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Die Tür schlug zu.

      War es Klaus Magnus? Kam er nun doch noch zu ihr?

      Lilo stürzte so eilig zur Haustür, dass sie beinahe gefallen wäre. Doch es war nicht Klaus Magnus – es war Gerda Ahlsen. Obwohl sie sie so viele Jahre nicht gesehen hatte, erkannte sie sie sofort.

      »Darf ich – Lilo? Ich muss dich unbedingt sprechen.«

      »Ja, komm nur.«

      Im Wohnzimmer, wo das volle Licht auf Lilos Gesicht fiel, fragte Gerda bestürzt, ob sie krank sei.

      »Nein, nein, es geht mir gut«, behauptete Lilo.

      »Dein Mann, die beiden Buben? Alles in Ordnung?«

      Lilo konnte sich nicht länger beherrschen. Tränen rannen über ihre Wangen. »Ja, alles in Ordnung«, schluchzte sie. »Siegfried ist mit Jochen übers Wochenende weggefahren, damit der Junge seine neue Mutter kennenlernt.«

      »Was willst du damit sagen?« So rasch verstand Gerda nicht.

      »Wir lassen uns scheiden«, stöhnte Lilo auf. »Es geht ganz vernünftig zu und ohne jeden Streit. Siegfried hat die Frau seines Lebens getroffen. Was will man da machen?«

      »Das tut mir leid, Lilo. Ich hätte besser nicht kommen sollen. Jetzt verstehe ich, dass dir der Besuch von Klaus Magnus gleichgültig sein musste. Ich hatte einen ganz anderen Eindruck. Entschuldige, bitte.«

      Lilo zuckte die Achseln. »Vielleicht war dein Eindruck richtig, Gerda. Klaus stand plötzlich vor der Tür, genau wie du. Er fragte nach Gabi.«

      »Ja, das hatte er vor.«

      »Zuerst wollte ich ihn hinauswerfen. Aber dann merkte ich, dass er wirklich nichts gewusst hat.«

      Gerda blickte Lilo gespannt und erwartungsvoll an, und Lilo sprach weiter, ohne dass die Besucherin eine Frage zu stellen brauchte. Viel zu lange schon hatte Lilo schweigen und warten müssen.

      So erfuhr Gerda von Gabis Tragödie und von deren Jungen, der bei Lilo und deren Mann aufgewachsen war. Auch von ihrer Freundschaft zu Klaus Magnus sprach Lilo mit verhaltenen Worten.

      »Als Siegfried heimkehrte und mich um die Scheidung bat, war ich überzeugt, dass dies für uns alle eine glückliche Lösung sei, Gerda. Aber Klaus Magnus ist seitdem nicht mehr in dieses Haus gekommen. Ich habe mit seinem Sohn große Schwierigkeiten gehabt. Als Klaus Magnus sich dem Buben als sein Vater zu erkennen gab, ist der schreckliche Bengel aus lauter Trotz ausgerissen. Seither befindet er sich in einem Kinderheim. Anfangs wollte er nichts von seinem Vater wissen. Das scheint sich jedoch jetzt geändert zu haben. Klaus Magnus hält sich von früh bis spät in dem Kinderheim auf. Was ich nun tun soll, weiß ich nicht. Hältst du es für möglich, dass ein Kind zwei Menschen, die sich lieben, auseinanderbringen kann?«

      Gerda verbarg ihre eigenen Gefühle. »Nein, Lilo, das erscheint mir undenkbar. Du wirst sehen, es klärt sich alles auf.«

      »Ich habe keine Kraft mehr, Gerda. Als du anriefst, fürchtete ich, du könntest ihn mir wegnehmen. Deshalb wollte ich nicht, dass du mit ihm Verbindung aufnimmst.«

      »Ich …, ich möchte gern noch einmal mit ihm sprechen, Lilo.« Gerdas starrem Gesicht war nicht anzusehen, was in ihrem Inneren vorging.

      »Daran kann ich dich nicht hindern. Das Kinderheim heißt Sophienlust, der zugehörige Ort Wildmoos. Es ist nicht weit von hier.«

      »Danke, Lilo. Dann will ich weiterfahren. Ich melde mich wieder bei dir.« Gerda stand auf und reichte Lilo die Hand. »Du wirst nicht allein bleiben«, kam es leise über ihre Lippen. »Du nicht.«

      Lilo antwortete nicht. Sie begleitete Gerda zu ihrem Wagen und blickte ihr lange nach.

      *

      Gerda sicherte sich in Bachenau ein Hotelzimmer und fuhr unverzüglich weiter nach Sophienlust. Vor dem Herrenhaus wurde sie von einem reizenden Jungen begrüßt.

      »Ich möchte Herrn Magnus besuchen. Er soll hier in Sophienlust sein«, erklärte Gerda lächelnd. Sie fühlte sich zu dem Buben sofort hingezogen.

      »Herr Magnus ist mein Daddy. Ich warte hier auf ihn. Er wollte etwas besorgen.«

      »Da könnten wir gemeinsam warten, wenn du magst. Dass du Klaus heißt, weiß ich schon.«

      »Hm, das stimmt. Und wie heißen Sie?«

      »Gerda Ahlsen. Du könntest Tante Gerda zu mir sagen. Ich kenne deinen Daddy von früher. Von der Schule noch.«

      »Dann haben Sie …, hast du vielleicht sogar meine Mutti gekannt. Sie ist nämlich gestorben.«

      »Ja, Klaus. Sie hieß Gabi. Dein Daddy hatte sie sehr, sehr lieb.«

      Klaus betrachtete die fremde Tante mit dem schönen braunen Haar und den lebhaften dunklen Augen aufmerksam. »Wir hätten unsere Mutti so gern mit nach Südafrika genommen. Aber das geht nicht mehr.«

      »Nein, das ist sehr traurig.«

      »Daddy hat eine Köchin. Aber das ist etwas anderes als eine Mutti.«

      »Hm, vielleicht findet ihr eine Mutti.«

      Klaus legte den Kopf schief. »Eine Mutti muss man lieb haben.«

      »Und sie muss dich und deinen Daddy auch lieb haben, Klaus.«

      »Das ist sonnenklar.«

      Gerda und Klaus setzten sich auf die Stufen vor dem Portal des Herrenhauses. Sie unterhielten sich lebhaft. Klaus erzählte ganz unbefangen, sodass Gerda in kurzer Zeit allerlei über Sophienlust und über die Pläne von Vater und Sohn Magnus erfuhr. Zwischen ihr und dem Buben entstand eine spontane Zuneigung.

      Fast eine halbe Stunde verstrich auf diese Weise, ehe sich endlich ein Wagen näherte. »Das ist Daddy«, rief Klaus begeistert. »Bestimmt freut er sich, dass du da bist, Tante Gerda.«

      Gerda erhob sich hastig. Plötzlich war sie sehr verlegen. Doch Klaus Magnus begrüßte sie mit großer Herzlichkeit.

      »Oh, Gerda, mir fallen meine Sünden ein. Wir wollten uns doch treffen, aber mein Sohn hat mich alles andere vergessen lassen. Dass du jetzt hier bist …«

      »Ich habe mich bei Lilo Werner erkundigt, Klaus.«

      »Ja, Lilo … Ich muss mich bei ihr melden.«

      »Wenn du zu Tante Lilo fährst, bleibe ich aber in Sophienlust, Daddy«, warf Klaus mit Entschiedenheit ein.

      Gerda spürte, dass der große Klaus sich über ihr Kommen freute. Sie war sehr glücklich darüber.

      »Klaus wollte mir die Katze Heinrich zeigen«, berichtete sie lächelnd. »Aber wir haben zuerst auf dich gewartet.«

      »Heinrich ist meine ganz besondere Freundin«, erwiderte Klaus Magnus. »Lauf, Klaus, und hole sie, damit Tante Gerda sie kennenlernt.«

      Der Bub rannte davon.

      »Ich wollte dich in Ruhe sprechen, Klaus«, bat Gerda leise.

      »Was ist los, Gerda?« Unruhig sah er sie an.

      »Es handelt sich um Lilo.«

      Noch ehe Gerda sich weiter äußern konnte, schoss Klaus junior schon wieder herbei. Er hielt seine Katze im Arm und war völlig außer Atem.

      »Sie war gleich da drüben. Aber sie wollte sich nicht fangen lassen, weil sie hinter einer Maus her war. Wir nehmen Heinrich natürlich mit nach Südafrika, Tante Gerda.«

      Gerda lächelte. »Man müsste eine Katze sein und Heinrich heißen. Dann bekäme man ein Freibillett nach Südafrika.«

      »Du kannst uns doch einmal besuchen«, meinte Klaus gönnerhaft.

      »Ich habe nur Spaß gemacht, Kläuschen. Leider kann ich mir einen so ausgedehnten Urlaub nicht leisten.«

      »Mit dem Flugzeug geht es doch schnell. Es wäre tatsächlich nett, wenn du dich zu einer Reise nach Südafrika entschließen könntest«,

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