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Stöhnen, kam aus dem Gebüsch.

      Der Häuptling legte sich auf den Boden, kroch durch die Manzanitas und Stachelgewächse, stieß auf einen ausgetrockneten Bach, der wohl nur in der Regenzeit Wasser führte, und schob mit der Hand weitere Zweige zur Seite.

      Eine Lichtung lag vor ihm. Sonnendurchglüht, war sie der Tummelplatz von Eidechsen und anderen kleinen Reptilien. Auf einem Stein lag zusammengerollt eine Klapperschlange. Nichts rührte sich.

      Da, wieder jenes kurze Wimmern, in dem alle Qualen eines Menschen vereinigt waren.

      Cochise dachte an die Padres, die damals hier irgendwo ihr Leben hatten aushauchen müssen. Und als er sich vorstellte, wie seine Vorfahren die frommen Männer gepeinigt hatten, sträubten sich seine Nackenhaare.

      Stöhnten die Seelen dieser Gemarterten?

      Ein neuer Laut rauschte über seinem Kopf. Er sah hoch. Eine Eule, ein riesiges Tier, von irgend etwas aufgeschreckt, flog mit klatschendem Flügelschlag über ihn hinweg.

      Nicht viel hätte gefehlt, und Cochise wäre aufgesprungen und geflohen. Bú, die Eule, der Bote aus der Götterwelt, erfüllte jeden Indianer mit Entsetzen, wenn sich ihr Erscheinen auf einen Toten oder etwas Unerklärliches bezog.

      Der Klageruf ertönte wieder. Unverkennbar waren es menschliche Laute und keine Seufzer aus dem Totenreich. Cochise kroch weiter. Er verdrängte seinen Aberglauben, drang tiefer in das Gestrüpp ein und stieß auf eine weitere Lichtung.

      Hier wurden die Klagelaute überdeutlich. Etwas Weißes, Helles lag im Gras, bewegte sich aber nicht. Cochise blickte zum Himmel, sah die Eule nicht mehr und faßte neuen Mut.

      Gegen jeden Feind wäre er angetreten, nur mit einem Messer in der Faust, aber mit den Geistern aus dem Totenreich war das eine ganz andere Sache. Geistern ging man aus dem Weg, wie Bergdämonen, denn sie brachten letzten Endes einem Indianer nur Unglück.

      Der Häuptling lag am Boden, konzentrierte sich auf den hellen Fleck und wartete auf einen weiteren Laut. Der kam. Langsam und wachsam schob er seinen Körper weiter vor. Wie eine Schlange bewegte sich der Apache dem Hellen und Undefinierbaren zu.

      Je weiter er vordrang, desto lichter wurde das Gras. Schließlich erkannte er, um was es sich handelte. Ein nackter Mann lag am Boden, die Arme weit ausgestreckt, auch die Beine. Er war ein Weißer.

      Cochise warf noch einen vorsichtigen Blick in die Runde, sah im Hintergrund des Tales das einfache Blockhaus, er sah die stählernen Fangeisen, die Fuchs- und Wolfsfallen, das viele Gerät, das man braucht, um Pelztiere zu fangen.

      Er sprang auf die Beine und stand vor dem Mann. Der war bärtig, nicht mehr jung, und er war splitternackt. Jemand hatte ihn nach Indianerart am Boden festgenagelt.

      Als der Schatten eines Menschen über den Gemarterten fiel, schlug er die Augen auf und starrte Cochise an. Verwaschene blaue Augen, vom Alter und den Schmerzen getrübt.

      Der Häuptling ließ sich auf die Knie nieder, riß mit einem einzigen Ruck den Pflock aus der rechten Hand. Der Mann schrie und wurde ohnmächtig. Bald war auch der andere Pflock beseitigt.

      Bei den Füßen wurde es schwieriger. Der hohe Spann hielt die zähen Pflöcke unbeweglich fest. Ein Glück, daß der Fallensteller das Bewußtsein verloren hatte, vermutlich hätte er die Schmerzen sonst nicht ausgehalten.

      Cochise machte einen weiteren Versuch. Da gelang es ihm, den Pflock im Erdreich zu lockern. Blut sickerte aus der Wunde und färbte seine Hände rot. Mit der ganzen Kraft seines starken Körpers riß er den Pflock aus dem Fuß und warf ihn zur Seite.

      Beim anderen Fuß ging es etwas schneller. Cochise stand auf, eilte durch das Dickicht zu seinem Pferd, nahm es beim Hanfzügel und zerrte es durch den Buschgürtel zur Lichtung.

      Als er den Trapper so liegen sah, hatte er zwar kein besonders großes Mitleid mit der geschundenen Kreatur, aber er fragte sich, wer das getan haben könnte. Indianer – ja, das war ihm klar. Aber welche?

      Er nahm den prallen Ziegenbalg vom Pferderücken, öffnete ihn und träufelte dem Ohnmächtigen etwas Wasser zwischen die borkigen Lippen. Der Fallensteller schlug die Augen auf und seufzte.

      Cochise stellte sich vor ihn und fragte: »Wer hat das getan?«

      »Mimbrenjos, fünf.« Er hob fünf Finger, ließ die Hand geschwächt wieder sinken.

      Der Häuptling hatte es sich gedacht. Was fing er nun mit dem Weißen an? Mitnehmen konnte er ihn nicht, allein in der Sonnenglut liegen lassen auch nicht.

      Er ging zu Hütte hinüber und trat ein. Ein ganz armseliges Lager im Hintergrund, ein selbstgezimmerter Schrank, ein wackliger Tisch und zwei Holzbänke waren die ganze Einrichtung.

      Überall lagen aufgestapelte Felle, gut präpariert und verpackt.

      Cochise wunderte sich, warum die Mimbrenjos die Felle nicht mitgenommen hatten. Sie ließen bei ihren Raubzügen sonst auch nichts zurück, was sie gebrauchen konnten. Das tat kein Apache.

      Waren sie etwa gestört worden, ehe sie das Haus plündern und verschwinden konnten? Hastig trat Cochise wieder in den Türrahmen und suchte die Felsen ringsum ab. Zu sehen war nichts, auch nichts zu hören.

      Er ging zu dem gemarterten Mann zurück und warf ihm ein paar Kleidungsstücke hin, die er aus der Hütte mitgenommen hatte. Aber der Alte konnte sich nicht bewegen. Mit fragenden Blicken sah er zu dem Häuptling auf, er war aber scheinbar zu schwach, um seine Neugier mit Fragen zu stillen.

      »Hast du Feinde?« wollte Cochise wissen.

      Der Mann schüttelte den Kopf mit den zotteligen weißen Haaren.

      »Wie heißt du? Hast du einen Namen?«

      »Bill – Mader … Du bist Cochise?«

      »Du kennst mich?«

      »Ich – ich sah dich – vor ein paar – Jahren«, erwiderte der Alte mit etwas mehr Festigkeit in der Stimme.

      »Du bist ein Fallensteller?« fragte der Häuptling und kreuzte die Arme vor der Brust. »Weshalb haben dich die Mimbrenjos nicht beraubt?«

      »Sie sahen dich – über den Paß – kommen, Häuptling. Ich hörte, wie – wie sie deinen Namen nannten und – und dann aber eiligst wieder verschwanden.«

      Cochise sah klar. »Was fange ich mit dir an, weißer Mann? Ich muß zu meinem Volk zurück und kann mich nicht mit dir befassen.«

      »Bring mich in meine Hütte, Cochise. Wenn du das für mich tun willst, werde ich dir ewig dankbar sein.«

      Der Häuptling bückte sich, nahm den Alten auf seine Arme und trug ihn in die Hütte. Dort bettete er ihn auf das Lager mit dem dicken Bärenfell.

      »Du befindest dich auf meinem Land«, sagte Cochise, bevor er ging. »Du darfst aber weiter den Fuchs und die anderen Pelztiere jagen. Gibt es hier Wasser?«

      »Hinter der Hütte – ist eine – kleine Quelle. Im – im heißen Sommer versiegt – sie manchmal, aber das – das ist nur – von kurzer Dauer.«

      »Hast du ein Pferd?«

      »Einen Maulesel. Er steht – drüben – im Stall.«

      Cochise ging, verließ das Tal aber noch nicht. Zuerst besah er sich die Quelle, dann öffnete er die Tür zum Stall und warf dem Grautier Futter für die nächsten drei Tage vor. Auch einen Eimer mit Wasser stellte er vor die Raufe.

      Als er das Pony bestieg und den Pfad hinaufritt, blickte er noch einmal in das Tal. Es war ein ruhiges und fruchtbares Tal. Er wollte sich die Lage merken.

      *

      Der Mond war noch nicht aufgegangen. John Haggerty stand am Rande des großen dunklen Canyons. Er lauschte angestrengt, versuchte die Dunkelheit mit allen seinen Sinnen zu durchdringen. Weit hinter ihm hielt Miller die Pferde fest.

      Von den Apachen war auf dem ganzen Ritt hierher nichts zu sehen gewesen. Vielleicht belauerten sie die Soldaten bei

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