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Gefühl, dass ich ersticke«, stieß sie hervor. »Doktor, ich habe Angst. Mir ist außerdem so schwindlig.«

      Der Arzt nickte. »Ihr Puls- und Herzschlag ist zwar regelmäßig, aber Vorsicht ist schon geraten«, sagte er. »Legen Sie sich ins Bett und nehmen Sie diese Tabletten ein!« Aus seiner Tasche holte er eine Tablettenschachtel und gab sie Katharina. »Wenn Sie morgen keine Besserung spüren, dann lassen Sie in der Klinik ein EKG machen und …«

      »Morgen?«, fiel Katharina dem Arzt ins Wort und bemühte sich, kurzatmig zu wirken. »Heute noch möchte ich das, Doktor. Ich war wegen …, wegen dieses Herzleidens … bis vor wenigen Tagen noch Privatpatientin in der Klinik am See.« Mit ein paar Worten berichtete sie davon. Dass sie dabei ein wenig übertrieb, war in ihrer Situation verständlich. »Ich …, ich … habe dort Injektionen bekommen«, setzte sie hinzu.

      »Was für welche?«, wollte der Arzt wissen.

      »Das weiß ich nicht.«

      »Hm«, der Arzt sah die attraktive Frau prüfend an. »Ich wusste nicht, dass Sie wegen Herzanfälligkeit in klinischer Behandlung sind oder waren, Frau Helbrecht. So gesehen, wäre es sicher besser, wenn wir Sie in die Klinik bringen.«

      »Ja, bitte tun Sie das«, brachte Katharina leise über die Lippen. »Jetzt gleich, sofort. Ich habe Angst und will nicht die Nacht hier im Hause verbringen.« Fast flehentlich sagte sie das.

      »Ich verstehe Sie, Frau Helbrecht«, gab der Arzt zurück, »kann Sie aber insoweit beruhigen, dass Sie in keiner Lebensgefahr schweben. Gut …«, er überlegte kurz, »… ich bringe Sie in die Klinik am See. Als Privatpatientin?«, fügte er fragend hinzu.

      Katharina nickte. »Ja, auf meine eigenen Kosten«, entgegnete sie.

      »Ja, dann wollen wir«, sagte der Arzt. »Können Sie gehen?« Man musste ihm zugutehalten, dass er noch jung war und wenig Erfahrung mit Patienten hatte. Ein allzu großer Menschenkenner war er anscheinend auch nicht. Vielleicht hätte er dann den Unterschied zwischen einem echten und einem vorgetäuschten Leiden erkannt. Er sah auch nicht das kurze zufriedene Aufblitzen in den Augen der Frau, als er mit ihr aus dem Haus zum wartenden Notarztwagen ging.

      Kurz nach halb sieben Uhr abends war es, als Katharina Helbrecht zur Klinik am See gefahren wurde.

      *

      Dr. Bernau, der an diesem Tag den Abenddienst versah, wollte gerade in die Kantine der Klinik gehen, um einen kleinen Imbiss zu sich zu nehmen, als er beim Durchqueren der Halle den Notarztwagen vor der Klinik halten sah. Abwartend blieb er stehen und blickte erwartungsvoll dem Notarzt entgegen, der in Begleitung einer attraktiven Frau Sekunden später die Halle betrat.

      »Neuzugang?«, fragte Dr. Bernau, und es klang nicht gerade begeistert.

      »Frau Helbrecht aus Rottach«, stellte der Notarzt Katharina vor. »Verdacht auf Perikarditis. Frau Helbrecht war bis vor Kurzem noch Privatpatientin von Dr. Lindau«, setzte er hinzu, »und bestand auf die Einlieferung in die Klinik.«

      »Sie möchten also aufgenommen werden, wenn ich Sie richtig verstehe?«, fragte Dr. Bernau. »Als Privatpatientin?«

      »So ist es«, gab Katharina zurück. Dr. Bernau nickte. Er stellte keine weiteren Fragen mehr. Jedenfalls meinte er, dass ihm das als Assistenzarzt bei einer Privatpatientin des Chefs nicht zustand. Es sei denn, es handelte sich um eine akute mit irgendeiner Gefahr verbundenen Krankheit oder Verletzung.

      Das schien aber in diesem Fall nicht vorzuliegen. Jedenfalls sah diese Frau nicht danach aus. »Befund?«, wandte er sich fragend an den Notarzt.

      »Keiner«, kam die Antwort. »Abgesehen von den von Frau Helbrecht angegebenen Schmerzen und der Kurzatmigkeit und zeitweiligem Luftmangel.«

      »Gut, ich übernehme die Patientin«, sagte Dr. Bernau und verabschiedete den Kollegen vom Notdienst mit Handschlag.

      Eine Schwester führte Katharina später in eines der drei Zimmer, die für eventuelle Privatpatienten vorgesehen waren.

      »Hier, diese Tabletten schlucken Sie bitte, Frau Helbrecht!« Die Schwester legte zwei Tabletten in eine kleine Schale und stellte diese auf den Nachttisch. »Schlafen Sie gut«, wünschte sie und ließ Katharina allein.

      Der hatte es zwar auf der Zunge gelegen, nach Dr. Lindau zu fragen, aber sie hatte es sich im letzten Moment versagt. In etwa zwölf Stunden würde sie ihn ja ohnedies sehen – bei der täglichen Visite nämlich. Damit gab sie sich zunächst einmal zufrieden. Der erste Schritt zur Erreichung ihres Zieles war jedenfalls getan. Morgen, wenn sie mit Hendrik allein war, wollte sie ihm rückhaltlos gestehen, was sie veranlasst hatte, sich als Patientin in die Klinik legen zu lassen, obwohl sie keine krankhaften Beschwerden hatte. Er würde das – nein, er musste das einfach verstehen, redete sie sich ein. Diesmal würde auch kein störender Anruf dazwischenkommen, wenn sie ihm ihr Herz ausschüttete. Das aber hatte sie sich fest vorgenommen.

      Beruhigt schlief sie bald darauf ein, nachdem sie die beiden Tabletten geschluckt hatte. Als sie nach einem wirklich erholsamen Schlaf wieder aufwachte, war sie in bester Stimmung. Die Schwester, die ihr das Frühstück brachte, fragte sie nach dem Beginn der Visite.

      »In einer Stunde etwa, Frau Helbrecht«, kam die Antwort.

      Von diesem Augenblick an bemächtigte sich Katharinas eine leichte Nervosität. Immer wieder fragte sie sich, wie Hendrik wohl reagieren würde. Sie brachte sich den Samstagabend wieder in Erinnerung – den Opernbesuch, das anschließende Essen und auch das leider sehr kurze Beisammensein in ihrem Bungalow. An seine Blicke und an seine gelöste Stimmung nach der Oper erinnerte sie sich, und sie war sich sicher, dass sie in seinen Blicken, mit denen er sie angesehen hatte, Interesse gelesen hatte. »Er muss auf mich eingehen«, flüsterte sie und wartete auf die Visite.

      Die kam eine gute halbe Stunde später. Mit ihr aber auch eine Enttäuschung für Katharina. Es war nicht der sehnlichst erwartete Dr. Lindau, der das Zimmer betrat, sondern eine Ärztin, die sich freundlich lächelnd vorstellte.

      »Ich bin Dr. Westphal, Frau Helbrecht«, sagte sie. »Sie wurden gestern eingeliefert und zwar mit Herzbeschwerden, wie ich im Rapport gelesen habe. Wie fühlen Sie sich?«

      »Danke, aber wo ist Herr Dr. Lindau?«, gab Katharina zurück. »Ich bin seine Privatpatientin.« Sie betonte das »seine« besonders.

      »Mir ist bekannt, dass Sie Privatpatientin des Chefarztes sind, Frau Helbrecht«, entgegnete die Ärztin. »Aber leider ist Dr. Lindau nicht hier. Er befindet sich auf einer Tagung in Nürnberg.«

      Katharina wurde blass. »In Nürnberg? Das ist ja furchtbar«, entfuhr es ihr.

      Erstaunt sah Anja Westphal die Patientin an. »Was ist denn daran so furchtbar?«, fragte sie. »Dr. Lindau kommt doch heute am späten Nachmittag oder am frühen Abend wieder zurück.«

      »Wirklich?«, fragte Katharina.

      »Ich sage es Ihnen doch.« Anja Westphal wunderte sich ein wenig über das etwas seltsame Verhalten der Patientin. »Ich möchte mich jetzt aber ein wenig mit Ihnen beziehungsweise mit Ihren Beschwerden befassen, Frau Helbrecht«, wurde sie sachlich.

      »Nein, Frau Doktor«, gab Katharina fast heftig zurück. »Ich warte dann lieber, bis Dr. Lindau wieder hier ist. Er soll sich meiner annehmen, denn schließlich bin ich seine Privatpatientin.« Unwillig blitzte es in ihren Augen auf. »Bitte sorgen Sie dafür, dass ich umgehend mit Dr. Lindau sprechen kann, sobald er wieder hier ist! Bitte!«

      Anja Westphal gab es auf, sich noch mehr zu wundern. »Nun gut, Frau Helbrecht«, ergriff sie das Wort, »da bei Ihnen im Augenblick keine akute und ernste Gesundheitsgefährdung vorliegt und Sie sich nur dem Chefarzt anvertrauen wollen, werde ich Sie jetzt nicht weiter behelligen.«

      »Danke, aber Sie geben Dr. Lindau bestimmt Bescheid?«, vergewisserte sich Katharina.

      »Wenn Sie es wünschen – ja«, versicherte die Ärztin. »Natürlich nur dann, wenn er nach seiner Rückkehr noch einmal in die Klinik kommt. Andernfalls würden Sie erst übermorgen früh mit ihm rechnen können.« Sie wandte sich zum Gehen.

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