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Der Schreiberling. Patrick J. Grieser
Читать онлайн.Название Der Schreiberling
Год выпуска 0
isbn 9783947816040
Автор произведения Patrick J. Grieser
Жанр Языкознание
Серия Der Primus
Издательство Bookwire
Das Unwetter fegte mit gnadenloser Härte über die Three-Pearls-Ranch hinweg. Es blitzte und donnerte in einem fort. Der Hof hatte sich in einen schlammigen Pfuhl verwandelt. Doch von alledem bekam Desmond Picketts nichts mit, denn er schlief tief und fest in seinen zerwühlten Bettlaken. Aus einer Laune heraus hatte er sich mittags zwei Flaschen Wein aus dem Keller geholt und diese binnen weniger Stunden ausgetrunken. Er hatte mit Willard auf der überdachten Veranda gesessen (wobei sein bester Mann nur dem Whiskey zugesprochen hatte – der Kerl hatte einfach keinen Geschmack für Wein), ehe sie von dem Sturm überrascht wurden. Der viele Wein hatte ihm die Sinne benebelt und er war früh schlafen gegangen. Der Alkoholrausch ließ ihn schnell einschlafen. Und mit dem Schlaf kam der Traum wieder. Es war einer jener Träume, die so klar und deutlich waren, dass sie fast real schienen. Viele Träume waren nur verschwommen, ihnen fehlte ein gewisses Maß an Detailgenauigkeit und Lebhaftigkeit. Doch dieser Traum war anders. Er fühlte sich immer so erschreckend real an. Benommen wachte Desmond auf und brauchte einige Augenblicke, um ins Hier und Jetzt, die Gegenwart, zurückzufinden. In letzter Zeit wurde er öfter von diesem Traum heimgesucht. Zunächst hatte er geglaubt, dass es mit seinem Alkoholkonsum zusammenhängen würde, doch der Traum war auch da, wenn er keinen Tropfen anrührte.
In der Traumwelt war Desmond wieder ein dreizehnjähriger Junge, der die Schule in Cheops besuchte. Nur am Wochenende durfte er zurück auf die Ranch seiner Eltern. Und da war dieses Mädchen: Anne Coleman. Er hatte sich in dieses zierliche Wesen verliebt. Doch damals wusste er noch nicht, dass es Liebe war, denn so etwas wie Liebe war eine komplett neue Erfahrung für ihn. Desmond fühlte sich zu ihr hingezogen. Sie war fast sechzehn Jahre alt; unter ihrer Bluse zeichneten sich die Brüste einer werdenden Frau ab. Und obwohl er jünger und viel unerfahrener als dieses Mädchen war, schien sich Anne für ihn zu interessieren. Zusammen liefen sie die Flaniermeile von Cheops ab. Er spürte, wie das Mädchen seine Nähe suchte und sein Herz begann, Luftsprünge zu machen. Immer wieder schien sie wie zufällig seine Hand zu berühren.
»… und du musst mich auf jeden Fall einmal auf unserer Ranch besuchen!«, erzählte Desmond, während sie bei dem örtlichen Barbier vorbeiliefen.
»Habt ihr eine große Ranch?«, erkundigte sich das Mädchen und schaute ihn aus ihren grünen Augen an.
»Ja, wir haben drei Häuser gebaut! Drei! Mein Vater sagt, dass wir die größte Ranch im ganzen County haben!«, bemerkte Desmond stolz.
»Ist das wirklich so?«, erklang es plötzlich hinter den beiden.
Als Desmond die Stimme hörte, rutschte sein Herz in die Hose. Ganz langsam drehte er sich um … und blickte in die grinsenden Visagen der Jungen. Es waren Ron Jenkins und seine Bande. Sie waren allesamt schon sechzehn und Desmond Pickett körperlich überlegen. Diese verfluchte Bande! Jenkins war mit den Siedlern aus Wake County gekommen. Sein Vater wollte hier in der Stadt ein neues Leben aufbauen. Verfluchte Siedler!
Jenkins machte einen Schritt auf Anne und Desmond zu. »Was willst du mit so einem Hosenscheißer?«, wollte er von Anne wissen. Noch bevor ihm Anne antworten konnte, trat der Siedlerjunge vor Desmond und begann, ihn unsanft zu stoßen. Beim ersten Mal stolperte Desmond nur. Beim zweiten Mal landete er im Staub.
»Lass ihn bitte in Ruhe!«, sagte Anne, doch Jenkins ignorierte sie.
»Was hast du hier überhaupt zu suchen, du Ratte?«, wollte er von Pickett wissen. »Ihr Scheißbullenficker habt in der Stadt nichts verloren!«
Desmond stieg die Schamesröte ins Gesicht. Dass er vor Anne so blamiert wurde, war das Schlimmste, was ihm je passiert war. Er versuchte etwas zu stammeln, doch Jenkins trat ihm hart mit dem Stiefel in die Seite, sodass Desmond keine Luft mehr bekam. Die ganze Welt drehte sich plötzlich um ihn herum.
»Hört auf!«, flehte Anne irgendwo hinter ihm.
»Du magst ihn?«, wandte Ron Jenkins das Wort an Anne. »Ist das dein Ernst? Skull-Boy?«
»Er ist okay. Und so etwas hat er nicht verdient!«
»Mmh, wir beide könnten doch einmal miteinander ausreiten? Mmh?«, fragte Jenkins.
»Ich mag keine Schläger!«, lehnte Anne das Angebot ab.
»Oh, eine Frau, die sich nicht so leicht erobern lässt! Das gefällt mir!«, lachte Jenkins laut auf.
Mühsam erhob sich Desmond vom Boden. Hemd und Hose waren durch den Staub vollkommen verdreckt. Er gab ein ziemlich armseliges Bild ab.
»Wenn ich dir zeige, dass ich ein echter Gentleman bin und ein Herz in meiner Brust schlägt, würdest du dann mit mir ausgehen?«, bohrte Jenkins nach und nahm seinen Hut ab. Er machte eine theatralische Verbeugung vor Anne. Voller Zorn sah Desmond, dass Anne für einen kurzen Augenblick lächelte. Ja, dieser Jenkins schien ihr zu gefallen. Er war muskulös und sportlich, hatte kräftiges rötliches Haar und scharfkantige Gesichtszüge. Im Gegensatz dazu war Desmond nur eine ausgemergelte, schlaksige Gestalt, die noch nicht einmal die Schwelle zum Mannsein überschritten hatte. Und er beneidete Ron Jenkins um dessen Haarpracht.
Als er zu Anne gehen wollte, stellten sich die anderen Siedlerjungen aus Wake County vor ihn. Ich hasse diese verdammten Bastarde!, dachte er voller Wut. Er hatte einen solchen Hass in sich, dass er mit den Zähnen knirschte. Währenddessen verwickelte Ron Jenkins das Mädchen geschickt in ein Gespräch und entfernte sich langsam mit ihr.
»Du rührst dich kein Inch, verstanden? Sonst spalten wir deinen hässlichen Schädel mit einem Beil«, drohte einer der Jungen aus Wake County mit erhobener Faust. Desmond Pickett blieb nichts anderes übrig als zu nicken, da er den Jungen körperlich unterlegen war.
Die Gruppe entfernte sich und ließ Desmond Pickett vor dem Laden des Barbiers allein zurück. Tief in ihm wüteten zwei so starke Gefühlswelten, dass er glaubte, sie würden ihm den Verstand rauben. Auf der einen Seite war da ein überwältigendes Schamgefühl. Er schämte sich, dass er den Siedlerjungen nicht die Stirn geboten hatte und dass er so schwächlich war. Diese Scham! Sie hatten ihn vor den Augen von Anne erniedrigt. Das war so peinlich gewesen. Er war kein richtiger Mann! Und jetzt folgte diese blöde Kuh Ron Jenkins wie eine läufige Katze! Und damit explodierte die zweite Emotion in seinem Inneren: blanker Hass und ohnmächtige Wut. Diese Wut ließ ihn die Zähne fest zusammenbeißen. Er ballte seine Hände zu Fäusten und schwor Rache. Er verharrte so lange in dieser Haltung, bis die Siedlerjungen mit Anne nur noch ein grauer Schemen am Ende der Straße waren.
Wütend und enttäuscht blickte er sich um, weil er Angst hatte, dass jemand gesehen haben könnte, wie er von den Jungen bedroht wurde. Als er den Mann auf der Bank erblickte, erschrak er zutiefst. Der Mann trug einen schwarzen Anzug, hatte lässig die Beine übereinandergeschlagen, sodass man seinen fein glänzenden Schnürschuh (auf dem sich merkwürdigerweise kein Straßenstaub befand) mit dem Budapestermuster sehen konnte. Was Desmond aber so beunruhigte, war die Gesichtsfarbe des Mannes, die feuerrot war. Nicht einmal die Rothäute hatten einen solchen intensiven Farbton wie dieser Fremde. Das blauschwarze Haar war mit zu viel Pomade bearbeitet worden. Der Mann grinste Desmond an und offenbarte dabei eine Reihe makellos weißer Zähne. Er zwinkerte ihm verschworen zu mit einem Gesichtsausdruck, der sagte: Junge, ich habe alles beobachten können von meiner Bank aus!
Irritiert wandte sich Desmond von dem Fremden ab und ging unsicheren Schrittes weiter. Schließlich wagte er noch einmal einen flüchtigen Blick über die Schulter zu werfen, denn dieser Mann war so unglaublich sonderbar und bizarr. So eine Gestalt hatte er noch nie zuvor in seinem Leben gesehen. Doch die Parkbank war leer. Verwundert drehte er sich um. Von dem rothäutigen Fremden fehlte jede Spur. Sein Blick glitt über die Arkaden und Geschäfte, doch nirgendwo war der Mann zu sehen. Desmond lief in Richtung Bank, doch auch da war niemand.
Er schüttelte den Kopf. Für einen Moment war seine Wut vergessen. Er fragte sich, ob er vielleicht auf ein Trugbild hereingefallen war. Eine Fata Morgana, über die Reisende oftmals berichten, die die Wüste und das Ödland durchqueren.
Sehr seltsam!, dachte Desmond und lief