Скачать книгу

      Eigentlich hieß Ashanti ja Alois Amberger, aber seit er angeblich zwei Monate in einem indischen Ashram verbracht hatte, war er auf einmal Ashanti – obwohl er eigentlich auch ein echter Unterfilzbacher war. Loisl Amberger alias Ashanti kleidete sich seither nur noch in helle Leinenhosen und Leinenhemden. Sein graues Haar war schulterlang und leicht struppig. Aber auf Frauen mit dem gewissen Faible für Esoterik und ab Mitte 40 aufwärts übte Ashanti eine absolute Anziehung aus.

      Seine Kurse in der Volkshochschule, Zweigstelle Unterfilzbach, waren immer gut besucht, egal ob es Yoga, Reiki, Blockadenlösung, Meditation oder Kamasutra war.

      Richtig, Kamasutra unterrichtete Ashanti auch. Allerdings war der Kurs der indischen Liebeskunst sehr frauenlastig.

      Bettina wollte Hansi dazu schon seit Monaten überreden, aber er sträubte sich bisher konsequent dagegen. Sie versuchte wirklich alles, um ihn zu überzeugen. Letzten November hatte sich Hansis Frau viel Mühe gemacht und ihm einen Kamasutra-Adventskalender gebastelt. Wunderschön verziert, mit glänzenden Sternen und Christbäumen, sehr filigran, aus Goldfolie ausgeschnitten. Sie hatte sich dafür extra goldene Tinte für ihren Kalligrafie-Füller und einen goldenen Skizzierstift gekauft. Auf schwarzem Fotokarton waren 24 ausgewählte Kamasutra-Stellungen mit vielsagenden Namen wie »Der Brückenpfeiler«, »Der Patronengurt« oder »Der Schmetterling« zu sehen. Sofern man sie erkennen konnte, denn das war leider nicht ganz einfach. Bettina hatte wirklich Talent für Handarbeiten aller Art, wie zum Beispiel Socken stricken oder Mützen häkeln. Aber zeichnen? Das konnte sie nicht ganz so gut. Zumindest nicht so, dass man erkennen konnte, was sie denn genau darzustellen versuchte. Das abgebildete Paar war zumindest daran auseinanderzuhalten, dass der agierende Mann wohl eine Latzhose trug – oder diese manchmal auch nur noch halb am Körper hatte – und die beteiligte Frau eine wuschelige Kurzhaarfrisur à la Inka Bause aus Bettinas Lieblingssendung »Bauer sucht Frau«. Somit waren zwei wichtige Kennzeichen für Hansi beziehungsweise Bettina gegeben und man wusste zumindest, wer gemeint war. Aber die Stellungen selbst waren sehr kompliziert und durch diese Schwierigkeit wohl auch undeutlich in der Darstellung zu erkennen, es erinnerte teilweise eher an Schlangen als an Menschen. Diese Bilder und das damit verbundene sofort einsetzende Kopfkino, wie Hansi dabei seinen Körper verdrehen und biegen müsste, hatten ihn dann doch eher abgeschreckt als seine Kamasutra-Neugierde geweckt. Regelrechte Phantomschmerzen hatte er bei diesem Anblick gefühlt.

      Außerdem war Hansi schon ein wenig eingeschnappt gewesen, dass es Bettina wohl nicht nur um das gemeinsame aufregende Liebesspiel ging.

      Unter jeder einzelnen Übung war zu lesen, wie viele Kalorien der Mann dabei verbrauchen würde und sogar, welche Muskelpartien trainiert werden sollten. Wohlgemerkt, nur für den Mann!

      Es war Hansi natürlich bewusst, dass Bettina mit seinem wachsenden kleinen Bäuchlein nicht ganz so glücklich war. Aber dieses Bäuchlein hatte er ja immer schon. Und schließlich hatte sie ihn damit auch geheiratet. Dass so ein Bauchansatz im Alter manchmal wachsen konnte, war einfach der Lauf des Lebens, fand Hansi. Außerdem war er eigentlich ganz zufrieden mit seinem Liebesleben.

      Wenn man jedoch den Kalender so sah und vor allem das Gedicht auf der ersten Seite las, das Bettina eigens für ihn geschrieben hatte, hätte man fast vermuten können, sie wäre todunglücklich mit der ehelichen Sinnlichkeit im Hause Scharnagl.

      Als sie ihm den Kalender damals überreicht hatte, war Hansi anfangs wirklich sehr gerührt gewesen, bis er dann zu lesen angefangen hatte:

      

       Bärles »besonderer« Adventskalender

      Mein liebes kleines Bärle,

      wie du weißt, bin ich sehr ehrle'.

      Wir beide werden langsam immer reifer

      und bald nur noch die Gelenke steifer.

      Drum kam ich so ins Überlegen,

      vielleicht sollten wir uns mehr bewegen?

      Dein Bauch wird leider immer dicker,

      drum müssen wir künftig öfter …

      die Kinder wegschicka.

      Kamasutra könnten wir mal ausprobieren,

      dazu musst auch nicht groß studieren.

      Schlank und fit wirst dadurch werden,

      und an der Gicht ganz gewiss nicht sterben.

      G'sund ist es und tut die Libido inspirieren,

      gib dir an Ruck – es kann ja nix passieren.

      Vorher noch sauber dehnen und frisch duschen,

      dann können wir mal wieder so richtig schmusen.

      Auch andere Zeiten und Orte würd' ich gern wählen,

      dann müssten wir uns nicht sonntags nach dem Tatort »quälen«.

      Im KaufGut könnt ich ändern meine Schicht,

      nutzen wir doch mal das Tageslicht.

      Und versuchen wir mal andere Positionen,

      ich würd' so gern mal auf dir »thronen«.

      Fangen wir halt mit was Leichtem an,

      dann kannst du stehen deinen Mann.

      Drum sollst nun zum Advent an Kalender kriegen,

      musst dich halt jetzt a bisserl mehr verbiegen.

      Wir machen's auch nicht so schnell wie beim Ashanti,

      schließlich sind wir ja nicht »in flagranti«.

      Im Winter bist ja nachmittags öfter daheim,

      da hätten wir Zeit und wären allein.

      Dann möcht ich dir erst die Füße kraulen,

      und danach sollst dann so richtig jaulen.

       Eine schöne Adventszeit

       wünscht dir

       dein Zuckerschoaserl

      Mit jeder Zeile, die Hansi las, konnte er dieses ganze Kamasutra-Zeug und alle Inder gleich mit dazu immer weniger leiden. Er fühlte sich wirklich gekränkt.

      Bettina war bis dahin gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie ihren Mann damit getroffen hatte, aber er ließ es sie dann auch gleich spüren. Nicht, dass er was gesagt hätte, nein, aber was das Gezicke im Hause Scharnagl betraf, war Hansi ganz klar Spitzenreiter – noch weit vor seiner pubertierenden Tochter Indira und der Unterfilzbacher Stilikone Isabelle.

      Über Tage hinweg hatte Bettina damals ein schlechtes Gewissen gehabt. Und sich so auch mit ihrem Wunsch, Hansi möge sie doch einmal zum Unterfilzbacher Kamasutra-Kurs begleiten, einige Zeit lang sehr zurückgehalten. Es schien wohl auch mehreren Männern nicht ganz geheuer zu sein, was da in der Schulturnhalle veranstaltet wurde, denn es waren wirklich nur weibliche Kursteilnehmer, die mehr Schwung in ihr Erotikleben bringen wollten. Die ohnehin im katholischen Unterfilzbach lediglich möglichen »Trockenübungen« wurden also aufgrund fehlender männlicher Teilnehmer mit dem Tageslichtprojektor besser veranschaulicht. Allein das mit dem Projektor verstand Hansi ja schon nicht ganz. Wie sollte denn da eine rechte erotische Stimmung aufkommen? Das war ja, als ob der Wiggerl mal wieder erklärt hätte, wie und wo bei einer Straßensperrung wie viele Verkehrsschilder wann aufgestellt werden sollten. Aber gut, Hansi war da recht tolerant. Jeder, wie er wollte – solange Bettina sein Nein akzeptierte. Für ihn war das Thema Kamasutra auf jeden Fall bis auf Weiteres abgehakt.

      Für Bettina aber eben leider nicht, sie war Feuer und Flamme für den Loisl aus dem Ashram, wo immer dieser auch gewesen sein sollte. Damals hatte er eben sogar die Namensfindung des Scharnagl-Nesthäkchens beeinflusst, und von da an war er dem Hansi direkt unsympathisch gewesen. Als Bettina mit Indira schwanger war, erzählte Ashanti im Yoga-Kurs die Geschichte von Mahatma Gandhi, und davon war Bettina mehr als angetan, sowohl von der Lebensgeschichte

Скачать книгу