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Sie, dass Lorna vorhatte, wandern zu gehen?“

      „Ja.“ Daphne griff nach ihrer eigenen Tasse, goss sich eine milchige Flüssigkeit ein, die so stark verdünnt war, dass es sowohl Tee als auch Kaffee hätte sein können, und nahm einen winzigen Schluck. „Das hatte sie mir erzählt. Sie wollte eigentlich mit einer Freundin gehen, aber die hat in letzter Sekunde abgesagt.“

      „Wissen Sie, wie diese Freundin heißt?“, fragte Zoe und schlug ihr Notizbuch auf.

      „Ähm“, Daphne hielt kurz inne. Sie kniff sich in den Nasenrücken und schloss die Augen, während sie nachdachte. „Lassen Sie mich kurz … Cora! Sie heißt Cora.“

      „Nachname?“

      Daphne schüttelte den Kopf. „Den weiß ich leider nicht.“

      „Das macht nichts“, sagte Shelley. „Cora ist kein besonders häufiger Name. Wir werden schon rausfinden, wer das ist.“

      „Wenn ich darf, würde ich Ihnen gern ein Foto zeigen“, sagte Zoe. Sie sah, wie Daphne die Augen aufriss und zu zittern begann und fügte sofort hinzu: „Nicht vom Tatort. Keine Sorge. Es ist das Foto einer Frau. Wir würden gerne wissen, ob Sie diese Frau kennen – und insbesondere, ob Sie Lorna jemals mit ihr zusammen gesehen haben.“

      Sie nahm das gedruckte Foto von Michelle Young aus ihrem Notizbuch und legte es vor Daphne auf den Tisch, damit sie es gut sehen konnte.

      „Ich … ich glaube nicht“, sagte Daphne nach einer ganzen Weile und schaute dann wieder zu Zoe auf. „Wer ist das denn?“

      „Sie heißt Michelle Young“, sagte Zoe. „Kommt Ihnen der Name bekannt vor?“

      Daphne schüttelte den Kopf. „Halten Sie diese Frau für … die Täterin?“

      Ihre Stimme klang zugleich ängstlich als auch hoffnungsvoll. Zu wissen, wer die Tat begangen hatte, wäre sicher eine Erleichterung für Daphne gewesen, keine Frage. Der erste Schritt zu einer Art Verständnis davon, warum man ihr die Schwester genommen hatte. Es tat Zoe leid, dass sie ihr dieses Gefühl nicht geben konnte.

      „Nein, Mrs. Troye“, sagte Zoe und nahm das Foto wieder an sich. „Wir glauben, dass es sich bei dieser Frau um ein weiteres Opfer desselben Täters handelt.“

      Daphne stockte für einen Moment der Atem, als hätte sie einen Schlag in die Magengrube hinnehmen müssen. „Lorna war nicht die einzige?“

      „Das können wir noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit sagen“, sagte Shelley mit beruhigender Stimme – eine automatisierte Reaktion, die sie schon in ihrer Ausbildung verinnerlicht hatte. Nie etwas mit absoluter Sicherheit sagen, bevor der Fall nicht gelöst war. „Aber es gibt gewisse Gemeinsamkeiten zwischen den Fällen. Wir ermitteln in diese Richtung.“

      Daphne schluckte schwer und senkte den Blick auf die Tasse, die vor ihr stand. Sie sagte jetzt kein Wort mehr. Es schien ihr sichtlich schwer zu fallen, diese neue Information zu verarbeiten.

      Zoe tauschte kurze Blicke mit Shelley aus. Sie beschlich das Gefühl, dass sie die Befragung hier am besten beenden sollte – und als Shelley ihr zunickte, wusste sie, dass sie die Situation richtig eingeschätzt hatte. „Vielen Dank, Mrs. Troye“, sagte sie. „Wir lassen Sie nun besser in Ruhe. Sie können uns jederzeit anrufen, wenn Ihnen noch etwas einfallen sollte.“

      Die Frau vor ihnen zeigte kaum eine merkliche Reaktion, abgesehen von einem angedeuteten Nicken und einer fast nicht zu erkennenden Auf- und Ab-Bewegung der Schultern. Shelley und Zoe standen zögerlich auf, sie beide wollten Daphne so nicht allein lassen – aber sie wussten ja, dass sie nicht auf sich allein gestellt war. Ihre Frau war vermutlich in dem Zimmer am anderen Ende des Flurs, hinter der verschlossenen Tür, um sie bei der Befragung ungestört zu lassen. Die beiden Frauen würden diese schwere Zeit gemeinsam überstehen.

      Allerdings würde ihnen das leichter fallen, das war zumindest Zoes Erfahrung, wenn sie mehr darüber wüssten, wer ihnen Lorna genommen hatte – und wenn diese Person ihre gerechte Strafe erhielt.

      „Wir fahren besser zur lokalen Polizeiwache und richten dort eine Ermittlungszentrale ein“ sagte Zoe und hielt kurz inne, bevor sie in den Leihwagen stieg. „Je früher wir eine Spur finden, desto besser. Am besten fangen wir bei der Freundin an, Cora.“

      „Vielleicht haben wir ja Glück“, sagte Shelley mit schwarzem Humor. „Vielleicht war die es ja.“

      Aber als sie sich hinters Lenkrad setzte, dachte Zoe für sich, dass das leider ganz und gar nicht wahrscheinlich war.

      KAPITEL SIEBEN

      „Also dann“, sagte Zoe, als sie sich vor den Tisch setzte, den sie gerade durch zwei zusammengeschobene Schreibtische gebildet hatten. „Was haben wir bisher?“

      Shelley warf einen Blick auf die auf beiden Seiten des Tisches ausgebreiteten Akten. Auf der einen Seite waren die zu Michelle Young, auf der anderen die zu Lorna Troye. „Zwei junge Frauen, etwa gleichen Alters. Beide am helllichten Tag ermordet, was auf ein gewisses Selbstbewusstsein des Mörders schließen lässt. Beide Morde geschahen in der gleichen Region, wenn auch in unterschiedlichen Städten, innerhalb eines Bundesstaates. Die eine Frau blond, die andere brünett. Beide zum Tatzeitpunkt allein unterwegs. In beiden Fällen keine Zeugen.“

      „Und die Tatwaffe scheint in beiden Fällen die gleiche gewesen zu sein“, fügte Zoe hinzu. „Eine Machete, mit der die Opfer enthauptet wurden. Wo sich die Köpfe befinden, ist bisher unklar.“

      Unterschiede und Gemeinsamkeiten. Zu Beginn der Ermittlungen in einem Fall mit mehrfachen Morden musste man danach Ausschau halten. Was hatten die Opfer gemein, das sie aus Sicht des Täters herausstechen ließ und deshalb zu potentiellen Zielen machte? Und inwiefern unterschieden sie sich voneinander?

      Das ähnliche Alter und das gute Aussehen der beiden Frauen waren ein erster Anhaltspunkt. Gelegenheit mag eine Rolle gespielt haben, oder auch nicht, wie sie bereits diskutiert hatten.

      Aber was waren die Unterschiede zwischen den beiden Opfern?

      „Die Distanz zwischen den beiden Orten könnte relevant sein. Mit dem Auto braucht man vierzig Minuten.“

      „Könnte sein, dass er aus der Gegend kommt“, merkte Shelley an. „Oder vielleicht ist er auf Reisen?“

      Zoe neigte ihren Kopf. „Laut Statistik schlagen die meisten Mehrfachmörder innerhalb eines bestimmten Radius um ihr Zuhause herum zu. Nicht so nah, dass sie sich nicht mehr sicher fühlen würden. Weit genug weg, um keine unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, aber nah genug, um sich innerhalb des Gebietes leicht von A nach B bewegen zu können. Ein Zwei-Stunden-Radius um beide Städte herum erscheint mir realistisch.“

      Shelley warf einen Blick auf eine Landkarte. „Dann sind immer noch zu viele Ortschaften in dem Gebiet“, sagte sie. „Das müssen wir noch weiter eingrenzen.“

      Was blieb ihnen sonst noch?

      „Lorna hätte nicht allein sein sollen, als sie ermordet wurde“, dachte Zoe laut nach. „Das heißt, wenn unser Täter auf sie gewartet hat, dann wusste er entweder, dass ihre Freundin abgesagt hatte, oder er wartete nicht auf jemand Bestimmten und wusste nicht genau, wer sein Opfer werden würde.“

      Shelley kaute auf einem ihrer Fingernägel und zupfte dabei mit den Zähnen an der Haut herum. „Die Freundin, die abgesagt hat“, sagte sie. „Die sollten wir doch ausfindig machen können. Haben wir Lornas Handy?“

      „Noch nicht“, sagte Zoe, nachdem sie eine Beweismittelliste überflogen hatte, die der Sheriff ihnen gegeben hatte. „Sieht so aus, als wäre da jemand dran. Das Handy war passwortgeschützt. Deshalb müssen wir wohl auf eine richterliche Anordnung warten, die den Hersteller dazu zwingt, uns Zugang zu gewähren.“

      „Dann müssen wir es mit Social-Media-Konten probieren“, sagte Shelley entschlossen und nahm sogleich ihr eigenes Handy zur Hand, um darauf herumzutippen.

      „Ich weiß nicht, ob wir ihre Benutzernamen schon haben“, sagte Zoe und blätterte dabei in dem Bericht zu Lornas persönlichen Gegenständen herum.

      „Die

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