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bewegt und diese Schichten bildet.

      Der Ladenbesitzer kicherte leise. „Ein logischer Verstand, wie ich sehe“, sagte er. „Ihnen macht man so leicht nichts vor, nicht wahr?“

      Lex lächelte. „Ich möchte wissen, wie die Dinge funktionieren“, sagte sie. Es fiel ihr auf, dass der Mann freundlich, ruhig und einladend war; er versuchte nicht, ihr einen Verkauf aufzudrängen. Es war erfrischend. In der Stadt neigten die großen Handelsketten dazu, nur Ausverkauf und kein Herz zu haben.

      „Nun, dann sind Sie vielleicht an unseren Workshops interessiert“, sagte er mit eulenhaft großen Augen hinter seiner Brille und zeigte auf ein Flugblatt, das im Fenster ausgehängt war. „Wir veranstalten sie jeweils am letzten Freitag des Monats. Die Teilnahme ist kostenlos und Sie können zusehen, wie ich einige der großen Schätze des Meeres in diese Gegenstände verwandle, die Sie vor sich sehen.

      „Das klingt reizend“, sagte Lex. „Vielleicht komme ich vorbei, wenn ich in der Nähe bin.“

      „Besuchen Sie hier einen Freund?“, fragte der Ladenbesitzer. Er schlenderte zurück zu seinem Tresen hinter eine uralte Registrierkasse. Der Laden war so klein, dass Lex ihn trotzdem sehen und sich mit ihm unterhalten konnte.

      „Ich bin eigentlich wegen eines Vorstellungsgesprächs hier“, sagte sie und schaute auf ihre Uhr. „Oh nein, ich muss in ein paar Minuten da sein. Ich sollte mich besser beeilen!“

      „Viel Glück, meine Liebe“, rief ihr der Ladenbesitzer nach, als sie zur Tür ging, und sie warf ein dankbares Lächeln über die Schulter, während die Glocke über dem Eingang ihren Abschied verkündete.

      KAPITEL SECHS

      Lex eilte die Straße entlang, die Strandpromenade hinunter und um die Ecke zum Parkplatz. Dort fand sie sich schnell zurecht, schaute sich die Karte auf ihrem Smartphone an und lief dann durch immer enger werdenden Kopfsteinpflasterstraßen, wobei sie sich sehr bemühte, einen Mittelweg zu finden, um einerseits nicht zu spät zu kommen und andererseits nicht errötet und verschwitzt anzukommen.

      Als sie bei der Adresse ankam, sah sie sich verwirrt um. Sie sah erneut auf ihrer Karte nach und da war sie – die Markierung für den Laden, angeblich genau an ihrem Standort. Aber wo war er? Sie konnte die Fassade, die sie von den Online-Fotos her kannte, nirgendwo entdecken, und die meisten Gebäude hier sahen mehr nach Wohn- als nach Geschäftsgebäuden aus.

      „Haben Sie sich verirrt?“, ertönte eine trockene Stimme hinter ihr. Lex drehte sich in Panik um und richtete dann ihren Blick nach unten. Eine kleine alte Dame stand da und beobachtete sie mit zur Seite geneigtem Kopf und hochgezogenen weißen Augenbrauen.

      „Ähm, ja, ich glaube schon“, sagte Lex. „Ich suche ein Geschäft, den Kuriosen Buchladen.“

      „Sind Sie sicher?“, fragte die Frau und warf ihr einen leicht schielenden Blick zu. „Sie sehen nicht wie die typische Kundin aus. Haben Sie den richtigen Namen?“

      Lex blinzelte. „J-ja, ich bin sicher.“ Wie sah eine Kundin von Ein kurioser Buchladen aus? War es etwas Schlechtes oder etwas Gutes, dass sie nicht „typisch“ war?

      „Gehen Sie da durch“, sagte die Frau, hob einen dünnen Arm und zeigte auf die nächste Straße. „Sie sind nah genug dran.“

      „Danke!“, rief Lex über ihre Schulter, als sie loseilte und fand, dass ihr die Leute hier  immer besser gefielen.

      Da stand es vor ihr, als sie um die Ecke bog – genau so, wie es auf den Fotos ausgesehen hatte, mit Holzbrettern im Kontrast zu unebenen Ziegelsteinen, krummen Fensterrahmen und einer großen Holztür. Die Buchstaben des Schildes über der Tür waren aus altem Kupfer, das im Laufe der Zeit eine grüne Patina angenommen hatte.

      Lex holte tief Luft und versuchte, ihre Nerven zu beruhigen. Sie hoffte, sie war von ihrem wilden Streifzug durch die Straßen nicht verschwitzt oder zerzaust. Sie überlegte, ihr Spiegelbild im Glas eines der Fenster zu betrachten, aber dann erkannte sie, dass sie von demjenigen, der sich vielleicht darin befand, gesehen werden konnte, und ging stattdessen direkt auf die Tür zu.

      Der Türrahmen war an manchen Stellen abgesplittert und trug Kratzer und Dellen – ein weiteres Zeichen für die Persönlichkeit und Geschichte des Gebäudes, Spuren, die vor langer Zeit von einer Hand hinterlassen wurden, die es wahrscheinlich nicht mehr gab. Lex griff nach der Türklinke und schaute dabei auf ihre Uhr, um mit Schrecken zu sehen, dass es bereits ein paar Minuten nach der verabredeten Zeit war. Sie öffnete die Tür weit und trat ein.

      Über ihrem Kopf ertönte ein sanfter Glockenschlag – eine süßere und sanftere Schwester des Glockenspiels über der Tür in Lost and Found by the Sea – als sie über die Schwelle trat. Auf dem Boden lag eine verblichene Matte, auf der sie instinktiv ihre Schuhe abwischte, da sie keinen Schmutz von draußen hereinbringen wollte. Ihr Herz raste, und sie blickte sich hastig nach irgendeinem Zeichen des Mannes um, der sie interviewen sollte.

      Sie hatte erwartet, einen Buchladen zu betreten, aber was sie sah, überraschte sie: ein langer Flur, der sich vor ihr bis zur Rückwand des Gebäudes erstreckte. Das Holz war alt und verzogen und nicht von einem Teppich bedeckt, sodass die Oberfläche des Bodens zu quellen und zu wogen schien wie das Meer.

      Der schmale Flur war auf beiden Seiten mit Bilderrahmen verziert und zwischen diesen Rahmen befanden sich breite, offene Türbögen ohne Türen. Welchen Weg sollte sie gehen? Es gab keine Schilder oder Wegbeschreibungen, keine Hinweise darauf, wo der Besitzer sein könnte. Als Lex zweifelnd vortrat, spähte sie durch den ersten Türbogen und sah Regale über Regale, die scheinbar wahllos mit alten Büchern voll gestapelt waren, von denen einige so alt waren, dass die Buchrücken auseinanderzufallen schienen. Die Decke war niedrig und schien sich in der Mitte nach unten zu beugen, als ob sie zu viel Gewicht tragen würde. Ein fadenscheiniger, gemusterter roter Teppich lag auf dem Boden und zeigte die Spuren vieler Füße, die entlang der vier Seiten des kleinen Raumes gelaufen waren.

      Wenigstens gab es hier Bücher, was ermutigend war; sie war definitiv am richtigen Ort. Aber es gab keine Verkaufstheke, kein Zeichen von irgend jemand anderem und keinen Hinweis darauf, welche Art von Büchern hier vor ihr lag. Die meisten von ihnen hatten nicht einmal mehr Titel auf dem Buchrücken und diejenigen, die Titel hatten, waren so verblasst, dass sie nicht mehr lesbar waren. Sie trat vor, um eines von ihnen leicht zu berühren, und fragte sich, was für ein Text sich in den Einbänden befand.

      Irgendetwas berührte ihr Herz – vielleicht war es die Art, wie die Bücher in den Regalen lagen – die ihr so vertraut und tröstlich erschien. Lex quollen fast die Tränen in die Augen. Es war, als ob ihr Vater direkt hinter ihr stünde und ihr über die Schulter blickte. Das Holz – war es nicht die gleiche Art Regal, die er in seinem Laden benutzt hatte?

      Lex riss sich von den seltsam blanken Büchern los und schaute durch die Tür auf der gegenüberliegenden Seite der Halle. Sie gewann langsam den Eindruck, dass dieses Gebäude einst ein Zuhause gewesen war, die Räume nach Nutzung getrennt. Ein Wohnzimmer, vielleicht, und hier, das nächste, ein größerer offener Raum – vielleicht ein Speisezimmer oder ein Empfangszimmer für Besucher. Am wichtigsten war, dass dieser Raum derjenige mit der Theke war, und Lex bewegte sich mit Erleichterung darauf zu.

      Dahinter war niemand zu sehen und so schaute sie sich in diesem neuen Raum um. Licht flutete durch die Fenster hinein, die von außen so klein und dunkel erschienen, und warf Sonnenstrahlen in den Raum. Sie fingen die Staubpartikel auf, die in der Luft tanzten und eine leicht verträumte Atmosphäre schufen. Lex zog scharf die Luft ein, als sie die Kasse sah. Sie konnte sich nicht sicher sein, aber sah sie von hinten nicht genau so aus wie die, die ihr Vater vor all den Jahren benutzt hatte?

      Sie stellte sich vor, sie stünde dahinter, plauderte fröhlich mit einem Kunden, der sie um Empfehlungen bat, und mit einem Buch hinausging, das mit Sicherheit ein neues Lieblingsbuch werden würde. Ja, sie konnte es vor ihrem geistigen Auge sehen. Sie wollte die Stelle haben. Sie wollte hier arbeiten, mehr als sie in das enge Kellerbüro in Boston zurückkehren wollte. Das hier wäre so viel besser.

      Der Boden hier war auch uneben, alte, verzogene Bretter, der größte Teil davon mit einem weiteren Teppich bedeckt. Dieser hatte ein komplexes Design, es war ein Gobelin

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