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die Beziehung, in der das Gedichtete der beiden Gedichte steht. An dieser Stelle erst ist nun die Betrachtung der dritten, mittleren Strophe möglich geworden. Offenbar ist, daß der Tod in der Gestalt der »Einkehr« in die Mitte der Dichtung versetzt wurde, daß in dieser Mitte der Ursprung des Gesanges ist, als des Inbegriffs aller Funktionen, daß hier die Ideen der »Kunst«, des »Wahren« entspringen als Ausdruck der beruhenden Einheit. Was über die Aufhebung der Ordnung von Sterblichen und Himmlischen gesagt war, erscheint in diesem Zusammenhang völlig gesichert. Zu vermuten ist, daß die Worte »ein einsam Wild« die Menschen bezeichnen und dies stimmt sehr wohl zu dem Titel dieses Gedichtes. »Blödigkeit« – ist nun die eigentliche Haltung des Dichters geworden. In die Mitte des Lebens versetzt, bleibt ihm nichts, als das reglose Dasein, die völlige Passivität, die das Wesen des Mutigen ist; als sich ganz hinzugeben der Beziehung. Sie geht von ihm aus und auf ihn zurück. So ergreift der Gesang die Lebendigen und so sind sie ihm bekannt – nicht mehr verwandt. Dichter und Gesang sind im Kosmos des Gedichts nicht unterschieden. Er ist nichts als Grenze gegen das Leben, die Indifferenz, umgeben von den ungeheuren sinnlichen Mächten und der Idee, die in sich sein Gesetz bewahren. Wie sehr er die unberührbare Mitte aller Beziehung bedeutet, enthalten die beiden letzten Verse am mächtigsten. Die Himmlischen sind zu Zeichen des unendlichen Lebens geworden, das aber gegen ihn begrenzt ist: »und von den Himmlischen | Einen bringen. Doch selber | Bringen schickliche Hände wir.« So ist der Dichter nicht mehr als Gestalt gesehen, sondern allein noch als Prinzip der Gestalt, Begrenzendes, auch seinen eignen Körper noch Tragendes. Er bringt seine Hände – und die Himmlischen. Die eindringliche Zäsur dieser Stelle ergibt den Abstand, den der Dichter vor aller Gestalt und der Welt haben soll, als ihre Einheit. Der Aufbau des Gedichts ist ein Beweis der Einsicht dieser Schillerschen Worte: »Darin … besteht das eigentliche Kunstgeheimnis des Meisters, daß er den Stoff durch die Form vertilgt … Das Gemüt des Zuschauers und Zuhörers muß völlig frei und unverletzt bleiben, es muß aus dem Zauberkreise des Künstlers rein und vollkommen wie aus den Händen des Schöpfers gehn.«

      Absichtlich war im Laufe der Untersuchung das Wort »Nüchternheit« vermieden worden, das so oft zur Charakteristik nahe gelegen hätte. Denn erst jetzt sollen Hölderlins Worte von dem »heilig nüchternen« genannt sein, deren Verständnis nun bestimmt ist. Man hat bemerkt, daß diese Worte die Tendenz seiner späten Schöpfungen enthalten. Sie entspringen der innigen Sicherheit, mit der diese im eignen geistigen Leben stehen, in dem nun die Nüchternheit erlaubt, geboten, ist, weil es in sich heilig ist, jenseits aller Erhebung im Erhabnen steht. Ist dieses Leben noch das des Griechentums? So wenig ist es das, wie das Leben eines reinen Kunstwerks überhaupt das eines Volkes sein kann, so wenig wie es das eines Individuums ist und keines als sein eignes, das wir im Gedichteten finden. Dies Leben ist in Formen des griechischen Mythos gebildet, aber – das ist entscheidend – nicht in ihnen allein; gerade das griechische Element ist in der letzten Fassung aufgehoben und ausgeglichen gegen ein andres, das (zwar ohne ausdrückliche Rechtfertigung) das orientalische genannt war. Fast alle Änderungen der spätem Fassung streben in dieser Richtung, in den Bildern wie auch in der Einführung der Ideen und endlich einer neuen Bedeutung des Todes, die alle gegen die in sich ruhende geformt begrenzte Erscheinung sich als unbegrenzte erheben. Daß hierin, vielleicht nicht nur für die Erkenntnis Hölderlins, eine entscheidende Frage sich verbirgt, kann in diesem Zusammenhang nicht erwiesen werden. Die Betrachtung des Gedichteten aber führt nicht auf den Mythos, sondern – in den größten Schöpfungen – nur auf die mythischen Verbundenheiten, die im Kunstwerk zu einziger unmythologischer und unmythischer, uns näher nicht begreiflicher Gestalt geformt sind.

      Aber gäbe es ein Wort, das Verhältnis jenes innern Lebens, aus dem das letzte Gedicht entsprang, zum Mythos zu erfassen, so wäre es jenes Hölderlinsche – einer noch spätem Zeit als dies Gedicht angehörig – »Die Sagen, die der Erde sich entfernen, | … | Sie kehren zu der Menschheit sich«.

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      Gespräch über die Phantasie

      1914/5

      Grete Rüdt gewidmet

      margarethe Es ist früh am Morgen, ich fürchtete dich zu stören. Und doch konnte ich nicht warten. Ich will dir einen Traum erzählen, ehe er verblaßt ist.

      georg Wie ich mich freue, wenn du am Morgen zu mir kommst – weil ich dann ganz mit meinen Bildern allein bin und dich gar nicht erwarte. Du bist durch den Regen gegangen, das hat dich erfrischt. Nun erzähle.

      margarethe Georg – ich sehe, daß ich es nicht kann. Ein Traum läßt sich nicht sagen.

      georg Aber was hast du geträumt? – War es schön oder furchtbar? War es ein Erlebnis? und mit mir?

      margarethe Nichts, nichts davon. Es war ganz einfach. Es war eine Landschaft. Aber sie glühte in Farben; ich habe solche Farben noch niemals gesehen. Auch die Maler kennen sie nicht.

      georg Es waren die Farben der Phantasie, Margarethe.

      margarethe Die Farben der Phantasie, so war es. Die Landschaft schimmerte in ihnen. Jeder Berg, jeder Baum, die Blätter: sie hatten unendlich viele Farben in sich. Ja unendlich viele Landschaften. Als belebte sich die Natur selbst in tausendfachem Eingeboren-Sein.

      georg Ich kenne diese Bilder der Phantasie. Ich glaube, daß sie in mir stehen, wenn ich male. Ich mische die Farben und ich sehe dann nichts als Farbe. Fast sagte ich: ich bin Farbe.

      margarethe So war es im Traum, ich war nichts als Sehen. Alle anderen Sinne waren vergessen, verschwunden. Auch ich selbst war nicht, nicht mein Verstand, der die Dinge aus den Bildern der Sinne erschließt. Ich war keine Sehende, ich war nur Sehen. Und was ich sah, waren nicht Dinge, Georg, nur Farben. Und ich selbst war gefärbt in dieser Landschaft.

      georg Es ist wie ein Rausch, was du beschreibst. Erinnere dich, was ich dir von jenem seltnen und köstlichen Gefühl der Trunkenheit erzählte, das ich aus früheren Zeiten kenne. Ich fühlte mich ganz leicht in diesen Stunden. Von allem nahm ich nur das wahr, wodurch ich in den Dingen war: ihre Eigenschaften, durch die ich sie durchdrang. Ich war selbst Eigenschaft der Welt und schwebte über ihr. Sie war von mir erfüllt wie von Farbe.

      margarethe Warum fand ich in den Bildern der Maler nie die glühenden, reinen Farben, die Farben des Traumes? Denn woher sie entspringen: die Phantasie, und die du dem Rausche vergleichst – das reine Aufnehmen im Selbstvergessen, das ist die Seele des Künstlers. Und Phantasie ist das innerste Wesen der Kunst, nie sah ich das klarer.

      georg Wenn sie die Seele des Künstlers wäre, ist sie darum noch nicht das Wesen der Kunst. Die Kunst schafft. Und sie schafft gegenständlich, das heißt mit Beziehung auf die reinen Formen der Natur. Bedenke wohl – und oft hast du es mit mir bedacht –: auf die Formen. Sie schafft nach einem unendlichen Kanon, der unendliche Schönheitsformen begründet. Es sind Formen, sie ruhen alle in der Form, in der Beziehung auf Natur.

      margarethe Willst du sagen, daß die Kunst die Natur nachbildet?

      georg Du weißt, daß ich so nicht denke. Es ist wahr, der Künstler will immer nur die Natur im Grunde erfassen, er will sie rein aufnehmen, förmlich erkennen. Aber im Kanon ruhen die innern, die schaffenden Formen des Empfangens. Betrachte die Malerei. Sie geht nicht von der Phantasie, von der Farbe aus, sondern vom Geistigen, Schöpferischen, von der Form. Ihre Form ist, den lebendigen Raum zu erfassen. Nach einem Prinzip ihn zu konstruieren; denn das Lebendige ist nicht aufzunehmen außer durch Zeugung. Das Prinzip ist ihr Kanon. Und so oft ich darüber nachdachte, fand ich, das sei für die Malerei die Raumunendlichkeit – so wie für die Plastik die Raumdimension. Nicht die Farbe ist das Wesen der Malerei, sondern die Fläche. In ihr, in der Tiefe, lebt der Raum seiner Unendlichkeit nach. In der Fläche entfaltet sich das Dasein der Dinge zum Raum, nicht eigentlich in ihm. Und die Farbe ist erst die Konzentration der Fläche, die Einbildung der Unendlichkeit in sie. Die reine Farbe ist selbst unendlich, aber in der Malerei erscheint nur ihr Abglanz.

      margarethe Wodurch unterscheiden sich die Farben des Malers von denen der Phantasie? Und ist nicht die Phantasie der Urquell der Farbe?

      georg Das ist sie, obgleich

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