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der Tür.

      Hannah brauchte exakt sieben Minuten, um den Wohnturm im Stadtteil Ehrenfeld zu verlassen, über die kurze Einkaufsmeile davor zu eilen und die SkyFly Base in der Körnerstraße zu erreichen. Als sie den großen Torbogen durchschritt, der die Flugsteige von den Außenbereichen der Station trennte, vibrierte das Kommunikationsmodul ihres Multifunktionsarmbands, das sie wie immer am linken Handgelenk trug. Diesmal war ihr die Anruferin wohlbekannt.

      »Hannah!«, hörte sie die schrille Stimme von Miku Torishima im Ohr, kaum dass sie die Komverbindung mit einem Krümmen des Zeigefingers bestätigt hatte. »Wo bist du? Askarov hat schon zweimal nach dir gefragt ... und beim zweiten Mal kam Rauch aus seinen Nüstern!«

      »Bin unterwegs«, antwortete Hannah gepresst. »Ich hab ... verpennt. Und ja, ich weiß, wie wichtig unser Termin ist! Es tut mir leid. Was soll ich sonst sagen?«

      Miku schwieg. Allerdings konnte Hannah ihr abgehacktes Keuchen hören. Immer wenn ihre japanische Forschungsassistentin sich aufregte, bekam sie Schnappatmung.

      Da in diesem Moment ein kurzer Warnton die Ankunft des Skybusses ankündigte und das Prallfeld, das die Einstiegszone schützte, zweimal rot aufleuchtete, unterbrach Hannah die Komverbindung einfach, obwohl sie wusste, dass dies Miku nur noch mehr in Aufregung versetzen würde.

      Warum soll ich heute Morgen die Einzige sein, der die Nerven flattern?, dachte sie – und schämte sich sofort dafür.

      Ihre Assistentin war ebenso feinfühlig wie leicht aus der Fassung zu bringen; vor allem aber war sie überdurchschnittlich zuverlässig und kompetent. Ohne Mikus tatkräftige Mithilfe bei der Recherche und Reinschrift hätte Hannah ihr letztes Blogxikon niemals rechtzeitig zu dem Termin beendet, den sie mit dem Verlag vereinbart hatte. Nein, Miku hatte Besseres verdient als eine schlecht gelaunte und unsensible Chefin. Sie würde sich später bei ihr entschuldigen.

      Der Skybus senkte sich aus einem leicht bewölkten Himmel auf die Landeplattform herab. Eine Handvoll Fahrgäste verließ das plump wirkende Fahrzeug über eine Rampe und verschwand auf der anderen Seite des Flugsteigs durch die gekennzeichneten Ausgänge. Dann leuchtete das Prallfeld in hellem Grün auf ... und verschwand.

      Gemeinsam mit etwa einem Dutzend anderer Personen bestieg Hannah den Skybus und suchte sich einen Sitzplatz im vorderen Bereich der Passagierkabine. Schräg gegenüber fiel ihr eine Frau mit langen, weißen Haaren und fast weißer Haut auf, die sie kurz mit rötlich schimmernden Augen musterte und sich dann wieder ihrem Multifunktionsarmband zuwandte.

      Eine Arkonidin, dachte Hannah. Sie wusste, dass es in Köln-Zollstock eine kleine Kolonie der Außerirdischen gab. Die Fremden aus dem fernen Kugelsternhaufen M 13 hatten die Erde im Jahr 2037 für gut sechs Monate besetzt und kurzerhand zu einem Protektorat ihres Großen Imperiums deklariert. Nach dem Ende der Besatzung waren rund zehntausend von ihnen zurückgeblieben. Die meisten lebten in Terrania, der Riesenmetropole in der Wüste Gobi, der Hauptstadt der Terranischen Union. Allerdings hatten sich einige auch in andere Städte überall auf dem Globus verteilt.

      Hannah musste sich zwingen, die Unbekannte nicht anzustarren. In Terrania mit seinen 150 Millionen Einwohnern mochte eine Arkonidin ein alltäglicher Anblick sein. In einer Drei-Millionen-Stadt wie Köln war sie es nicht.

      Der Skybus hob ab und schwang sich sanft in die Luft. Dabei blieben die spürbaren Erschütterungen dank modernster Leit- und Stabilisierungstechnik minimal. Hannah hatte keine Flugangst; trotzdem beschlich sie jedes Mal, wenn sie mit SkyFly unterwegs war, ein unangenehmes Gefühl, das sich rational nicht erklären ließ.

      Wenn Gott gewollt hätte, dass Menschen fliegen, hätte er ihnen Flügel gegeben. Sie wusste nicht, wer das zum ersten Mal gesagt hatte, aber das Zitat fasste das Thema ziemlich gut zusammen.

      Kurz überlegte sie, ob sie Miku zurückrufen und sich nach dem Stand der Dinge erkundigen sollte, ließ es dann aber sein. In zehn Minuten würde sie an der Haltestelle Albertus-Magnus-Platz sein. Von da waren es nur ein paar Hundert Meter durch den Park bis zur Kölner Hochschule für extraterrestrische Geschichte und vergleichende Kulturhistorik. So lange würde sie sich bezähmen. Ein weiteres Gespräch mit ihrer übernervösen Assistentin würde sie nur noch kribbliger machen, als sie es ohnehin schon war.

      Auf ihrer rechten Seite tauchte der Dom auf – nun deutlich größer, als sie ihn von ihrem Apartment aus sehen konnte. Die im gotischen Stil gehaltene Kathedrale war weltberühmt. Es hatte 632 Jahre gedauert – von 1248 bis 1880 –, bis die gewaltige Kirche endlich fertig geworden war. Dann hatten die beim Bau verwendeten, ungewöhnlich vielen Steinsorten angefangen zu verwittern, und die Metalldübel welche die zahlreichen Türmchen und Figuren an der Fassade verankerten, waren aufgrund von Rost immer wieder ausgebrochen. Erst im Jahr 2080 hatten die Restaurierungsarbeiten abgeschlossen werden können. Ein Expertenteam der Terranischen Union hatte mit modernster Technik dafür gesorgt, dass das berühmte Gotteshaus seither zum ersten Mal nach über hundert Jahren ohne Baugerüste, Abdeckfolien und Stützgitter zu bewundern war.

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      Illustration: Dirk Schulz

      Hannah musste lächeln. In Köln gab es ein Sprichwort. Es lautete: »Wenn der Dom fertig ist, geht die Welt unter.« Zum Glück hatte sich das als falsch erwiesen. Der Dom war fertig – und die Welt gab es immer noch.

      Unter Hannah glitzerte der Rhein in der Morgensonne. Der Skybus fädelte sich in eine der Spuren der Deutzer Sternenbrücke mit ihren schillernden Regenbogenpfeilern ein und bog dann in einer scharfen Kurve nach Westen ab. Die Glasfassaden und Bürotürme im Zentrum kippten nach hinten weg. Vor ihr lagen nun die mit Grünanlagen und kleinen Seen gesprenkelten Außenbezirke.

      In der Ferne war die Senk zu erkennen, ein zweihundert Meter durchmessender Krater, den die Invasion der Sitarakh im Jahr 2051 der Stadt als schauriges Souvenir hinterlassen hatte. Dort war ein Krahl abgestürzt, eins der an Blumentöpfe erinnernden Beiboote dieser seltsamen Wesen, und hatte verheerende Schäden angerichtet. Später war der Ort als Gedenkstätte ausgebaut worden. Hannah war damals noch ein Kind gewesen. Ihre Erinnerung an diese Zeit war verschwommen.

      Der Name Senk – im kölschen Dialekt das Wort für Abfallgrube – hatte sich im Volksmund schnell etabliert. Wie mit so vielen Kümmernissen des Lebens war der in diesem Teil Deutschlands verbreitete Menschenschlag auch mit den diversen Katastrophen, welche die Erde in den zurückliegenden fünfundfünfzig Jahren heimgesucht hatten, sehr pragmatisch umgegangen.

      »Albertus-Magnus-Platz«, verkündete die geschlechtslose Stimme des Robotpiloten. Der Skybus verlor schnell an Höhe und landete auf einem markierten Feld inmitten einer blühenden Gartenlandschaft.

      Hannah erhob sich. Sie warf der Arkonidin einen letzten Blick zu.

      Draußen war es warm. Die Sonne hatte nicht lange gebraucht, um die Kühle der Nacht zu vertreiben und sich durchzusetzen. Während der vergangenen Tage hatte es der beginnende Frühling besonders gut gemeint, und in zwei Stunden würde auf dem Fakultätsgelände eine brütende Hitze herrschen.

      Hannah brauchte knapp fünf Minuten, um den Haupteingang der Universität zu erreichen. Da und dort nickten ihr unterwegs einige Studierende freundlich zu. Hannahs Vorlesungen gehörten zwar nicht zum verpflichtenden Lehrplan, waren aber trotzdem stets gut besucht.

      Als der Aufzug im vierten Stockwerk des Verwaltungstrakts hielt und Hannah in den weiß getäfelten Ringkorridor entließ, erwartete Miku Torishima sie bereits. Die zierliche Japanerin trug wie meist ein bunt gemustertes Kleid, weiße Rüschensöckchen und Turnschuhe. Die langen, schwarzen Haare hatte sie mit einem roten Tuch zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Sie sah aus wie eine vierzehnjährige Schülerin, obwohl sie die Dreißig schon lange überschritten hatte.

      »Endlich!«, rief Miku halb vorwurfsvoll, halb erleichtert. »Alle sind schon da. Und dass Askarov tobt, muss ich dir wohl nicht sagen. Er hat in einer Viertelstunde einen Anschlusstermin ...«

      Hannah seufzte. Ein Blick auf ihr Multifunktionsarmband machte ihr klar, dass sie fast dreißig Minuten zu spät war. In den Augen des als überkorrekt bekannten Institutsleiters war das

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