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Brummer und setzte sich genau in die Mitte des Blattes, damit man sie vom Wasser aus nicht erblickte.

      Der Brummer lachte.

      „Geben Sie sich keine Mühe,“ spottete er, „der Frosch kann Sie von unten sehen, wenn die Sonne leuchtet, weil das Blatt dann durchscheint. Er sieht ganz genau, wie Sie auf meinem Blatt sitzen.“

      Maja, die von der bösen Vorstellung befallen wurde, dicht unter ihrem Blatt säße vielleicht ein großer Frosch und schaute sie mit seinen vorquellenden, hungrigen Augen an, wollte rasch auffliegen, als etwas ganz Furchtbares geschah, worauf sie in der Tat in keiner Weise vorbereitet war. Anfangs konnte sie in der ersten Verwirrung nicht genau unterscheiden, was eigentlich vor sich ging, sie hörte nur ein helles, klirrendes Sausen über sich, das so klang, als schwirrte der Wind in welken Blättern; dazu hörte sie ein singendes Pfeifen, einen hellen zornigen Jagdruf, und ein feiner, durchsichtiger Schatten huschte über ihr Blatt. Und dann erkannte sie, und ihr Herz stand still vor Angst, dass eine große, schillernde Libelle sich des armen Hans Christophs bemächtigt hatte und den verzweifelt Schreienden in ihren großen, messerspitzen Fängen hielt. Sie ließ sich mit ihrer Beute auf dem Schilfhalm nieder, der sich unter ihrer Last etwas niederbeugte, so dass Maja die beiden über sich schweben sah und zugleich das Spiegelbild im klaren Wasser. Hans Christophs Geschrei zerriss ihr Herz. Ohne Besinnen rief sie laut:

      „Lassen Sie sofort den Brummer los, wer immer Sie sein mögen. Sie haben nicht das geringste Recht, in so eigenmächtiger Weise in die Gewohnheiten anderer einzugreifen.“

      Die Libelle ließ den Brummer aus ihren Fängen, hielt ihn aber sorgfältig mit den Armen fest und drehte den Kopf nach Maja um. Maja erschrak sehr über die großen ernsten Augen der Libelle und über die bösen Beißzangen, die sie hatte, aber das Glitzern ihrer Flügel und ihres Leibes entzückte sie. Es blitzte wie Wasser, Glas und Edelsteine. Nur die ungeheure Größe der Libelle entsetzte sie, sie begriff ihren Mut nicht mehr und begann auf das heftigste zu zittern.

      Aber die Libelle sagte ganz freundlich:

      „Kind, was ist denn mit Ihnen?“

      „Lassen Sie ihn los,“ rief Maja und in ihre Augen kamen Tränen, „er heißt Hans Christoph ...“

      Die Libelle lächelte.

      „Weshalb denn, Kleine?“ fragte sie und machte ein interessiertes Gesicht, das aber einen Ausdruck von großer Herablassung hatte.

      Maja stotterte hilflos:

      „Ach, er ist doch ein so netter, sauberer Herr und hat Ihnen, soviel ich weiß, nichts zuleide getan.“

      Die Libelle sah Hans Christoph nachdenklich an:

      „Ja, er ist ein lieber, kleiner Kerl“, antwortete sie zärtlich und biß ihm den Kopf ab.

      Maja glaubte die Besinnung zu verlieren, so sehr erschütterte sie dieser Vorgang. Sie konnte lange kein Wort hervorbringen und musste nun, voll Grauen, die krachenden und knuspernden Laute hören, unter denen der Körper des stahlblauen Hans Christoph über ihr zerlegt wurde.

      „Stellen Sie sich doch nicht an,“ sagte die Libelle mit vollem Mund und kaute weiter, „Ihre Empfindsamkeit macht nur geringen Eindruck auf mich. Machen Sie es denn besser? Augenscheinlich sind Sie noch sehr jung und haben sich im eigenen Hause nur wenig umgesehen. Wenn im Sommer das Drohnenmorden in Ihrem Stock beginnt, empört sich die Umwelt nicht weniger, und ich meine, mit mehr Recht.“

      Maja fragte: „Sind Sie fertig da oben?“ Sie konnte sich nicht entschließen hinaufzusehen.

      „Ein Bein ist noch da“, sagte die Libelle.

      „Schlucken Sie es bitte herunter, dann werde ich Ihnen antworten“, rief Maja, die genau wusste, weshalb die Drohnen im Sommer im Bienenstock getötet werden mussten, und die sich über die Dummheit der Libelle ärgerte. „Aber unterstehen Sie sich nicht, mir auch nur um einen Schritt näher zu treten. Ich würde mich nicht besinnen, unverzüglich von meinem Stachel Gebrauch zu machen.“

      Die kleine Maja war wirklich sehr ärgerlich geworden. Zum ersten Mal erwähnte sie ihren Stachel und zum ersten Mal freute sie sich dieser Waffe.

      Die Libelle machte böse Augen. Sie hatte ihre Mahlzeit beendet und saß nun, etwas geduckt, da, schaute Maja lauernd an und sah aus wie ein Raubtier, das im Begriff ist, sich auf seine Beute zu stürzen. Aber die kleine Biene blieb nun ganz ruhig. Sie konnte nicht recht begreifen, woher ihr Mut kam, aber sie empfand keine Furcht mehr. Sie ließ ein ganz feines helles Summen hören, wie sie es einmal im Stock vom Wächter gehört hatte, als eine Wespe sich dem Flugloch näherte.

      Die Libelle sagte drohend und langsam:

      „Die Libellen leben in bestem Einvernehmen mit dem Volk der Bienen.“

      „Sie tun auch gut daran“, sagte Maja rasch.

      „Meinen Sie etwa, ich hätte Furcht vor Ihnen, ich — vor Ihnen?“ fragte die Libelle. Sie ließ mit einem Ruck den Schilfhalm los, der in seine alte Lage zurückschnellte, und sauste mit einem klirrenden, blitzenden Flügelschlag bis dicht auf die Oberfläche des Wassers nieder. Es sah ganz herrlich aus, wie sie sich im See spiegelte, man glaubte zwei Libellen zu sehen, und beide bewegten ihre gläsernen Flügel so rasch und fein, dass es aussah, als fließe ein heller Silberschein um sie her. Es sah so herrlich aus, dass die kleine Maja ihren ganzen Verdruss um den armen Hans Christoph und jede Gefahr vergaß. Sie klatschte in die Hände und rief ganz begeistert:

      „Wie wunderschön. Wie wunderschön!“

      „Meinen Sie mich?“ fragte die Libelle ganz erstaunt. Aber dann fügte sie rasch hinzu: „Ja, ich kann mich sehen lassen, das ist wahr. Sie hätten die Begeisterung erleben sollen, in die gestern einige Menschen gerieten, die mich am Bach sahen, wo sie sich hingelegt hatten.“

      „Menschen?“ fragte Maja, „ach, Menschen haben Sie gesehen?“

      „Natürlich,“ sagte die Libelle, „aber es wird Sie zweifellos auf das lebhafteste interessieren, wie ich heiße, mein Name ist Schnuck, von der Familie der Netzflügler, im besonderen der Libellen.“

      „Ach, erzählen Sie von den Menschen“, bat Maja, nachdem sie ihren Namen genannt hatte.

      Die Libelle schien versöhnt. Sie setzte sich neben Maja auf das Blatt, und die kleine Biene ließ es zu. Sie wusste, dass Schnuck sich hüten würde, ihr zu nahe zu treten.

      „Haben die Menschen einen Stachel?“ fragte Maja.

      „Mein Gott,“ sagte Schnuck, „was sollten sie wohl damit anfangen. Nein, sie haben schlimmere Waffen gegen uns und sie sind uns sehr gefährlich. Es gibt niemand, der nicht Angst vor ihnen hätte, besonders vor den kleinen, bei denen man die beiden Beine deutlich unterscheiden kann. Diese heißen Knaben.“

      „Stellen sie Ihnen nach?“ fragte Maja, ganz atemlos vor Erregung.

      „Ja, ist Ihnen denn das nicht verständlich?“ fragte Schnuck mit einem Blick über ihre Flügel. „Ich bin nur selten einem Menschen begegnet, der nicht den Versuch gemacht hätte, mich zu greifen.“

      „Weshalb denn nur?“ fragte Maja ängstlich.

      „Wir haben eben etwas sehr Anziehendes“, sagte Schnuck mit einem bescheidenen Lächeln und sah schräg vor sich nieder. „Einen andern Grund weiß ich nicht. Es ist vorgekommen, dass Leute unserer Familie, die sich haben greifen lassen, die furchtbarsten Qualen und zuletzt den Tod haben erleiden müssen.“

      „Sind sie aufgefressen worden?“

      „Nein, nein,“ sagte Schnuck beruhigend, „das grade nicht. Soviel bekannt ist, nährt sich der Mensch nicht von Libellen. Aber im Menschen leben zuweilen Mordgelüste, die wohl ewig unaufgeklärt bleiben. Es mag Ihnen unglaublich erscheinen, aber in der Tat sind Fälle vorgekommen, in denen sogenannte Knabenmenschen Libellen gefangen haben und ihnen aus purem Vergnügen die Flügel oder die Beine ausgerissen haben. Sie zweifeln?“

      „Natürlich zweifle ich daran“, rief Maja entrüstet.

      Schnuck

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