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      Aus dem violetten Zylinder, der zu dem Walzenschiff gehörte, löste sich eine Gestalt, die gerade mal einen Meter hoch war. Ihr Kopf ähnelte einer Gottesanbeterin, der birnenförmige Körper dagegen wirkte plump und war von einer schillernden Schuppenschicht bedeckt. Vier dürre Armpaare wuchsen aus der Brust des Wesens, die allesamt in langen Klauen endeten. Es nickte Rhodan mit einem leisen Sirren zu. Der Terraner nahm es als positives Zeichen, blieb jedoch auf der Hut. Wer wusste, ob die Geste dieselbe grundsätzlich positive Bedeutung hatte wie bei Menschen?

      Der andere Ritter schien das exakte Gegenteil zu sein, hochgewachsen und massiv wie ein Haluter. Seine dunkle Robe konnte jedoch nicht verbergen, dass die Haut des Ritters derart dünn war, dass jedes Organ, jede Ader, jeder Muskel hindurchschimmerten. Seine großen, lidlosen Augen starrten Rhodan interessiert an, die Rüsselschnauze zuckte.

      »Yalaba«, stellte er sich vor, und Rhodan revidierte seine Einschätzung: Yalabas Stimme klang weiblich. »Forscherin.«

      »Rhodan.« Er streckte Yalaba die Hand entgegen. »Terraner.«

      »Das genügt an Freundlichkeiten«, murrte A-Kuatond. »Das Urteil ist noch nicht gesprochen.«

      »Dennoch muss man es nicht an grundsätzlicher Höflichkeit mangeln lassen«, wandte der dritte Ritter ein. Statt sich jedoch ebenfalls vorzustellen, aktivierte er den Gleiter.

      Das Gefährt hob vom Boden ab – und ein Käfig aus Energie schnappte über Perry Rhodan zusammen.

      3.

      Kessaila, in den Randbezirken von Muaal

      »Sie kommen zurück!« Ha'Tuuk schnarrte vor Aufregung. Die dünnen Membranen an ihren Flügeln zitterten. »Die Ritter sind gelandet!«

      Kii'Daan zuckte gleichgültig mit den Fingern. »Na und? Was ändert das?«

      Ha'Tuuk ließ sich von dem Pessimismus ihrer Schwester nicht anstecken. Sie griff nach den Fühlern an Kii'Daans Nacken und zog sie daran hoch.

      »Vielleicht haben sie andere gefunden«, hielt sie ihr vor. »Vielleicht sind wir nicht die Einzigen, die ...« Sie stockte, schüttelte sich. »... die Einzigen, die es hierhergeschafft haben.«

      Kii'Daan bedachte sie mit einem finsteren Blick. Aber sie verkroch sich nicht wieder in ihren Teppichen, sondern raffte ihren Mantel und steckte die Hände in die Taschen. Zufrieden schnarrte Ha'Tuuk. Seit sie ihr Volk verloren hatten, versank Kii'Daan immer mehr in ihren Erinnerungen. Aber Trübsal brachte ihnen ihre Heimat und ihre Familie nicht zurück. Sie hatten einander wiedergefunden. Und sie hatten Pei'Tun, auch wenn der Nichtsnutz bisher nichts tat, als ihnen das Essen wegzufuttern, das BARIL ihnen schenkte. Sie waren zu dritt. Und vielleicht ... Vielleicht waren sie nicht die letzten Kussu.

      Sie zog Kii'Daan weiter, zur Tür ihrer Unterkunft hinaus, die nicht ganz der Art ihres Volkes entsprach. Aber sie hatten ein Dach über dem Kopf, und dafür war Ha'Tuuk dankbar. Sie lebten.

      Pei'Tun erwartete sie am Ende der Gasse. »Beeilt euch! Die besten Plätze sind schon weg!«

      Das war eine Untertreibung, wie Ha'Tuuk feststellte. Das Gedränge war unglaublich, und das, obwohl sie noch weit von der Hauptstraße entfernt waren. Jeder wollte die heimgekehrten Ritter begrüßen, ihren Segen erbitten ... und sehen, was sie zu berichten hatten.

      Immerhin ging das Gerücht, dass die Kriegerin ausgezogen war, um die Truvaud zu ernten. Und die Notunterkünfte am Stadtrand waren voll mit Flüchtlingen aus jenen Welten, die den Schlächtern zum Opfer gefallen waren.

      Ein merkwürdiges Gefühl machte sich bei diesem Gedanken in Ha'Tuuk breit. Es dauerte einen Moment, bevor sie erkannte, was es war: Genugtuung. Die Schlächter hatten ihr Schicksal verdient. Und die Letzten der Kussu würden die Ritterin bejubeln, die den Feind einem gerechten Ende zugeführt hatte. Sie würden feiern, im Gedenken all jener, die es nicht nach Kessaila, in die Hauptstadt Muaal geschafft hatten.

      Jemand trat ihr auf die Fersen. Ein Ellbogen landete ihn ihrer Magengrube, ein Stoß von hinten beförderte sie geradewegs in den voluminösen Gelegebauch einer Öji, was dieser Anlass zu wütendem Gegacker gab. Zum Glück war auch die Öji im Gedränge gefangen, denn Ha'Tuuk hätte nur ungern nähere Bekanntschaft mit ihrem zahnbespickten Schnabel gemacht.

      »Das ist mir zu viel«, jammerte Kii'Daan neben ihr, und an jedem anderen Tag hätte Ha'Tuuk ihr recht gegeben.

      Aber nicht bei dieser Rückkehr. Grob rempelte sie die umstehenden Leute beiseite, bis sie genug Platz hatte, um ihre Flügel auszubreiten. Dann stieß sie sich ab, zog ihre Schwester mit sich, flatterte gegen die Belastung des doppelten Gewichts an. Dabei war Kii'Daan so abgemagert, dass sie kaum noch die Hälfte von dem wog, was eine gesunde Kussu auf die Waage brachte. Aber Ha'Tuuk ging es nicht besser, auch ihr Körper war geschwächt von Hunger und Kummer.

      Nur ihr Wille gab ihr Kraft, zwang sie höher, bis sie über den Köpfen der Menge schwebte und Kii'Daan endlich selbst die Flügel ausstreckte.

      »Gute Idee«, meldete sich Pei'Tun neben ihnen. »Aber bis zur Hauptstraße lassen sie uns so sicher nicht.«

      »Das muss ich auch gar nicht.« Ihr ging es schließlich nicht darum, den Segen der Ritter zu erbitten. Sie wollte sie nur sehen. Einen kurzen Blick bloß, das war alles. Sie wollte die Frau sehen, die ihr Volk gerächt hatte. Persönlich. Nicht auf einem dieser Holos, die Ha'Tuuk immer noch nicht ganz geheuer waren.

      Durch die Gassen war bereits das Jubeln der Menge zu hören. Die drei Kussu mussten sich beeilen, sonst würden sie die Prozession verpassen!

      Ha'Tuuk flog höher, Kii'Daan und Pei'Tun hielten sich dicht bei ihr. Durch die engen Gassen, zwischen blinkenden Lichtern, zischenden Maschinen und brüllenden Werbefeldern hindurch flogen sie, immer in Richtung der grölenden Leute auf der Straße.

      Endlich erhaschte Ha'Tuuk einen Blick auf den offenen Gleiter der Ritter. Sie sah die Kriegerin, die hoch aufgerichtet im Bug stand, einer Statue gleich. An ihrer Seite saß die Forscherin, winkte der Menge zu und breitete die langen Arme aus, um den Segen über das Volk zu sprechen. Semmaru, der Diplomat, hockte hinter der Forscherin. Er behielt die dürren Klauen bei sich, doch sein Kopf nickte, wann immer jemand seinen Namen rief.

      Der Gleiter verschwand hinter einem der Übertragungsholos, die über der Menge schwebten. Ha'Tuuk eilte weiter, näher heran. Sie wollte, dass die Kriegerin sie sah. Dass sie wusste, was ihre Tat den Kussu bedeutete.

      Ohne Vorwarnung prallte sie gegen ein unsichtbares Hindernis. Ha'Tuuk taumelte zurück, verlor an Höhe. Beinahe wäre sie mitten in die tobende Menge gestürzt, doch eine schlanke Hand schloss sich um ihren Arm und zerrte sie mit einer kräftigen Bewegung wieder nach oben. Pei'Tun.

      »Ein Schutzschirm«, sagte er. »Ich habe dich gewarnt, dass wir nicht näher ...« Er beendete den Satz nicht.

      Hastig wandte sich Ha'Tuuk um, folgte seinem Blick und schnarrte erschrocken.

      Der Gleiter der Ritter hatte in der Zwischenzeit das Übertragungsholo passiert. Nun konnten sie auch den hinteren Bereich der Flugplattform sehen – und die Blase aus Energie darauf, in der ein einzelnes Wesen mit zwei Armen, zwei Beinen und tiefdunkelgelbem Fell am Kopf stand.

      Ha'Tuuks Mut sank. Das war eindeutig kein Kussu.

      Und wozu benötigte er diesen Schutz? Sie hatte gehört, dass manche Wesen andere Luft zum Atmen brauchten ...

      »Wo der wohl herkommt?«, überlegte sie laut.

      »Was denkst du denn?«, schnarrte Kii'Daan neben ihr. »Sieh dir seinen Käfig an! Das ist kein Flüchtling – das ist ein Kriegsgefangener!«

      Erschrocken sah Ha'Tuuk ihre Schwester an. Dann war das also ...

      »Ein Truvaud!«

      4.

      Kessaila

      Perry Rhodan fühlte sich nicht wie ein Angeklagter, der zu einer Verhandlung geführt wurde, sondern wie ein

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