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und sprang in den Wagen; nicht um die Welt hätte sie der Mutter verraten mögen, wie weh und schmerzlich ihr das Scheiden wurde.

      Als der Wagen sich in Bewegung setzte und Diana denselben laut bellend noch eine kurze Strecke begleitete, bog sie sich weit zum Wagen hinaus mit thränenden Augen und nickte ihr zu. Gut war es, daß der Vater nichts von den Thränen merkte, er würde vielleicht augenblicklich Kehrt gemacht haben.

      Auf dem Bahnhofe, als alles besorgt und Ilse mit dem Papa in das Koupee gestiegen war, trat Johann hinzu mit Bob unter dem Arme und der Mütze in der Hand.

      "Leben Sie recht wohl, Fräulein Ilschen, und kommen Sie gut hin," sagte er etwas verlegen. "Die Hunde werde ich schon besorgen, dafür haben Sie nur keine Angst nicht. Den hier nehmen Sie wohl mit, es ist doch gut, wenn Sie nicht so allein in der Pension sind."

      Ilse jauchzte vor Freude. Sie nahm den Hund in Empfang, liebkoste und streichelte ihn, dann reichte sie Johann die Hand.

      "Leb wohl," sagte sie, "und habe Dank. Ich freue mich zu sehr, daß ich ein Hündchen mit mir nehmen kann."

      "Ja, aber Ilse, das geht doch nicht," wandte der erstaunte Oberamtmann ein, "du darfst doch keine Hunde mit in das Institut bringen. Sei vernünftig und gieb Bob Johann wieder zurück."

      Doch daran war nicht zu denken. Ilse ließ sich durch keine Vorstellung dazu bewegen.

      "Die einzige Freude laß mir, Pa’chen! Willst du mich denn ganz allein unter den fremden Menschen lassen? Wenn Bob bei mir ist, dann habe ich doch einen guten Freund. Nicht wahr, Bobchen, du willst nicht wieder fort von mir," wandte sie sich an den Hund, der es sich bereits höchst bequem auf ihrem Schoße gemacht hatte, "du bleibst nun immer bei mir!"

      Es war dem Oberamtmann unmöglich, ein Machtwort dagegen zu sprechen, zumal ja Ilse so triftige Gründe für ihren Wunsch anführte. Am meisten überzeugte ihn der Gedanke, daß die Kleine doch einen heimatlichen Trost mit in die Fremde brächte.

      Es war eine lange und ziemlich langweilige Fahrt, meist durch flaches Land, erst zuletzt kamen die Berge. Für Ilse that sich eine neue Welt auf, sie hatte noch nie eine so große Reise gemacht. Auf jeder Station schaute sie mit neugierigen Augen hinaus, jedes Bahnwärterhäuschen amüsierte sie. Ueber all den neuen Eindrücken, die sich ihr aufdrängten, trat der Trennungsschmerz in den Hintergrund.

      Spät am Abend, es war zehn Uhr vorbei, langten sie in W. an. Natürlich übernachtete Ilse mit ihrem Vater im Hotel, erst am andern Morgen sollte sie in ihre neue Heimat eingeführt werden.

      Als es am nächsten Tage neun Uhr schlug, stand Ilse fertig angezogen vor ihrem Papa. Sie sah in ihrem grauen Reisekleide und den zierlichen Lederstiefeln ganz allerliebst aus. Unter dem runden, weißen Strohhute, der mit einem Feldsträußchen und schwarzen Samtband aufgeputzt war, fielen die braunen Locken herab. Die schönen, großen Augen blickten heute nicht so fröhlich wie sonst, sie hatten einen ängstlich erwartungsvollen Ausdruck, und um den Mund zuckte es in nervöser Aufregung.

      "Dir fehlt doch nichts, Ilschen?" fragte Herr Macket und sah sein Kind besorgt an. "Du bist so blaß, hast du schlecht geschlafen?"

      Die herzliche Frage des Vaters löste mit einemmal die unnatürliche Spannung in Ilses Wesen. Sie fiel ihm um den Hals, und die bis dahin trotzig zurückgehaltenen Thränen brachen mit aller Macht hervor.

      "Aber Kind, Kind," sagte Herr Macket sehr geängstigt durch ihre Leidenschaftlichkeit, "du wirst ja nicht lange von uns getrennt bleiben. Ein Jahr vergeht schnell, und zu Weihnachten besuchst du uns. Komm, Kleines, trockne die Thränen. Du mußt dir das Herz nicht schwer machen. Du wirst uns fleißig Briefe schreiben und die Mama oder ich werden dir täglich Nachricht geben von uns, von allem, was dich in Moosdorf interessiert." Und er nahm sein Taschentuch und trocknete damit die immer von neuem hervorbrechenden Thränen seines Kindes.

      Der Oberamtmann befand sich in einer gleich aufgeregten Stimmung wie sein Kind, es wurde ihm nicht leicht zu trösten, wo er selbst des Trostes bedürftig war. So schwer hatte er sich die Trennung nicht gedacht, er würde sonst nicht darein gewilligt haben; aber da er das einmal gethan hatte, wollte er sich in die Notwendigkeit fügen.

      Er strich Ilse das Haar aus der Stirn und setzte ihr den herabgesunkenen Hut wieder auf. "Komm," sagte er, "jetzt wollen wir gehen. Nun sei ein verständiges Kind."

      "Die Mama soll mir nicht schreiben!" stieß Ilse schluchzend heraus, "nur deine Briefe will ich haben! Meine Briefe an dich soll sie auch nicht lesen!"

      "Ilse!" verwies Herr Macket, "so darfst du nicht sprechen. Die Mama hat dich lieb und meint es sehr gut mit dir."

      "Sehr gut!" wiederholte sie in kindischem Zorne, "wenn sie mich lieb hätte, würde sie mich nicht verstoßen haben!"

      "Verstoßen! Du weißt nicht, was du sprichst, Ilse! Werde erst älter, dann wirst du das große Unrecht einsehen, das du heute deiner Mutter anthust, und deine bösen Worte bereuen."

      "Sie ist nicht meine Mutter, – sie ist meine Stiefmutter!"

      "Du bist kindisch!" sagte der Oberamtmann, "aber merke dir, niemals wieder will ich dergleichen Aeußerungen von dir hören. Du kränkst mich damit!"

      Ilse sah schmollend zur Erde nieder und konnte nicht begreifen, wie es kam, daß der Papa sie nicht verstand, er mußte doch einsehen, wie unrecht ihr geschah.

      "Komm jetzt," fuhr er in mildem Tone fort, "wir wollen gehen, mein Kind." Sie ergriff den Hund, nahm ihn auf den Arm und wollte so ausgerüstet dem Vater folgen.

      "Laß ihn zurück," gebot derselbe, "wir wollen die Vorsteherin erst fragen, ob du ihn mitbringen darfst."

      Aber Ilse setzte ihren Kopf auf, "dann gehe ich auch nicht," erklärte sie mit aller Bestimmtheit. "Ohne Bob bleibe ich auf keinen Fall in der Pension!"

      Macket that dem Eigensinne den Willen aus Furcht, von neuem Thränen hervorzulocken. Aber Ilses Widerstand war ihm im höchsten Grade peinlich. Was sollte Fräulein Raimar denken!

      Eine Viertelstunde darauf standen Vater und Tochter vor einem stattlichen, zweistöckigen Hause, das vor dem Thore der kleinen Stadt mitten im Grünen lag; es war das Institut des Fräulein Raimar.

      Der Oberamtmann blieb überrascht davor stehen. "Sieh Ilse, welch ein schönes Gebäude!" rief er höchst befriedigt. "Der Blick von hier aus in die nahen Berge ist geradezu bezaubernd."

      Was kümmerten sie die Berge! Sie fühlte sich so gedrückt von Kummer, daß ihr die ganze Welt ein Jammerthal dünkte.

      "Wie kannst du dies Haus schön finden, Papa," entgegnete sie. "Wie ein Gefängnis sieht es aus."

      Herr Macket lachte. "Betrachte doch die hohen, breiten Fenster, Kind," sagte er. "Glaubst du, daß in einem Gefängnisse ähnliche zu finden sind? Die armen Gefangenen sitzen hinter kleinen, blinden Scheiben, die außerdem noch mit einem Eisengitter versehen sind."

      "Ich werde jetzt auch eine Gefangene sein, Papa, und du selbst lieferst mich in dem Gefängnisse ab."

      "Du bist eine kleine Närrin!" lachte er und brach das Gespräch, das ihm bedenklich zu werden schien, ab.

      Er stieg die breiten, steinernen Stufen, die zu dem Eingange führten, hinauf und zog an der Klingel. Ilse, die ihm langsam gefolgt war, schrak unwillkürlich zusammen, als sie den hellen Schall im Hause vernahm.

      Gleich darauf wurde die Thür von einer Magd geöffnet. Nachdem dieselbe die Angekommenen gemeldet hatte, wurden sie in das Empfangszimmer der Vorsteherin geführt.

      Bevor sie dasselbe erreichten, mußten sie den Hausflur und einen langen Korridor, von welchem zwei Ausgänge in einen schönen, großen Hof führten, durchschreiten. Es war gerade

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