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und ich bezweifle auch, dass er seine Gedanken bloßgelegt hätte. Vielleicht war er tatsächlich nicht zurechnungsfähig. Jedenfalls ist es besser, dass er tot ist, als dass er vor Gericht gestellt würde.«

      »Vor allem für Anja und die Familie Heltcamp ist es besser.«

      »Für Patrick Heym auch, Leon«, sagte Friedrich nachdenklich. »Du weißt ja, was in solchen Prozessen alles aufgewühlt und ans Tageslicht gezerrt wird, und die Skandalblätter warten doch nur auf Sensationen, die sie dann breitwalzen können. Man kennt ja die Schlagzeilen. Ich will gar nicht darüber nachdenken.«

      »Das ist auch besser.«

      *

      Patrick Heym schlief auch in dieser Nacht nicht gut, aber endlich, gegen Morgen, überkam ihn dann doch ein tiefer, erlösender Schlummer. Lena ging nur auf Zehenspitzen durch das Haus. Das Telefon war leise gestellt. Sie hörte nicht, wie es läutete.

      Arnold Heltcamp versuchte mehrmals, anzurufen, dann gab er es auf.

      Uwe machte sich allerdings Sorgen. Er fuhr zu Patrick. Diesmal betrat er den Garten nicht unbefangen, aber dann schritt er schnell auf das Haus zu, als Lena in der Tür erschien.

      »Mein Vater wollte Patrick anrufen«, erklärte er. »Er hat sich nicht gemeldet.«

      »Er schläft«, flüsterte Lena.

      »Jetzt schläft er nicht mehr«, ertönte Patricks Stimme. »Er muss nur noch unter die Dusche. Hast du ein bisschen Zeit, Uwe?«

      »Für dich immer«, erwiderte der junge Mann.

      Dafür erntete er von Lena einen dankbaren Blick. Sie servierte ihm gleich einen guten Kaffee und fragte ihn nach weiteren Wünschen.

      »Ich wollte Patrick eigentlich zum Essen zu uns einladen, Lena«, sagte Uwe.

      »Lasst ihm ein bisschen Zeit«, murmelte sie. »Ein Jegliches braucht seine Zeit.«

      »Sie sind eine kluge Frau.«

      »Ach was, ich sage alles, wie ich es denke. Ich muss Ihnen auch noch etwas sagen, Herr Heltcamp«, flüsterte sie. »Ich will Patrick nicht gleich damit kommen, aber irgendjemand sollte es doch wissen.«

      »Worum geht es, Lena?«

      »Um den Manschettenknopf.« Sie griff in ihre Schürzentasche. »Ich habe ihn heute Morgen im Gebüsch gefunden, neben der Gartentür. Er gehört nicht Patrick.«

      Uwe betrachtete den Manschettenknopf und erkannte ihn sofort. Es war, als schnüre ihm etwas die Kehle zusammen. Dies war einer von den Manschettenknöpfen, die Anja André geschenkt hatte. Die Initialen AM waren eingraviert.

      »Vielleicht ist es besser, wenn Patrick davon gar nichts erfährt«, meinte Lena. »Wenn man den Knopf gleich gefunden hätte, wäre alles vielleicht doch anders gekommen.«

      Uwe blickte zu Boden. Hatte Anja nicht von einem Siegelring gesprochen, den sie gesehen hatte? Ja, einen Ring, der zu den Manschettenknöpfen passte, hatte André auch von ihr bekommen, aber in ihrem getrübten Bewusstsein konnte es auch dieser Manschettenknopf gewesen sein, den sie wahrgenommen, nach dem sie vielleicht gegriffen hatte, ohne dass André es merkte.

      Ein Beweisstück, das man jetzt nicht mehr brauchte und das doch ein stummer Zeuge war.

      »Es ist nichts so fein gesponnen, es kommt doch an das Licht der Sonnen«, murmelte Lena.

      Uwe legte den Finger auf den Mund. »Pst«, machte er, »Patrick soll jetzt nicht gleich wieder damit konfrontiert werden.«

      Lena gab ihm den goldenen Knopf. »Ich möchte ihn los sein«, sagte sie, »aber es hat mir keine Ruhe gelassen. Ich habe immer gedacht, dass man etwas finden müsste.«

      »Wir brauchen keine Beweise mehr, Lena«, raunte ihr Uwe zu.

      Und dann kam Patrick. Er sah jetzt frischer aus, nicht mehr so grau, aber die Falten, die sich in seinem schmalen Gesicht eingegraben hatten, würden sich wohl nicht so rasch glätten.

      Sein dunkles Haar fiel noch feucht in die hohe Stirn. »Ich bin ein freier Mensch, Uwe«, sagte er. »Wie schön, dass du der Erste bist, dem ich nach diesem Erwachen die Hand drücken darf.«

      »Lena ist ja auch noch da«, sagte Uwe verlegen.

      »Sie bekommt einen Kuss. Frauen, die man liebt, küsst man. Klingt das sehr nach dem alten Patrick Heym?«

      »Nein«, erwiderte Uwe. »Ich glaube nicht, dass du früher schon zu einer Frau gesagt hast, dass du sie liebst.«

      Patricks Augen waren schwarz wie die Nacht. »Nicht mal zu Lena«, sagte er. »Aber ihr werde ich es nun jeden Tag sagen.« Er sah Uwe forschend an. »Du hast mir sicher noch allerlei zu berichten.«

      »Eigentlich wollte ich dich zum Essen zu uns einladen – im Namen meiner Eltern.«

      »Vielleicht wäre das deiner Schwester nicht recht«, wandte Patrick ein. »Ich möchte erst sie besuchen, und wenn sie mich empfängt, werde ich auch deinen Eltern einen Besuch machen. Aber diese Reihenfolge möchte ich einhalten.«

      »Diese Reihenfolge«, wiederholte Uwe nachdenklich.

      »Ich hoffe, du verstehst mich. Deine Eltern sind mir nichts schuldig, das habe ich schon gesagt. Du hast für mich viel getan, und das werde ich niemals vergessen. Mein Leben ist in andere Bahnen gelenkt worden. Ich kann dieses Haus nicht behalten. Ich kann diesen Weg durch den Garten nicht mehr gehen, ohne an jenen Morgen zu denken. Es tut mir leid für Lena. Sie hat das Haus so geliebt. Aber für mich hat sich alles verändert. Ich muss noch einmal ganz von vorn anfangen. Und ich möchte – das ist mein größter Wunsch –, dass Anja auch einen neuen Anfang findet. Wenn sie mir die Hand reicht, ist alles gut.« Er sah Uwe an. »Bin ich ein Fantast oder ein Traumtänzer, wie mich Dr. Brink einmal nannte?«

      Es vergingen einige Sekunden, bis Uwe antwortete: »Für mich bist du mein Freund, Patrick. Und das gilt.«

      »Auch dann, wenn Anja mir nicht die Hand reicht?«

      »Auch dann.«

      »Dann werde ich mich jetzt anziehen. Bringst du mich zur Prof.-Kayser-Klinik?«

      »Gern, aber darf ich vorher meine Eltern anrufen?«

      »Du darfst alles. Mein Haus ist dein Haus, wenn es auch nicht mehr lange mein Haus sein wird.«

      »Was hast du vor, Patrick?«

      »Darüber sprechen wir später.«

      *

      Dr. Sternberg musste gleich zwei Mal schauen, als Patrick Heym an Uwe Heltcamps Seite aus dem Lift stieg. Er sprach gerade mit einem jungen Mädchen, das auch des Trostes bedurfte, denn Cornelia Wolters Vater war an diesem Morgen operiert worden, und es hatte sich herausgestellt, dass es sich nicht um Magengeschwüre, sondern um Krebs handelte.

      Uwe Heltcamp kannte das Mädchen vom Club. Sie hatte sich in der Gaststätte manchmal ein Taschengeld verdient. Sie ging noch zur Schule.

      Während Dr. Sternberg sich noch von seiner Überraschung erholen musste, Patrick Heym hier zu sehen, ging Uwe auf das Mädchen zu.

      »Nele, was machst du denn hier?«, fragte er. »Was ist los?«

      »Mein Vater ist operiert worden«, erwiderte sie leise. »Es sieht nicht gut aus. Ich möchte aber jetzt nicht darüber sprechen.«

      »Was ist mit dem Mädchen?«, fragte Patrick indessen Dr. Sternberg.

      »Ein trauriger Fall. Sie hat nur noch ihren Vater, doch wir können ihm nicht mehr helfen.« Dr. Sternberg blickte auf die Rosen, die Patrick in der Hand hielt. »Ich freue mich, dass Sie frei sind«, sagte er.

      »Ich wollte Frau Heltcamp besuchen. Ist das möglich?«, erkundigte sich Patrick.

      »Wenn es die Familie erlaubt.«

      »Die Familie hat nichts dagegen. Ich weiß nur nicht, ob Frau Heltcamp es gestattet. Aber ich wollte es auf einen Versuch ankommen

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