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ich. ›Dann warte ich an der frischen Luft, denn ich bin schon halb erstickt‹, sagt er. ›Ich bin gleich wieder zurück‹, und damit springt er auf und geht hinaus, und was ich auch sagen konnte, hielt ihn nicht zurück.«

      »Schon gut, du hast dein Bestes getan«, sagte Holmes, als wir unser Zimmer betraten. »Es ist freilich sehr ärgerlich, Watson. Ich brauchte dringend einen Fall, und das sieht aufgrund der Ungeduld des Mannes so aus, als wäre es etwas Wichtiges. Sieh da! Das ist nicht Ihre Pfeife auf dem Tisch! Er muß seine liegengelassen haben. Eine hübsche alte Bruyère, mit einem guten langen Mundstück aus dem, was die Tabakhändler Bernstein nennen. Ich frage mich, wieviel echte Bernsteinmundstücke es in London gibt. Manche meinen, eine darin eingeschlossene Fliege sei ein Zeichen dafür. Dabei ist das Einfügen imitierter Fliegen in imitierten Bernstein ein regelrechtes Gewerbe. Nun ja, er muß durcheinander gewesen sein, daß er eine Pfeife liegenließ, die er sichtlich hochschätzt.«

      »Woher wissen Sie, daß er sie hochschätzt?« fragte ich.

      »Nun ja, ich würde den ursprünglichen Preis der Pfeife mit sieben Shilling sechs Pence veranschlagen. Nun ist sie aber, wie Sie sehen, zweimal repariert worden: einmal am hölzernen Stiel und einmal am Bernstein. Jede dieser Reparaturen, die, wie Sie erkennen können, mit einem silbernen Ring ausgeführt worden sind, muß mehr als den ursprünglichen Preis der Pfeife ausgemacht haben. Der Mann muß die Pfeife hochschätzen, wenn er sie lieber flicken läßt, als sich für das gleiche Geld eine neue zu kaufen.«

      »Noch etwas?« fragte ich, denn Holmes drehte die Pfeife in der Hand hin und her und starrte sie auf seine eigentümliche, gedankenvolle Weise an.

      Er hielt sie hoch und klopfte mit seinem langen, dünnen Zeigefinger darauf, wie ein Professor, der über einen Knochen doziert.

      »Pfeifen sind gelegentlich von außerordentlichem Interesse«, sagte er. »Nichts hat mehr Individualität, Uhren und Schnürsenkel vielleicht ausgenommen. Die Merkmale hier sind allerdings weder sehr ausgeprägt noch sehr wichtig. Der Besitzer ist offensichtlich ein kräftiger Mann, Linkshänder, mit ausgezeichnetem Gebiß, achtlos in seinen Gewohnheiten und nicht auf Sparsamkeit angewiesen.«

      Mein Freund machte die Angaben ganz beiläufig, aber ich sah, daß er mir einen vielsagenden Blick zuwarf, um zu erkennen, ob ich seinem Gedankengang hatte folgen können.

      »Sie meinen, ein Mann muß wohlhabend sein, wenn er eine Pfeife zu sieben Shilling raucht?« sagte ich.

      »Das ist Grosvenor-Mischung zu acht Pence die Unze«, antwortete Holmes, indem er sich etwas davon auf die Handfläche klopfte. »Da er zum halben Preis einen ausgezeichneten Tabak bekommen kann, hat er Sparsamkeit nicht nötig.«

      »Und die anderen Punkte?«

      »Er hat die Gewohnheit, seine Pfeife an Lampen und Gasflammen anzuzünden. Sie können sehen, daß sie an einer Seite ganz verkohlt ist. Natürlich kann das nicht von einem Streichholz herrühren. Warum sollte jemand ein Streichholz seitlich an seine Pfeife halten? Aber man kann sie nicht an einer Lampe anzünden, ohne daß der Pfeifenkopf verkohlt wird. Und das auf der rechten Seite der Pfeife. Daraus schließe ich, daß er Linkshänder ist. Halten Sie Ihre eigene Pfeife an die Lampe, und Sie werden sehen, wie Sie, als Rechtshänder, unwillkürlich die linke Seite an die Flamme halten. Sie mögen es einmal anders machen, aber nicht andauernd. Diese hier ist immer so gehalten worden. Des weiteren hat er sein Bernsteinmundstück durchgebissen. Es muß einer kräftig und energisch sein und ein gutes Gebiß haben, um das fertigzubringen. Aber wenn ich mich nicht täusche, höre ich ihn auf der Treppe, und wir werden gleich etwas Interessanteres als seine Pfeife zu studieren haben.«

      Einen Augenblick später öffnete sich unsere Tür, und ein hochgewachsener, junger Mann betrat das Zimmer. Er war mit einem dunkelgrauen Anzug gut, aber unauffällig gekleidet und trug einen braunen Schlapphut in der Hand. Ich hätte ihn auf ungefähr dreißig geschätzt, obgleich er tatsächlich einige Jahre älter war.

      »Ich bitte um Verzeihung«, sagte er etwas verlegen; »ich denke, ich hätte klopfen sollen. Tatsache ist, daß ich ein wenig aufgeregt bin, und dem müssen Sie alles zuschreiben.« Er strich sich mit der Hand über die Stirn wie ein Mann, der halb benommen ist, und plumpste dann eher, als daß er sich setzte, auf einen Stuhl.

      »Wie ich sehe, haben Sie ein oder zwei Nächte nicht geschlafen«, sagte Holmes in seiner unbekümmerten, herzlichen Art. »Das zerrt mehr an den Nerven als die Arbeit, und sogar mehr als das Vergnügen. Darf ich fragen, wie ich Ihnen helfen kann?«

      »Ich wollte Ihren Rat, Sir. Ich weiß nicht, was ich tun soll, und mein ganzes Leben scheint ein Scherbenhaufen zu sein.«

      »Sie möchten mich als beratenden Detektiv in Anspruch nehmen?«

      »Nicht nur das. Ich möchte Ihre Meinung als einsichtiger Mann – als Mann von Welt. Ich will wissen, was ich als nächstes tun soll. Ich hoffe zu Gott, Sie werden es mir sagen können.«

      Er sprach in kurzen, scharfen, abgehackten Ausbrüchen, und es schien mir, daß überhaupt zu sprechen sehr quälend für ihn war und daß sich sein Wille die ganze Zeit über gegen seine Neigungen durchsetzte.

      »Es ist eine sehr heikle Angelegenheit«, sagte er. »Man spricht Fremden gegenüber nicht gern von seinen häuslichen Angelegenheiten. Es ist irgendwie schrecklich, das Verhalten der eigenen Frau mit zwei Männern zu besprechen, die ich nie zuvor gesehen habe. Es ist furchtbar, es tun zu müssen. Aber ich weiß einfach nicht mehr weiter, und ich muß einen Rat haben.«

      »Mein lieber Mr. Grant Munro –« hob Holmes an.

      Unser Besucher sprang von seinem Stuhl auf. »Was!« rief er. »Sie kennen meinen Namen?«

      »Wenn Sie Ihr Incognito wahren wollen«, sagte Holmes lächelnd, »würde ich vorschlagen, daß Sie Ihren Namen nicht weiter auf das Futter Ihres Huts schreiben oder aber demjenigen, den Sie ansprechen, den Kopf des Hutes zudrehen. Ich wollte gerade sagen, daß mein Freund und ich in diesem Zimmer schon viele seltsame Geheimnisse vernommen und das Glück gehabt haben, vielen gepeinigten Seelen Frieden zu bringen. Ich bin zuversichtlich, daß wir gleiches auch für Sie zu tun vermögen. Dürfte ich Sie, da die Zeit sich als wichtig erweisen könnte, bitten, mir ohne weiteren Aufschub den Sachverhalt Ihres Falles vorzutragen?«

      Wieder fuhr sich unser Besucher mit der Hand über die Stirn, als falle ihm das bitterlich schwer. An jeder Geste und Miene erkannte ich, daß er ein reservierter, verschlossener, wohl ziemlich stolzer Mann war, der eher dazu neigte, seine Wunden zu verbergen als bloßzulegen. Dann plötzlich, mit einer heftigen Bewegung seiner geschlossenen Hand, wie jemand, der alle Zurückhaltung fahren läßt, begann er.

      »Der Sachverhalt ist folgender, Mr. Holmes«, sagte er. »Ich bin verheiratet, und zwar seit drei Jahren. Während dieser Zeit haben meine Frau und ich einander so zärtlich geliebt und so glücklich zusammengelebt, wie nur je zwei, die zusammengetan wurden. Wir hatten niemals Unstimmigkeiten, nicht ein einziges Mal, in Gedanken, Worten oder Taten. Und jetzt, seit letzten Montag, ist plötzlich eine Schranke zwischen uns, und ich stelle fest, daß es in ihrem Leben und ihren Gedanken etwas gibt, wovon ich so wenig weiß, als wäre sie eine Frau, die auf der Straße an mir vorüberhuscht. Wir sind einander entfremdet, und ich will wissen, warum.

      Nun möchte ich Ihnen aber eines deutlich machen, bevor ich fortfahre, Mr. Holmes: Effie liebt mich –. Daran kann es nicht den geringsten Zweifel geben. Sie liebt mich von ganzem Herzen und ganzer Seele, heute noch mehr als früher. Ich weiß es, ich fühle es. Ich will nicht darüber streiten. Ein Mann erkennt ohne weiteres, ob eine Frau ihn liebt. Aber dieses Geheimnis steht zwischen uns, und wir können so lange nicht die gleichen sein, wie es nicht aufgeklärt ist.«

      »Teilen Sie mir freundlicherweise den Sachverhalt mit, Mr. Munro«, sagte Holmes mit einem Anflug von Ungeduld.

      »Ich möchte Ihnen erzählen, was ich von Effies Geschichte weiß. Sie war Witwe, als ich ihr zum ersten Mal begegnete, obzwar recht jung – erst fünfundzwanzig. Ihr damaliger Name war Mrs. Hebron. Sie ging in jungen Jahren nach Amerika und lebte in der Stadt Atlanta, wo sie diesen Hebron heiratete, einen Rechtsanwalt mit einer gutgehenden Kanzlei. Sie hatten ein Kind, doch dann brach

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