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wurde er am 23. Mai 1498 mit zwei weiteren Ordensbrüdern öffentlich degradiert, gehängt und auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

      Der Maler Sandro Botticelli gab der allgemeinen Stimmung um die Jahrhundertwende Ausdruck, als er sein Gemälde Anbetung des Kindes mit einer apokalyptischen Prophezeiung versah und auf einer Inschrift festhielt, er habe das Bild in den gegenwärtigen „Wirren“ gemalt. Savonarolas Erbe war eine politische Polarisierung und ein hasserfülltes Misstrauen innerhalb der Bürgerschaft. Die piagnoni (die Weinerlichen), die Regierenden zur Zeit des Bußpredigers, mussten nach dem Tod ihres geistigen Führers widerwillig ihre politischen Ämter den Gegnern überlassen. Jene arrabiati (die Wütenden), wie die Widersacher Savonarolas hießen, zogen gegen die Bewunderer des Predigers offen zu Felde. Dann waren da noch die palleschi, die Anhänger der Medici. Obwohl sie 1494 vertrieben worden waren, befanden sich noch immer zahlreiche Unterstützer der Familie in der Stadt. Die exilierten Medici warteten nur auf ihre Chance, in Florenz wieder an die Macht zu gelangen. Zu den politischen Wirren kamen in zunehmendem Maß wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die für die Arnostadt wichtige Textilindustrie bekam immer stärkere Konkurrenz aus England, Frankreich und Flandern. Ständige Kriege führten dazu, dass die Gesamtwirtschaft stagnierte. Selbst der berühmte Finanz- und Bankensektor hatte an Bedeutung verloren.

      Es gärte buchstäblich in Florenz. Die Signoria, das republikanische Parlament, für viele Florentiner der Lauheit verdächtig, sah sich gezwungen Exempel zu statuieren. Der Apotheker Luca Landucci schrieb in sein Tagebuch, dass am 29. Dezember 1500, wenige Wochen nach Cellinis Geburt, zwei Männer geköpft wurden, weil sie sich der Signoria widersetzt hätten.1 Wenige Tage später, am 14. Januar, griffen junge Männer Mitarbeiter des Podestà an. Zwei Wachmänner starben. Besonders die arrabiati waren in Aufruhr.

      In seiner Lebensbeschreibung geht Cellini auf einen Vorfall ein, der zeigen soll, wie einflussreich die Anhänger Savonarolas noch fünfundzwanzig Jahre nach dessen Hinrichtung in den städtischen Gremien waren. Als Cellini 1523 nach einer gewaltsamen Auseinandersetzung zum Tod verurteilt wurde, seien es vor allem die arronzinati cappuccetti (die umgebogenen Kappen) – wie man nun die ehemaligen Anhänger Savonarolas nannte – unter den Richtern gewesen, die die Todesstrafe verhängt hätten. Cellinis despektierlicher Tonfall ihnen gegenüber, ja sein gesamtes Sündenregister, das von Mehrfachmord, Körperverletzung, Unzucht mit Minderjährigen bis zum Vorwurf des Diebstahls von Kirchenbesitz reicht, zeigt, dass er mit Savonarolas Moralvorstellungen wenig anfangen konnte – und dies, obwohl er später selbst für zwei Jahre die niederen Weihen annahm. Der Bußprediger hatte mit seinem moralischen Feldzug gegen nahezu alles gekämpft, was Cellini den Zeitgenossen gegenüber verkörperte, etwa seine Gewalttätigkeit und Sinnenfreudigkeit, die exzentrische Selbstgefälligkeit, die Lust am Wettspiel oder Cellinis Bekenntnis zur Männerliebe. In Rom beschäftigte Cellini sich später mit okkulter Literatur und unterstützte den bisexuellen Dichter Luigi Pulci, den Enkel des gleichnamigen Morgante-Verfassers, dessen Epos Savonarola verbrennen ließ. Selbst an Cellinis Lebensbeschreibung hätte Savonarola Anstoß genommen, kollidierte autobiografisches Schreiben und damit das Streben nach Ruhm doch mit dem christlichen Demutsideal. Letztlich waren die Anhänger Savonarolas für Cellini aber nur ein geringes Problem. Ihrem Rigorismus entzog er sich durch Flucht. Cellini gelang es, in schwierigen Zeiten einundsiebzig Jahre alt zu werden, ungeachtet der Tatsache, dass er in seinem Leben mit den unterschiedlichsten politischen Kräftekonstellationen und Gefahren konfrontiert wurde. Der Florentiner hatte viele Feinde. Er arbeitete für die Medici und verkehrte gleichzeitig mit deren Kontrahenten. Cellini kämpfte als Soldat gegen die Truppen Kaiser Karls V. und duellierte sich. In einer Zeit, in der Gewalt zur Ökonomie des Daseins gehörte, wurden auch auf ihn Mordanschläge verübt. Cellini unternahm einen tollkühnen Fluchtversuch aus der Engelsburg, bei dem er sich schwer verletzte, ganz zu schweigen von gewaltsamen Auseinandersetzungen, Gefängnisaufenthalten, Prozessen, existenziellen Anfeindungen und Krankheiten. Cellini zeigt sich in seiner Lebensbeschreibung tief verwundert, dass er bei all dem „Leid“, das ihm widerfahren war, überhaupt ein so hohes Alter erreichen konnte. Er hatte allen Grund dazu, auch wenn sein Leid oft daraus resultierte, dass er anderen ein solches zufügte.

      Die Vorfahren

      Er sei von bescheidener Herkunft, bemerkt Cellini. Dabei rechnet er sich zu großer Ehre an, seiner Familie Ruhm verschafft zu haben. Ursprünglich stamme seine Sippe von dem römischen Hauptmann Fiorino da Cellino ab, der unter Julius Cäsar tapfer diente. Dieser Fiorino sei niemand Geringerer als der Namensgeber der Stadt Florenz.

      Mit sinnlicher Kraft und Leidenschaft beginnt Cellini seine Lebensbeschreibung,2 von seiner Fantasie mitgerissen und mit gehöriger Großsprecherei. Als Leser historischer Schriften weiß er, dass Städte häufig nach dem Namen ihres Gründers benannt wurden, von Konstantinopel bis Pienza, und so beansprucht er den klingenden Städtenamen Fi(o)renze für seine Familie, um den durch Taten erlangten Wert seiner Sippschaft unter Beweis zu stellen. Dass er überdies aus einer alten Familie kommt und eine Verbindung zur Antike herstellen kann, adelt ihn im Selbstverständnis seiner Mitbürger zusätzlich.

      Fiorino da Cellino, ursprünglich aus der Nähe von Bolsena stammend, habe sein Lager unterhalb von Fiesole am Fluss Arno aufgeschlagen, an dem heute Florenz liegt. Einschränkend fügt Cellini hinzu, dass an jenem Ort auch eine Überfülle an Blumen (fiori) wuchs. Der Stadtgründer Cäsar habe sich bei der Namensgebung sowohl von den schönen Blumen als auch vom Namen des Hauptmanns inspirieren lassen, dem er sehr gewogen war. Den möglichen Einwand etymologisch geschulter Humanisten, die Stadt verdanke ihren Namen der Lage am Lauf des Arno, abgeleitet von fluentia, entkräftet Cellini mit einem entwaffnenden Beweisschluss: „Denn Rom liegt am Lauf des Tiber, Ferrara an dem des Po […] und Paris an der Seine, und trotzdem haben sie ganz verschiedene Namen, zu denen sie auf anderem Weg gekommen sind.“

      Man kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen, dass ein Fiorino da Cellino jemals gelebt hat, geschweige denn, dass Florenz nach ihm benannt wurde.3 Genealogische Hochstapelei war unter den Bildhauern und Malern der Arnostadt aber durchaus verbreitet, nicht zuletzt weil sie seit Generationen versuchten, sich vom traditionellen Milieu des Handwerks zu lösen und das Ansehen der freien Künste zu erlangen. Cellini verfuhr bei der Stilisierung seines Stammbaums sogar moderat im Vergleich mit anderen. Der von ihm hochverehrte Michelangelo diktierte seinem Biografen, er stamme von den Grafen von Canossa ab, und Cellinis Erzfeind, der Bildhauer Baccio Bandinelli, gab an, er entstamme dem Sieneser Grafengeschlecht der Bandini, dem auch Papst Alexander III. angehörte. Was Cellini dem Leser mit den Mitteln der Mystifizierung und der Aura des Außergewöhnlichen sagen will, ist, dass sich mit ihm, dem jüngsten Stammhalter, und Cellino, der am Anfang steht, ein Kreis schließt. Beiden gelang es, durch ihre Taten Ruhm zu erlangen und mit den mächtigsten Herrschern ihrer Zeit zu verkehren, der eine mit Julius Cäsar, der andere mit Päpsten, Herzögen, einem Kaiser und einem König.

      Die Cellinis waren typische Angehörige des popolo minuto, der Florentiner Mittelschicht. Ursprünglich stammten sie aus dem zwischen Siena und Arezzo gelegenen Val d’Ambra. Der erste durch Archivalien nachweisbare Vertreter in Florenz ist Benvenutos Urgroßvater Cristofano, der aus dem Ambratal in die Arnostadt übersiedelte. 1487 wird dessen Sohn Andrea im Katasteramt der Stadt als „Maurer“ bezeichnet.4 Cellini hingegen schreibt, sein Großvater Andrea lebte von der Architektur. Diese vermeintliche Nobilitierung eines Maurers muss nicht der Selbsterhöhung Cellinis geschuldet sein. Es gab damals keine klar umrissene Ausbildung zum Architekten. Andrea war wohl in beiden Bereichen, dem praktischen wie dem theoretischen, als Baumeister tätig. Mit ihm jedenfalls entwuchs der Familienstammbaum seinen ländlichen Ursprüngen. Andreas Sohn Giovanni, Benvenutos Vater, interessierte sich dann ebenfalls für die Architektur. Doch bereits in jungen Jahren entflammte er für die Musik, eine Leidenschaft, unter der Benvenuto Cellini sehr zu leiden hatte.

      Ein ehrgeiziger Vater

      Es ist der Wunsch der meisten Väter: Der Sohn möge einmal ein zufriedenstellendes Auskommen haben, das ihm ein sorgenfreies Leben ermöglicht. Auch Giovanni Cellini hegte diesen Wunsch für seinen Sohn Benvenuto und betrieb dessen Realisierung nachdrücklich.

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