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auszuheben, hatte sich der Auftrag in jedem Fall gelohnt.

      Edana kam aus dem Bad, eingewickelt in den Bademantel, als wäre er eine zweite Haut. Den Kopf gesenkt und die Schultern hochgezogen ging sie ins Nebenzimmer. Zehn Minuten später kam sie zurück und war wieder wie ein normaler Teenager gekleidet. Russel fand, dass ihr das erheblich besser stand als seidige Nachthemden und ein geschminktes Gesicht mit knallrotem Lippenstift. Er lächelte ihr zu und machte eine einladende Geste zur Tür. Sie verließ fast fluchtartig den Raum. Unten am Empfang schärfte der Manager der Concierge ein, dass Steeles Zimmer auf Anweisung der Polizei bis auf Widerruf nicht gereinigt oder überhaupt betreten werden durfte.

      Russel oder Edana Rafferty zu verabschieden, hielt er nicht für nötig. Er sah sie nur in einer Weise an, die darauf schließen ließ, dass er sich von Herzen wünschte, keinen von beiden je wiederzusehen. Den Gefallen konnte Russel ihm tun, denn das Cliff Townhouse war nicht seine Kragenweite. Und Edana würde ganz bestimmt nie wieder freiwillig einen Fuß in dieses Hotel setzen.

      Er brachte sie nach Hause und war glücklich, dass er keine Todesbotschaft hatte überbringen müssen. Ein Glück, das er mit Aislyn teilen wollte. Er rief sie an, aber nur die Mailbox meldete sich. Demnach war sie wahrscheinlich am Üben, denn dann schaltete sie ihr Smartphone immer aus. Er würde heute Abend den Erfolg mit ihr feiern, wenn sie wieder zu seinem Auftritt in The Temple Bar kam. Worauf er sich sehr freute.

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      DREI

      Müllsammeln war eine Strafe Gottes. Zumindest empfand Sam McFadden es so, weshalb er sich fragte, womit er sie verdient hatte. Er führte ein rechtschaffenes Leben, sorgte für seine Familie und war seiner Frau bisher immer treu geblieben. Aber was sein musste, musste eben sein. Und ab und zu musste auch am Ufer des Dublin Ports hinter den Sandcontainern an der Pidgeon House Road der Müll eingesammelt werden. Terminal 1 des Fährbetriebs lag direkt gegenüber, und nicht nur, aber besonders auch von den Fähren wurden manchmal Dinge ins Wasser geworfen, die dort nichts zu suchen hatten. Natürlich war das verboten und wurde bestraft, wenn man die Schuldigen in flagranti ertappte, aber etliche Leute scherten sich nicht um Verbote und vertrauten drauf, dass man sie nicht erwischte. Die Liffey spülte das Zeug dann dort an, wohin ihre Strömung und die Bug- und Kielwellen der Schiffe sie trieben.

      Den Müll einzusammeln war hier nur deshalb schwieriger, weil der gesamte Uferbereich mit Steinen aufgeschüttet war, und die waren glitschig. Der metallene Greifarm reichte leider nicht immer weit genug ins Wasser hinaus, um alles gefahrlos einsammeln zu können. Meistens musste Sam ein paar Schritte über die Steine gehen. Abrutschen inbegriffen. Wenigsten konnte man mit dem Müllwagen aufs Gelände fahren, sodass Sam nicht auch noch die Müllsäcke gefühlte Meilen bis zur Straße schleppen musste.

      Heute zeigte sich zudem erfreulich wenig Müll. Und es gab nur ein einziges größeres Stück, das zum Glück auf den Bereich gespült worden war, wo der Grasbewuchs des Ufers auf die Steine traf, sodass Sam nicht hinauswaten musste, um es zu bergen. Irgendwas in einem dunkelblauen Sack, der im Wind um seinen Inhalt schlotterte. Dass der Sack angetrieben worden war, ließ darauf schließen, dass der Inhalt nicht allzu schwer war, andernfalls wäre er versunken. Am besten sammelte er das Ding als Erstes ein, dann hatte er das Schwerste hinter sich.

      Als er näherkam, sah er, dass sich an einem Ende des Sackes ein Bündel roter Wolle befand, das nass am Stoff klebte und sich in den leichten Wellen bewegte, die ans Ufer schlugen. Nach ein paar weiteren Schritten sah er Beine, die aus dem Sack ragten und im Wasser hingen.

      Sam ließ Greifstock und Müllsack fallen und rannte hin. Zog das leblose Bündel Mensch aufs Trockene. Eine Frau. Was er für einen blauen Sack gehalten hatte, war ihr Kleid, die rote Wolle ihr Haar. Er strich die Haare zur Seite und legte ein totenbleiches Gesicht frei. Aus dem starrten ihn leblose Augen an. Er zog hastig seine Handschuhe aus und tastete nach dem Puls. Am Handgelenk, am Hals, wie er es im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte. Das Ergebnis bestätigte, was die Leichenblässe und die toten Augen ihm schon signalisiert hatten: Die Frau lebte nicht mehr.

      Zitternd richtete er sich auf, holte sein Smartphone aus der Hosentasche und rief die Garda.

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      Russel starrte auf den Tisch, an dem Aislyn sitzen sollte, und versuchte, sich keine Sorgen zu machen. Sie hatte sich den ganzen Tag nicht gemeldet, und auf ihrem Smartphone ging immer nur die Mailbox an. Zugegeben, das war nicht übermäßig ungewöhnlich. Wenn sie mal länger übte, als sie das ursprünglich geplant hatte, oder noch eine Veranstaltung besuchte, ließ sie das Phone ausgeschaltet. Und manchmal vergaß sie auch, es wieder einzuschalten. Aber sie hatte noch nie einen seiner Auftritte versäumt, ohne vorher Bescheid zu sagen.

      Auch dafür mochte es einen wichtigen Grund geben. Aislyn war ihm schließlich keine Rechenschaft schuldig, wie und wo sie ihre Zeit verbrachte. Sich nicht zu melden war aber derart untypisch für sie, dass Russel sich sorgte. Und seine Besorgnis wuchs mit jeder Minute, die verstrich, ohne dass Aislyn The Temple Bar betrat. Er konnte kaum die Pause abwarten. Als sie endlich kam, hastete er zum Tisch, der für die Band und ihre Begleitung reserviert war, und versuchte erneut, Aislyn zu erreichen.

      Sollte er bei ihren Eltern anrufen? Schließlich wohnte sie noch bei ihnen. Oder würde sie es, falls sie dort war, als Nachstellung empfinden, wenn er bei den Eltern anrief, nachdem sie durch das ausgeschaltete Smartphone deutlich signalisiert hatte, dass sie niemanden zu sprechen wünschte? Aber dass sie offenbar niemanden sprechen wollte, konnte nur bedeuten, dass etwas nicht stimmte. Sie war gestern Abend schon so seltsam gewesen, als sie sich von ihm verabschiedet hatte. Notfalls konnte er die Sache immer noch erklären und sie um Verzeihung bitten.

      Er wählte die Nummer der Eltern.

      »Aislyn?«, kam nach nur einem einzigen Freizeichen die besorgte Stimme ihrer Mutter.

      Verdammt, da stimmte tatsächlich etwas nicht. »Nein, Mrs O’Malley, hier ist Russel. Aislyn und ich waren verabredet, und sie ist nicht gekommen. Ich dachte, sie wäre vielleicht bei Ihnen und hätte die Zeit vergessen.«

      Ein besorgtes Seufzen. Dann Mrs O’Malleys belegte Stimme. »Nein. Wir dachten, sie ist bei dir, weil sie gestern Abend nicht nach Hause gekommen ist. Oh Gott, hoffentlich ist ihr nichts passiert!«

      Nicht nach Hause gekommen? Aber: »Sie wollte noch zu Jenny und Tom zum Üben für ein Stück, das sie am Montag vorspielen müssen.«

      »Was? Nein. Was sagst du denn da? Sie wollte zu dir und den ganzen Abend mit dir verbringen. Dass sie dann auch über Nacht wegbleibt, ist ja nicht ungewöhnlich.« Er hörte das Lächeln in Mrs O’Malley Stimme, bevor sie ernst weitersprach: »Das Vorspielen war doch schon vor zwei Wochen, und das nächste ist erst im Mai.«

      Er schüttelte den Kopf. Irgendwo lag hier ein Missverständnis vor.

      »Wenn sie nicht bei dir ist, Russel – wo ist sie dann? Und warum meldet sie sich den ganzen Tag nicht?«

      Das fragte er sich auch. Und seine Sorgen wuchsen. »Ich frage mal bei Tom und Jenny nach.«

      »Tu das. Und du sagst uns Bescheid, wenn du was weißt, ja?«

      »Versprochen, Mrs O’Malley. Bis dann.« Er beendete das Gespräch und wählte Toms Nummer.

      »Hallo, hallo!«, meldete sich Tom gewohnt flapsig.

      »Hier ist Russel. Ist Aislyn bei euch?«

      Schweigen. »Eh, wieso?«

      Russel hielt das für eine reichlich dumme Frage, die ihn unerklärlich reizte. Er musste sich beherrschen, um Tom keine harsche Antwort zu geben. »Weder ich noch ihre Eltern haben seit gestern etwas von ihr gehört. Sie ist nicht zu erreichen, und das Letzte, was ich von ihr weiß, ist, dass sie gestern Abend zu euch zum Üben wollte.«

      Erneutes Schweigen. »Eh, ja. – Ja, wir haben geübt. Bis

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