine Werbung hatte augenblicklich einen tiefen Eindruck auf sie gemacht; ob sie aber glücklich oder missverstanden war, das wagte er nicht festzustellen.

      Er brauchte indes nicht lange im Zweifel zu sein. Sobald der Propst mit seiner Rede fertig war, ergriff Charlotte das Wort.

      »Ich möchte wissen, ob der Herr Hüttenbesitzer Schagerström gewusst haben, dass ich verlobt bin«, sagte sie.

      »Gewiss, selbstverständlich«, entgegnete Schagerström; doch ehe er noch etwas hinzusetzen konnte, fuhr Charlotte fort: »Wie können sich dann der Herr Hüttenbesitzer unterstehen, um mich anzuhalten?«

      Geradeso sagte sie. Sie gebrauchte Worte wie »unterstehen«, obwohl sie zum reichsten Mann in Korskyrka sprach. Sie hatte ganz vergessen, dass sie nur eine arme Gesellschafterin war, und fühlte sich als das altadlige stolze Fräulein Löwensköld. Der Propst und seine Frau fielen vor Entsetzen fast von ihren Stühlen, und auch Schagerström sah ganz verdutzt aus.

      Aber er war ein Mann von Welt und wusste sich in heiklen Lagen zu finden.

      Er trat auf Charlotte Löwensköld zu, nahm eine ihrer Hände zwischen die seinigen und drückte sie warm.

      »Mein liebes Fräulein Löwensköld«, sagte er, »Ihre Antwort vermehrt nur die Verehrung, die ich für Sie empfinde.«

      Dann verbeugte er sich vor dem Propst und seiner Frau und verhinderte durch seine Gebärde, etwas zu äußern und ihn an seinen Wagen zu begleiten. Sowohl sie wie Charlotte wunderten sich über die Würde, die über dem abgewiesenen Freier lag, während er das Gemach verließ.

      Wünsche

      Es ist wirklich ganz zwecklos, wenn ein Menschenkind sich hinsetzt und sich etwas wünscht.

      Wenn es nicht das Mindeste dazutut, um dem Menschen, nach dem es sich sehnt, näherzukommen – dann hat es doch wirklich gar keinen Zweck, nur still zu sitzen und zu wünschen.

      Wenn ein Menschenkind weiß, dass es unbedeutend und hässlich und arm ist, und begreift, dass der, den

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