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mal sagen, wie sie aussehen. Was ich zu diktieren habe, spreche ich auf Band, und das wird weitergegeben.«

      Nun lachte sie auf. »Auf Tonbänder brauche ich ja wohl nicht eifersüchtig zu sein«, sagte sie. »Eva soll sich jetzt um mich kümmern. Sie kann das Kind ins Wohnzimmer stellen, da höre ich nicht, wenn es schreit, und es kann ruhig mal schreien.«

      Mit einem beklemmenden Gefühl verließ er das Zimmer, aber er fand Eva nicht mehr bei Sandra. Die Kleine schlief schon wieder. Mit heißer Zärtlichkeit betrachtete er das Kind. So lieb war die Kleine, obwohl sie Mutterliebe gar nicht kennenlernte. Aber war Eva nicht wie eine Mutter zu ihr? Sie war die Bezugsperson für das Kind. Er hatte gelesen, dass jedes Kind eine Bezugsperson brauchte.

      War es nicht seltsam, dass er Sandra als sein Kind lieben lernte, und Bettina, als Sandras Mutter, es nicht liebte?

      Er fand Eva in der Küche. Leise wünschte er ihr einen guten Morgen. Sie erwiderte seinen Gruß.

      »Meine Frau verlangt nach ihrem Frühstück«, sagte er rau.

      »Ich bin schon dabei«, erwiderte Eva.

      »Sie ist sehr gereizt, nehmen Sie es sich nicht zu Herzen«, sagte Constantin.

      »Ich kenne solche Zustände«, erwiderte sie ruhig.

      »Geben Sie ihr die Zigaretten und den Kaffee. Schaden kann ihr doch nichts mehr.«

      Eva blickte auf. »Ich bin nur besorgt, dass sie nachts raucht und dann das Zimmer in Brand setzen könnte«, meinte sie.

      »Sie denken auch an alles«, murmelte er.

      »Das muss ich ja wohl.«

      Er lehnte sich an den Türrahmen. »Machen Sie es mir zum Vorwurf, dass ich nicht mit Bettina in einem Zimmer schlafen kann?«

      »Nein«, erwiderte Eva lakonisch.

      »Das wäre auch zu viel verlangt«, sagte er heiser.

      *

      Jonas Bernulf brachte seine Frau selbst in die Prof.-Kayser-Klinik. Dr. Eckart Sternberg war bereits von Dr. Laurin informiert, und ein hübsches Zimmer war für Charlotte reserviert worden. Aber Dr. Sternberg genügte ein Blick um festzustellen, dass er in Charlotte Bernulf ein Nervenbündel vor sich hatte.

      Sie brach schon in Tränen aus, als er bei ihr die notwendige Blutabnahme machte. Er verabreichte ihr ein Beruhigungsmittel, das bald seine Wirkung zeigte. Sie schlief ein.

      Jonas Bernulf wartete geduldig, bis Dr. Sternberg kam und ihm sagte, dass er die weiteren Untersuchungen erst am nächsten Tag vornehmen könne.

      »Ich glaube nicht, dass Ihre Frau einer anstrengenden Reise körperlich gewachsen ist«, erklärte der Chirurg.

      »Aber sie braucht Tapetenwechsel«, sagte Jonas Bernulf. »Wenn sie dauernd an Bettinas Bett sitzt, dreht sie noch völlig durch.«

      Dr. Sternberg stimmte mit Dr. Laurin darin überein, dass man in diesem Fall auch an die noch gesunden Familienmitglieder denken müsste.

      »Könnten Sie diese Reise nicht aufschieben, Herr Bernulf?«, fragte er.

      »Ich will sie nicht aufschieben, ich kann es nicht, Herr Dr. Sternberg. Mit Ihnen kann ich ja wohl offen sprechen. Ich bin kein armer Mann, aber so reich bin ich nicht, dass ich nur von vorhandenem Vermögen zehren kann. Zudem weiß ich nicht, was noch auf mich zukommt. Ich will mich nicht um eine Verantwortung herumdrücken, aber vielleicht muss ich einer solchen auf lange Zeit hinaus gerecht werden. Selbstverständlich ist die Gesundheit meiner Frau vordringlich – bei allen Erwägungen. Wenn ihr eine solche Reise nur schaden könnte, müssten wir nach einem Ausweg suchen.«

      »Ich habe auch für Sie alles Verständnis, Herr Bernulf«, versicherte der Arzt. »Sicher wäre für Ihre Frau eine Kur vordringlicher als eine Reise.

      Jonas Bernulf runzelte die Stirn. »Bringen Sie es ihr bei?«, fragte er.

      »Ich könnte es versuchen.«

      »Versuchen kann man ruhig alles, ob es gelingt, ist die andere Frage.«

      »Warten wir die Blutbefunde ab«, sagte Dr. Sternberg.

      »Sie befürchten doch nicht etwa, dass Charlotte an der gleichen Krankheit leiden könnte wie ihre Tochter?«, fragte Jonas beklommen.

      »Dafür hätten sich schon früher Anzeichen ergeben«, erwiderte Dr. Sternberg ruhig. »Aber es gibt auch noch andere Krankheiten, die bedrohlich werden könnten. Könnten, sage ich, nicht müssen.«

      »Ich verstehe.«

      Die Blicke der beiden Männer trafen sich.

      Jonas Bernulf straffte sich.

      »Ich bin ein Mann, der mit Tatsachen besser fertig wird als mit falschen Hoffnungen, Herr Dr. Sternberg. Ich möchte nicht, dass Sie denken, meine Geschäfte wären mir wichtiger als meine Familie. Wenn ich nämlich an meine Geschäfte denke, dann vor allem hinsichtlich der Absicherung dieser unglücklichen Menschen, die mir sehr viel bedeuten. Ich kann es mir einfach nicht leisten, mich Illusionen hinzugeben, wenn Sie begreifen, was ich damit sagen will.«

      »Ich begreife Sie, Herr Bernulf«, versicherte Dr. Sternberg. »Sie bedenken, dass Frau Hammilton noch viele Jahre leben könnte.«

      »Wollen Sie mir das ausreden?«, fragte Jonas Bernulf. »Ich habe mich mit dieser Krankheit in den letzten Wochen sehr genau beschäftigt und mir Informationen beschafft, wo immer sie zu beschaffen waren.«

      »Ich will Ihnen nichts ausreden«, erwiderte Dr. Sternberg. »Ich möchte Ihnen eher einreden, dass Sie auch an sich denken müssen. So schlecht ist es um meine Menschenkenntnis nicht bestellt, dass ich nicht erkenne, wie sehr Sie gefühlsmäßig engagiert sind. Sie können nicht abschütteln, was um Sie herum vor sich geht.«

      »Wer kann das schon?«, fragte Jonas.

      »Oh, sehr viele Menschen. Es ehrt Sie, dass Sie daran nicht denken.«

      Jonas Bernulf starrte schweigend zu Boden.

      *

      Eva hatte es an diesem Tag nicht schwer mit Bettina. Nachdem Constantin das Haus verlassen hatte, frühstückte die Kranke fast eine Stunde lang. Dabei las sie Zeitung und rauchte drei Zigaretten. Die Kaffeekanne war auch geleert.

      »Jetzt geht es mir gut«, sagte Bettina. »Man darf mir nicht alles nehmen, was dieses triste Leben einigermaßen angenehm macht. Nun sagen Sie nicht wieder, dass mir die paar Zigaretten schaden.«

      Die paar Zigaretten wurden im Laufe des Tages immerhin zu einer Schachtel oder gar noch mehr. Aber Eva sagte nichts mehr, seit sie von Bettina ein paar Mal grob angefahren worden war.

      »Ich möchte mich jetzt gern ein bisschen bewegen«, sagte Bettina.

      »Sandras zweite Mahlzeit ist bald fällig«, wagte Eva nun doch einzuwenden.

      »Na schön, dann später, das Kind ist ja wichtiger.« Es klang anzüglich, aber auch davon ließ sich Eva nicht irritieren. »Ich weiß es dennoch zu schätzen, dass Sie sich auch um mich kümmern«, fügte Bettina hinzu.

      Eva versorgte das Baby und nahm sich dafür genügend Zeit. Sandra war ja tatsächlich die Hauptperson für sie, und die Zeit, die sie mit dem Kind verbringen konnte, war kostbar und gab ihr Kraft, das weniger Gute durchzustehen.

      Als sie dann zu Bettina ins Zimmer kam, hatte diese plötzlich keine Lust mehr, sich zu bewegen. Sie hatte das Radio angestellt und hörte Musik.

      »Elvis Presley«, sagte sie begeistert, »welch ein Jammer, dass er so jung sterben musste. Er war einfach hinreißend, finden Sie nicht auch, Eva?«

      Die junge Pflegerin nickte nur, um Bettina nicht zu widersprechen. Sie mochte nur klassische Musik. Elvis Presley war für sie nur ein Name, den man oft genug gelesen und gehört hatte.

      »Setzen Sie sich zu mir«, sagte Bettina. »Erzählen Sie mir von sich. Was haben Sie für Interessen? Haben Sie einen Freund? Was machen Sie

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