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in die Droschke stiegen; »ich möchte dir weder zu- noch abraten.«

      »Wenn wir nicht zu einander passen, können wir uns ja leicht wieder trennen. Deine Vorsicht scheint mir fast übertrieben, es muß noch etwas anderes dahinter stecken. Heraus mit der Sprache, was hast du gegen den Menschen einzuwenden?«

      »Nichts, gar nichts; er ist nur nach meinem Geschmack seiner Wissenschaft allzusehr ergeben. – Das grenzt schon an Gefühllosigkeit. Ich halte es nicht für undenkbar, daß er einem guten Freunde eine Priese des neuesten vegetabilischen Alkaloids eingeben würde – nicht etwa aus Bosheit, nein, aus Forschungstrieb – um die Wirkung genau zu beobachten. Ebenso gern würde er freilich die Probe an sich selber machen, die Gerechtigkeit muß man ihm widerfahren lassen. Ueberhaupt ist Klarheit und Genauigkeit des Wissens seine größte Leidenschaft; aber zu welchem Zweck er alle seine Studien betreibt, weiß der liebe Himmel.«

      Vor dem Hospital angekommen, stiegen wir aus, gingen ein Gäßchen hinunter und traten durch eine Thür in den Nebenflügel des weitläufigen Gebäudes. Hier war mir alles wohl bekannt und ich brauchte keinen Führer mehr. Es ging die kahle Steintreppe hinauf, durch den langen, weißgetünchten Korridor, mit den Thüren auf beiden Seiten, an den sich der niedrige Bogengang anschloß, welcher nach dem chemischen Laboratorium führte.

      In dem großen Saal, den wir betraten, waren sämtliche Tische mit Retorten, Reagensgläsern und kleinen Weingeistlampen besetzt, während rings an den Wänden und überhaupt, wohin man blickte, Flaschen von allen Größen und Formen umherstanden. Wir dachten zuerst, der Raum sei leer, bis wir an dem andern Ende einen jungen Mann gewahrten, der, in seine Beobachtungen versunken, über einen Tisch gebeugt dasaß. Beim Schall unserer Fußtritte blickte er von seinem Experiment aus und sprang mit einem Freudenruf in die Höhe. »Viktoria, Viktoria,« jubelte er, und kam uns, mit der Retorte in der Hand, entgegen. »Ich habe das Reagens gefunden, das sich mit Hämoglobin zu einem Niederschlag verbindet und sonst mit keinem Stoff.«

      Er sah so glückstrahlend aus, als hätte er eine Goldmine entdeckt.

      »Mein Freund, Doktor Watson – Herr Sherlock Holmes,« sagte Stamford uns einander vorstellend.

      »Sehr erfreut, Ihre Bekanntschaft zu machen,« erwiderte Holmes in herzlichem Ton und mit kräftigem Händedruck. »Sie kommen aus Afghanistan, wie ich sehe.«

      Ich blickte ihn verwundert an. »Wieso wissen Sie denn das?«

      »O, das thut nichts zur Sache,« rief er, sich vergnügt die Hände reibend; »ich denke jetzt nur an Hämoglobin. Sicherlich werden Sie die Tragweite meiner Erfindung begreifen.«

      »Es mag wohl als chemisches Experiment sehr interessant sein, aber für die Praxis –«

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      »Gerade in der Praxis ist es von größter Wichtigkeit für die Gerichtschemie, weil es dazu dient, das etwaige Vorhandensein von Blutflecken zu beweisen. – Bitte, kommen Sie doch einmal her.« In seinem Eifer ergriff er meinen Rockärmel und zog mich nach dem Tische hin, an welchem er experimentiert hatte. »Wir müssen etwas frisches Blut haben,« sagte er und stach sich mit einer großen Stopfnadel in den Finger, worauf er das herabtropfende Blut in einem Saugröhrchen auffing. »Jetzt mische ich diese kleine Blutmenge mit einem Liter Wasser – das Verhältnis ist etwa wie eins zu einer Million – und die Flüssigkeit sieht ganz aus wie reines Wasser. Trotzdem wird sich, denke ich, die gewünschte Reaktion herstellen lassen.« Er hatte, während er sprach, einige weiße Kristalle in das Gefäß geworfen und goß jetzt noch mehrere Tropfen einer durchsichtigen Flüssigkeit hinzu. Sofort nahm das Wasser eine dunkle Färbung an und ein bräunlicher Niederschlag erschien auf dem Boden des Glases.

      »Sehen Sie,« rief er und klatschte in die Hände, wie ein Kind vor Freude über ein neues Spielzeug. »Was sagen Sie dazu?«

      »Es scheint mir ein sehr gelungenes Experiment.«

      »Wundervoll, wundervoll! Die alte Methode, die Probe mit Guajacum anzustellen, war sehr umständlich und unsicher, die mikroskopische Untersuchung der Blutkügelchen aber ist wertlos, sobald die Flecken ein paar Stunden alt sind. Meine Erfindung wird sich dagegen ebenso gut bei altem wie bei frischem Blut bewähren. Wäre sie schon früher gemacht worden, so hätte man Hunderte von Verbrechern zur Rechenschaft ziehen können, die straflos davongekommen find.«

      »Meinen Sie wirklich?«

      »Ohne Frage. Bei der Kriminaljustiz dreht sich ja meist alles um diesen einen Punkt. Vielleicht Monate, nachdem die Missethat begangen ist, fällt der Verdacht auf einen Menschen, man untersucht seine Kleider und findet braune Flecke am Rock oder in der Wäsche. Das können Blutspuren sein, aber auch Rostflecke, Obstflecke oder Schmutzflecke. Mancher Sachverständige hat sich darüber schon den Kopf zerbrochen und zwar bloß, weil es an einer zuverlässigen Beweismethode fehlte. Nun man aber das Sherlock Holmessche Mittel besitzt, ist jede Schwierigkeit beseitigt.«

      Seine Augen funkelten, während er sprach, er legte die Hand aufs Herz und machte eine feierliche Verbeugung, als sähe er sich im Geist einer Beifall klatschenden Menge gegenüber.

      »Da kann man Ihnen ja Glück wünschen,« sagte ich, verwundert über seinen Feuereifer.

      »Hätte man die Probe schon letztes Jahr anstellen können,« fuhr er fort, »es wäre dem Mason aus Bradford sicherlich an den Hals gegangen; auch der berüchtigte Müller, sowie Lefevre aus Montpellier und Samson aus New-Orleans wären überführt worden. Ich könnte Ihnen Dutzende von Fällen nennen, bei denen meine Erfindung den Ausschlag gegeben hätte.«

      »Sie scheinen ja ein wandelnder Verbrecheralmanach zu sein,« meinte Stamford lachend; »schreiben Sie doch ein Buch über Kriminalstatistik.«

      »Das möchte wohl des Lesens wert sein,« erwiderte Holmes, der sich eben ein Pflaster auf den verwundeten Finger klebte. »Ich muß sehr vorsichtig sein,« fügte er erklärend hinzu, »denn ich mache mir viel mit Giften zu schaffen.« Als er die Hand in die Höhe hielt, sah ich, daß sie an vielen Stellen bepflastert war und von scharfen Säuren gefärbt.

      »Wir kommen in Geschäften,« sagte Stamford, und schob mir einen dreibeinigen Schemel zum Sitzen hin, während er ebenfalls Platz nahm. »Mein Freund hier sucht eine Wohnung, und da Sie gern mit jemand zusammenziehen möchten, dachte ich, es wäre Ihnen vielleicht beiden geholfen.«

      Sherlock Holmes ging mit Freuden auf den Vorschlag ein. »Ich habe ein Auge des Wohlgefallens auf ein Quartier in der Baker-Straße geworfen, das vortrefflich für uns passen würde,« sagte er. »Sie haben doch nicht etwa eine Abneigung gegen Tabaksdampf?«

      »O nein, ich bin selbst ein starker Raucher.«

      »Das trifft sich gut. Ferner habe ich häufig Chemikalien bei mir herumstehen, die ich zu meinen Experimenten brauche. Würde Sie das belästigen?«

      »Durchaus nicht.«

      »Warten Sie – was habe ich sonst noch für Fehler? Manchmal bekomme ich Anfälle von Schwermut und thue dann tagelang den Mund nicht auf. Sie müssen mir das nicht übel nehmen. Kümmern Sie sich nur dann gar nicht um mich, und die Anwandlung wird bald vorüber sein. So – nun ist die Reihe an Ihnen, mir Bekenntnisse zu machen. Wenn zwei Menschen zusammen leben wollen, ist es gut, wenn sie im voraus wissen, was sie von einander zu erwarten haben.«

      Ich mußte über diese Generalbeichte lachen. »Ich halte mir einen jungen Bullenbeißer,« gestand ich, »und kann keinen Lärm vertragen, weil meine Nerven angegriffen sind; auch schlafe ich oft in den Tag hinein und bin überhaupt sehr träge. In gesunden Zeiten fröhne ich noch Lastern anderer Art, aber für jetzt sind dies die hauptsächlichsten.«

      »Würden Sie unter ›Lärm‹ auch das Spielen auf einer Violine verstehen?« fragte er besorgt.

      »Das kommt auf den Musiker an. Gutes Violinspiel ist ein Genuß für Götter – aber schlechtes –«

      »Freilich, freilich,« rief er vergnügt. »Nun, ich denke, die Sache ist abgemacht – das heißt, wenn Ihnen das Quartier gefällt.«

      »Wann

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