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Die Todesstrafe II. Jacques Derrida
Читать онлайн.Название Die Todesstrafe II
Год выпуска 0
isbn 9783709250396
Автор произведения Jacques Derrida
Жанр Документальная литература
Серия Passagen forum
Издательство Bookwire
Die Argumentation könnte hier drei Argumente umfassen, deren Logiken unterschiedlich wären, die aber alle auf ein und dieselbe Schlussfolgerung zuliefen: Die Todesstrafe ist keine Strafe unter anderen, sie fällt nicht unter das Strafrecht, wenn sie es auch begründet. Es gibt – um zum Motiv der letzten Woche zurückzukehren – also vielleicht keine Einheit, keine irreduzible Spezifität, keine Unteilbarkeit der Todesstrafe, es gibt nicht die Problematik oder eine einzige Problematik, nicht einen einzigen Problemherd der Todesstrafe. Welche wären nun diese drei Argumente?
1. Erstes Argument. Das als ausgeschlossen eingeschlossene Transzendentale. Wenn die Todesstrafe, wie Benjamin behauptet, dazu bestimmt ist, das Recht in seinem Ursprung als Monopolisierung der Gewalt zu begründen, dann fällt die Grundlegung oder der Ursprung des Rechts, insbesondere des Strafrechts, nicht unter das Strafrecht, gehört es nicht zu dem Ensemble, das „Bestrafung“, Strafe oder Entgelt, noch weniger Abschreckung genannt wird. Das ist, wenn Sie sich dieser Sprache auf mindestens formale Weise bedienen wollen, das Transzendentale des Rechts. Das Transzendentale wird hier von dem ausgeschlossen, was es ermöglicht; und wenn es hier eingeschlossen wird, dann als eine exemplarische Ausnahme in der Reihe. Auf jeden Fall ist die Todesstrafe keine Strafe, die mit den anderen vergleichbar, ihnen homogen oder von ihnen nur quantitativ verschieden wäre. Das ist keine der Strafen, die vom Strafrecht vorgesehen sind.
2. Zweites Argument. Frage der Zeit, wenn Sie so wollen. Ob man nun vom Standpunkt der Ökonomie der Verteilungsgerechtigkeit oder vom Standpunkt der unterstellten Nützlichkeit der abschreckenden Beispielhaftigkeit darüber nachdenkt, die Todesstrafe ist keine Strafe, sie fällt nicht unter das Strafrecht, weil das Subjekt, dem sie auferlegt wird, einerseits nicht mehr da ist, nicht mehr da sein wird, nicht mehr da gewesen sein wird, um die Strafe zu bezahlen oder zu erleiden oder zu vollziehen, insbesondere um abgeschreckt zu werden, es noch einmal zu tun; das bestrafte, hingerichtete, beseitigte Subjekt wird als Subjekt der Strafe beseitigt, es gibt keine Strafe mehr für es. Es ist nicht, es ist noch nicht und wird nicht das gegenwärtige Subjekt [sujet] der Strafe gewesen sein, der es, wie man sagt, unterworfen [assujetti] wäre. All dies impliziert natürlich eine anspruchsvolle und ziemlich unorthodoxe, ziemlich unübliche Interpretation der Zeitigung41 der Zeit. Ein wenig so, als ob die phänomenologische oder existenziale Analyse der Zeitigung – weit davon entfernt, einfach auf den Fall der Todesstrafe angewandt zu werden – in der Erfahrung (die, vielleicht, gerade ohne Erfahrung ist, und es geht dabei um die Erfahrung selbst der Todesstrafe: Wer macht die Erfahrung der Todesstrafe? Derjenige, der stirbt, oder diejenigen, die ihn sterben sehen oder machen? Weder die einen noch die anderen vielleicht), ein wenig so, sagte ich, als ob die phänomenologische oder existenziale Analyse der Zeitigung – weit davon entfernt, einfach auf den Fall der Todesstrafe angewandt zu werden, in der Erfahrung (ohne Erfahrung) der Todesstrafe ihre Prüfung selbst, ihren Prüfstein oder ihren Stein des Anstoßes, ihr skandalon selbst finden würde. Dieser Skandal ist das Thema [sujet] dieses Seminars, das mutmaßliche, aber vielleicht unauffindbare Thema dieses Seminars. Man wäre, ohne dass dies die schreckliche Sache, die uns beschäftigt, im Geringsten erleichtern oder entdramatisieren würde, oft versucht zu sagen: Die Todesstrafe existiert nicht, niemand ist ihr wirklich unterworfen, niemand ist ein Subjekt nach ihrem Maße, es gibt kein Subjekt, das heißt kein der Todesstrafe gegenwärtiges Subjekt. Niemand erleidet die Todesstrafe. Einmal hingerichtet, verschwindet der Verurteilte, noch bevor er eine wie auch immer geartete Strafe bezahlt. Das Rechtssubjekt, das Subjekt der Bestrafung, wird beseitigt [supprimé] und nicht aufgehoben [relevé]. Weit davon entfernt, irgendjemanden mit diesem den Namen oder Übernamen ‚Todesstrafe‘ tragenden Effekt zu trösten oder zu versöhnen, intensiviert diese Beseitigung, dieses Ungreifbar- oder Unspürbar-Werden des Moments oder der Instanz der Hinrichtung, was einem Taschenspielertrick ähneln würde (plötzlich erleidet niemand die Todesstrafe, niemand kann sie erleiden), weit davon entfernt, die Dinge abzuschwächen oder abzumildern, intensiviert all dies im Gegenteil die Dringlichkeit oder die Monstrosität der Sache42. Die Todesstrafe würde nicht existieren,