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holzzerstörender Pilze hat den Kontrollaufwand in der Baumkontrolle deutlich verändert (DUJESIEFKEN & GAISER 2014). Aufgrund dieser Tatsache ist der plötzliche Anstieg der Einträge im Baumkataster seit 2013 auf das veränderte Krankheitsbild der Komplexerkrankung und das erhöhte Gefahrenpotenzial zurückzuführen.

      Die Reaktion der Rosskastanien auf das Pathogen kann keinem bestimmten wiederkehrenden Muster zugeordnet werden und der Krankheitsverlauf differiert zeitlich sehr. In Hamburg stehen Rosskastanien, die bereits seit mehr als zehn Jahren nachweislich krank sind und ihre Verkehrssicherheit dennoch behalten haben. Andere Bäume sterben nach kurzer Zeit ab und es scheint, als wenn sie keine Abwehrreaktionen zeigen würden. Einige Exemplare waren nach den ersten Anzeichen der bakteriellen Infektion bereits wenige Jahre später bruchgefährdet und mussten gefällt werden.

       Abbildung 9: Pae-Verdachtsbäume, die im jeweiligen Jahr erfasst wurden.

      Neben den beschriebenen Hotspots mit einem erhöhten Aufkommen sind aber auch Einzelbäume im gesamten Stadtgebiet betroffen. Als weiteres Phänomen stehen immer wieder gesunde und erkrankte Rosskastanien in unmittelbarer Nähe zueinander. Dies kann auf mögliche Resistenzen hindeuten und wurde ebenfalls von DUJESIEFKEN (2018) beobachtet und beschrieben. Fünf Rosskastanien wurden bereits 2007, 2014 und teilweise 2018 positiv auf das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi getestet und sind bis heute vital. An zwei dieser fünf Bäume waren 2018 vom Boden betrachtet keine Leckstellen zu erkennen und sie wurden daher nicht erneut beprobt. Eine Abschottung des befallenen Gewebes und die damit verbundene natürliche Schutzfunktion des Baumes könnte die Ausbreitung des Bakteriums im Baum verhindert haben. Keiner dieser Bäume stellt aktuell eine Gefahr für den öffentlichen Raum dar.

      Bemerkenswert ist, dass alle fünf Bäume der Art A. hippocastanum angehören und mindestens 50 Jahre am Standort stehen. Diese sehr heterogenen Krankheitsbilder unterstreichen den hohen Forschungsbedarf beim Infektionsverlauf, da europaweite Untersuchungen zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen (STEELE et al. 2010; DE KEIJZER et al. 2012; SCHMIDT et al. 2014).

      In Hamburg sind alle Altersklassen der weißblühenden und rotblühenden Art betroffen (Abbildung 10). Dies deckt sich mit anderen Untersuchungen (GAISER 2012; GAISER et al. 2013; FISCHER 2014; FRÖHLICH et al. 2016). Dennoch ist selbst bei Einbeziehung einer Dunkelziffer die Gesamtzahl erkrankter Rosskastanien in Hamburg weit von den 50–70 % entfernt, wie sie für andere Regionen in Nordwestdeutschland, den Niederlanden oder Großbritannien angegeben werden (DIJKSHORN-DEKKER 2005; Forestry Commission 2008; FRÖHLICH et al. 2016). Ein Grund dafür, warum in Hamburg bisher nur ca. 15 % – ausgehend vom Baumbestand 2013 – betroffen sind, könnte darin liegen, dass in Hamburg ein gewachsener weißblühender Rosskastanienbestand (A. hippocastanum) steht, bei dem fast die Hälfte der erfassten Bäume vor 1960 gepflanzt wurde.

       4.5 Ergebnisse der Reihenuntersuchung 2018

      Während der dritten Reihenuntersuchung 2018 wurden 104 Proben untersucht. Diese verteilen sich auf 94 Rosskastanien, von denen 74 Exemplare zu der weißblühenden Art (A. hippocastanum) und 20 zu der rotblühenden Art (A. carnea) gehören. Abzüglich der Bäume, die mehrfach beprobt wurden, konnte bei 82 Einzelbäumen Pae nachgewiesen werden. Die positiven Pae-Nachweise sind auf der Karte in Abbildung 8 als rote Punkte und die negativen als grüne dargestellt. Die aktuellen Verdachtsbäume, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit assoziiert werden, sind blau gekennzeichnet. Weiße Punkte bilden den erfassten Einzelbaumbestand der Rosskastanien im Stadtgebiet ab. Ein Phytophthora-Befall konnte bei sieben Rosskastanien der Art A. hippocastanum nachgewiesen werden. Diese Rosskastanien sind als schwarze Punkte auf der Karte dargestellt (Abbildung 11).

       Abbildung 10: Verdachtsbäume und gefällte Rosskastanien nach Alter klassifiziert

       Abbildung 11: Ergebnisse der Reihenuntersuchung 2018 in Hamburg

      Die Sequenzierung ergab, dass es sich bei allen Proben um die Phytophthora-Art P. cactorum handelt. An drei der sieben Rosskastanien wurde eine Koinfektion mit Pae festgestellt. Der Nachweis erfolgte noch am selben Tag der Probenentnahme, sodass die Ergebnisse schon vor dem nächsten Durchgang vorlagen. Ergebnisse, die nicht zur Baumansprache passten, konnten daraufhin mit einer zweiten Probe überprüft werden. Die räumliche Verteilung zeigt deutlich, dass in fast allen Stadtteilen, in denen Rosskastanien stehen, nachweislich das Bakterium vorkommt. Der makroskopische Verdacht der Mitarbeiter*innen aus der Hamburger Baumkontrolle wurde in ca. 90 % aller Fälle bestätigt. Dies kann als Beleg gesehen werden, dass in Hamburg im Rahmen der Baumkontrolle bereits eine sehr sichere visuelle Einschätzung zum Pathogenverdacht erfolgt (MELZER et al. 2019).

       5 Fazit und Ausblick

      Der Auslöser für das Rosskastaniensterben im öffentlichen Grün der Freien und Hansestadt Hamburg ist das Bakterium Pseudomonas syringae pv. aesculi, das als Primärerreger der Komplexkrankheit angesehen wird (DUJESIEFKEN et al. 2016). Die tägliche Arbeit in der Baumkontrolle und die lückenlose Dokumentation im Baumkataster sind von größtem Wert, um die Befallssituation, die Verbreitungsdynamik und den Krankheitsverlauf von mehr als 8.000 Rosskastanien im Stadtgebiet zu verfolgen.

      Im Rosskastanien-Monitoring befinden sich inzwischen fast 700 Rosskastanien, die mit der Pseudomonas-Rindenkrankheit assoziiert werden. In Hamburg sind Rosskastanien in allen Entwicklungsphasen betroffen, was die Ergebnisse aus Dresden (FRÖHLICH et al. 2016) bestätigt. Die Anzahl der Verdachtsbäume und der Totalausfälle nimmt in Hamburg stetig zu. Fällungen aufgrund der Komplexkrankheit sind in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Bereits im Oktober 2019 wurden zahlreiche Rosskastanien mit Pilzfruchtkörpern ausgemacht. Bis zum Jahresende waren es rund 70 Bäume und die Kontrollen werden im Januar und Februar fortgesetzt, sodass die aktuelle Prognose für die Fällsaison 2019/20 vermutlich erneut im dreistelligen Bereich liegen wird.

      Die einheitliche systematische Einstufung der Schadensdynamik wurde 2018 im Rahmen der dritten Reihenuntersuchung an einem größeren Stichprobenumfang getestet. Das Einstufungssystem ist an die Arbeit von FISCHER (2014) angelehnt und soll während der bezirklichen Baumkontrolle angewendet werden. Das Ziel ist, ein einheitliches System zu etablieren, um den zeitlichen Verlauf der Krankheit im Baumkataster einheitlich zu dokumentieren. Neben der Identifikation von überlebenden Rosskastanien, der Dokumentation der Ausbreitungsdynamik und dem Ablauf der Erkrankung wird das Ziel verfolgt, Bekämpfungsmethoden, sobald diese verfügbar sind, gezielt einsetzen zu können. Weitere Pathogene wie Phytophthora spp. oder die Verticillium-Welke sind ebenfalls Gegenstand des Rosskastanien-Monitorings, spielen aber in Hamburg eine eher untergeordnete Rolle.

      Von den ca. 1.390 Bäumen, die der Pseudomonas-Rindenkrankheit zugeordnet werden, wurden bisher rund 710 Rosskastanien gefällt, weil die Verkehrssicherheit nicht mehr gewährleistet werden konnte. 2012 hatte sich das Krankheitsbild verändert und mit dem Einwirken unterschiedlicher Sekundärerreger erhöhte sich auch der Kontrollaufwand in der Baumkontrolle (GAISER et al. 2013). Besonders die rotblühende Art ist in Hamburg betroffen. Bis zum Herbst 2019 wurden bereits 413 Rotblühende Rosskastanien gefällt. Bei der Weißblühenden Rosskastanie sind es inzwischen deutlich mehr Verdachtsbäume, aber es wurden bis 2018 lediglich 150 Bäume gefällt. Erst 2018 und in der ersten Jahreshälfte 2019 stieg die Zahl rasant an und es mussten weitere 107 Weißblühende Rosskastanien aufgrund von

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