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Geschichte des dreißigjährigen Krieges. Friedrich Schiller
Читать онлайн.Название Geschichte des dreißigjährigen Krieges
Год выпуска 0
isbn 9783849635039
Автор произведения Friedrich Schiller
Жанр Документальная литература
Издательство Bookwire
Ferdinand hatte den jüngsten Bruder Kaiser Maximilians des Zweiten, Erzherzog Karl von Krain, Kärnthen und Steyermark, zum Vater, zur Mutter eine Prinzessin von Bayern. Da er den ersten schon im zwölften Jahre verlor, so übergab ihn die Erzherzogin der Aufsicht ihres Bruders, des Herzogs Wilhelm von Bayern, unter dessen Augen er auf der Akademie zu Ingolstadt durch Jesuiten erzogen und unterrichtet wurde. Was für Grundsätze er aus dem Umgang eines Fürsten schöpfen mußte, der sich Andachts wegen der Regierung entschlagen, ist nicht schwer zu begreifen. Man zeigte ihm auf der einen Seite die Nachsicht der Maximilianischen Prinzen gegen die Anhänger der neuen Lehre und die Verwirrung in ihren Landen; auf der andern den Segen Bayerns und den unerbittlichen Religionseifer seiner Beherrscher; zwischen diesen beiden Mustern ließ man ihn wählen.
In dieser Schule zu einem mannhaften Streiter für Gott, zu einem rüstigen Werkzeuge der Kirche zubereitet, verließ er Bayern nach einem fünfjährigen Aufenthalte, um die Regierung seiner Erbländer zu übernehmen. Die Stände von Krain, Kärnthen und Steyermark, welche vor Ablegung ihres Huldigungseides die Bestätigung ihrer Religionsfreiheit forderten, erhielten zur Antwort, daß die Religionsfreiheit mit der Huldigung nichts zu thun habe. Der Eid wurde ohne Bedingung gefordert und auch wirklich geleistet. Mehrere Jahre gingen hin, ehe die Unternehmung, wozu in Ingolstadt der Entwurf gemacht worden, zur Ausführung reif schien. Ehe Ferdinand mit derselben ans Licht trat, holte er erst selbst in Person zu Loretto die Gnade der Jungfrau Maria und zu den Füßen Clemens' des Achten in Rom den apostolischen Segen.
Es galt aber auch nichts Geringeres, als den Protestantismus aus einem Distrikte zu vertreiben, wo er die überlegene Anzahl auf seiner Seite hatte und durch eine förmliche Duldungsakte, welche Ferdinands Vater dem Herren- und Ritterstande dieser Länder bewilligt hatte, gesetzmäßig geworden war. Eine so feierlich ausgestellte Bewilligung konnte ohne Gefahr nicht zurückgenommen werden; aber den frommen Zögling der Jesuiten schreckte keine Schwierigkeit zurück. Das Beispiel der übrigen, sowohl katholischen als protestantischen Reichsstände, welche das Reformationsrecht in ihren Ländern ohne Widerspruch ausgeübt, und die Mißbräuche, welche die steyerischen Stände von ihrer Religionsfreiheit gemacht hatten, mußten dieser Gewalttätigkeit zur Rechtfertigung dienen. Unter dem Schutze eines ungereimten positiven Gesetzes glaubte man ohne Scheu das Gesetz der Vernunft und Billigkeit verhöhnen zu dürfen. Bei dieser ungerechten Unternehmung zeigte Ferdinand übrigens einen bewundernswürdigen Muth, eine lobenswerthe Standhaftigkeit. Ohne Geräusch und, man darf hinzusetzen, ohne Grausamkeit, unterdrückte er den protestantischen Gottesdienst in einer Stadt nach der andern, und in wenigen Jahren war dieses gefahrvolle Werk zum Erstaunen des ganzen Deutschlands vollendet.
Aber indem die Katholischen den Helden und Ritter ihrer Kirche in ihm bewunderten, fingen die Protestanten an, sich gegen ihn, als ihren gefährlichsten Feind, zu rüsten. Nichtsdestoweniger fand das Gesuch des Matthias, ihm die Nachfolge zuzuwenden, in den Wahlstaaten Oesterreichs keinen oder nur einen sehr geringen Widerspruch, und selbst die Böhmen krönten ihn, unter sehr annehmlichen Bedingungen, zu ihrem künftigen König. Später erst, nachdem sie den schlimmen Einfluß seiner Rathschläge auf die Regierung des Kaisers erfahren hatten, wachten ihre Besorgnisse auf; und verschiedene handschriftliche Aufsätze von ihm, die ein böser Wille in ihre Hände spielte und die seine Gesinnungen nur zu deutlich verriethen, trieben ihre Furcht aufs Höchste. Besonders entrüstete sie ein geheimer Familienvertrag mit Spanien, worin Ferdinand dieser Krone, nach Abgang männlicher Erben, das Königreich Böhmen verschrieben hatte, ohne die Nation erst zu hören, ohne die Wahlfreiheit ihrer Krone zu achten. Die vielen Feinde, welche sich dieser Prinz durch seine Reformation in Steyermark unter den Protestanten überhaupt gemacht hatte, thaten ihm bei den Böhmen die schlimmsten Dienste; und besonders zeigten sich einige dahin geflüchtete steyermärkische Emigranten, welche ein racherfülltes Herz in ihr neues Vaterland mitbrachten, geschäftig, das Feuer der Empörung zu nähren. In so widriger Stimmung fand König Ferdinand die böhmische Nation, als Kaiser Matthias ihm Platz machte.
Ein so schlimmes Verhältniß zwischen der Nation und dem Thronkandidaten würde auch bei der ruhigsten Thronfolge Stürme erweckt haben – wie vielmehr aber jetzt im vollen Feuer des Aufruhrs, jetzt, da die Nation ihre Majestät zurückgenommen hatte und in den Zustand des natürlichen Rechts zurückgetreten war; jetzt, da sie die Waffen in Händen hatte, da durch das Gefühl ihrer Einigkeit ein begeisterndes Selbstvertrauen in ihr erwacht, ihr Muth durch die glücklichsten Erfolge, durch fremde Beistandsversprechungen und schwindlige Hoffnungen zur festesten Zuversicht erhoben war. Uneingedenk des an Ferdinand bereits übertragenen Rechts, erklärten die Stände ihren Thron für erledigt, ihre Wahl für völlig ungebunden. Zu einer friedlichen Unterwerfung war kein Anschein vorhanden, und wollte sich Ferdinand im Besitz der böhmischen Krone sehen, so hatte er die Wahl, sie entweder mit allem dem zu erkaufen, was eine Krone wünschenswerth macht, oder mit dem Schwert in der Hand zu erobern.
Aber mit welchen Hilfsmitteln sie erobern? Auf welches seiner Länder er seine Augen kehrte, stand alles in hellen Flammen. Schlesien war in den böhmischen Aufstand zugleich mit hineingerissen; Mähren war im Begriff, diesem Beispiel zu folgen. In Ober- und Unterösterreich regte sich, wie unter Rudolph, der Geist der Freiheit, und kein Landstand wollte huldigen. Ungarn bedrohte der Fürst Bethlen Gabor von Siebenbürgen mit einem Ueberfall: eine geheimnißvolle Rüstung der Türken erschreckte alle östlich gelegenen Provinzen; damit das Bedrängniß vollkommen würde, so mußten auch, von dem allgemeinen Beispiel geweckt, die Protestanten in seinen väterlichen Erbstaaten ihr Haupt erheben. In diesen Ländern war die Zahl der Protestanten überwiegend, in den meisten hatten sie die Einkünfte im Besitz, mit denen Ferdinand seinen Krieg führen sollte. Die Neutralen fingen an zu wanken, die Getreuen zu verzagen, nur die Schlimmgesinnten hatten Muth; die eine Hälfte von Deutschland winkte den Rebellen Ermunterung, die andere erwartete müßig den Anschlag; spanische Hilfe stand noch in fernen Landen. Der Augenblick, der ihm alles brachte, drohte, ihm alles zu entreißen.
Was er auch jetzt, von dem harten Gesetz der Noth unterjocht, den böhmischen Rebellen anbietet – alle seine Vorschläge zum Frieden werden mit Uebermuth verschmäht. An der Spitze eines Heeres zeigt sich der Graf von Thurn schon in Mähren, diese einzige noch wankende Provinz zur Entscheidung zu bringen. Die Erscheinung der Freunde gibt den mährischen Protestanten das Signal der Empörung. Brünn wird erobert, das übrige Land folgt freiwillig nach; in der ganzen Provinz ändert man Religion und Regierung. Wachsend in seinem Lande, stürzt der Rebellenstrom in Oberösterreich, wo eine gleichgesinnt Partei ihn mit freudigem Beifall empfängt. »Kein Unterschied der Religion soll mehr sein, gleiche Rechte für alle christlichen Kirchen. – Man habe gehört, daß fremdes Volk in dem Lande geworben werde, die Böhmen zu unterdrücken. Dieses suche man auf, und bis nach Jerusalem werde man den Feind der Freiheit verfolgen.« – Kein Arm wird gerührt, den Erzherzog zu verteidigen; endlich lagern sich die Rebellen vor Wien, ihren Herrn zu belagern.
Seine Kinder hatte Ferdinand von Grätz, wo sie ihm nicht mehr sicher waren, nach Tirol geflüchtet; er selbst erwartete in seiner Kaiserstadt den Aufruhr. Eine Handvoll Soldaten war alles, was er dem wüthenden Schwarme entgegenstellen konnte. Diesen Wenigen fehlte der gute Wille, weil es an Sold und selbst an Brod fehlte. Auf eine lange Belagerung war Wien nicht bereitet. Die Partei der Protestanten, jeden Augenblick bereit, sich an die Böhmen anzuschließen, war in der Stadt die überwiegende; die auf dem Lande zogen schon Truppen gegen ihn zusammen. Schon sah der protestantische Pöbel den Erzherzog in einem Mönchskloster eingesperrt, seine Staaten getheilt, seine Kinder protestantisch erzogen. Heimlichen Feinden anvertraut und von öffentlichen umgeben, sah er jeden Augenblick den Abgrund sich öffnen, der alle seine Hoffnungen, der ihn selbst verschlingen sollte. Die böhmischen Kugeln flogen in die kaiserliche Burg, wo sechzehn österreichische Baronen sich in sein Zimmer drängten, mit Vorwürfen in ihn stürmten und zu einer Conföderation mit den Böhmen seine Einwilligung zu ertrotzen strebten. Einer von diesen ergriff ihn bei den Knöpfen seines Wamms. » Ferdinand! « schnaubte er ihn an, »wirst du unterschreiben?«
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