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halbdunklen leeren Innenraum der Bar, dann glotzte er wieder das fröhliche Mädchen mit den überquellenden Krügen voll Bremer Bier an.

      „Vor einiger Zeit lebte ich in Cleveland, Ohio. Arbeitete in einer guten Firma, ziemlich viele Überstunden, es gab gutes Geld. Damals hatte ich Frau und Tochter. Ich hab spät geheiratet, aber nun gut ... Alles wäre wunderschön gewesen, hätte ich damals nicht auch ein bisschen zu viel getrunken. Viel zu viel eigentlich, und zwar harte Sachen, nicht nur Bier. Nachts trank ich Whisky, tagsüber Bier statt Wasser. Ich baute zu der Zeit reichlich viel Scheiße: Streit, Schlägereien, Polizei, Ausnüchterungszelle im Knast ... die Frau hatte irgendwann die Schnauze voll, sie fand einen Liebhaber, nahm die wichtigeren Sachen aus der Wohnung mit, die Tochter bei der Hand und – ab in ein neues Leben. Mir blieben der große neue Fernseher und das Sofa. Es wäre besser, sie hätte mir auch den Fernseher weggenommen. Vielleicht wäre mein Leben ganz anders verlaufen. Aber nein, er war ihr zu schwer. Ich kaufte also jeden Abend ein paar Sixpacks Bier und – ab auf die Couch ... ich schaute gern Baseball. Ich schlief jede Nacht betrunken ein. Es tat mir leid um meine Tochter. Ich liebte sie. Ich hatte sie nie viel gesehen, da ich zu viel gearbeitet habe, von früh bis spät, und wenn ich nicht arbeitete, war ich leider besoffen. Aber ich liebte sie. Ich betete oft zu Gott, dass ihr Stiefvater nicht so ein Gewalttätiger sein möge, kein Pädophiler. Davor fürchtete ich mich sehr. Manchmal rief ich meine Frau an und drohte ihr und ihrem Neuen, ich würde sie töten und in den Knast gehen, sollte jemand es auch nur wagen, meine Tochter anzurühren. Einmal brüllte sie zurück in den Hörer: Du alter Säufer, wer weiß, ob sie überhaupt deine Tochter ist. Den Stiefvater meiner Tochter habe ich nicht getötet, aber einen Schwarzen verletzt. Eines Nachts weckte mich etwas, irgendein Klappern und Stimmen. Ich nahm die Pistole und ab ins Wohnzimmer. Da standen zwei Schwarze und hielten meinen Fernseher fest. Kaum hatte ich Son of a bitch gesagt, ließ der eine den Fernseher fallen und ging auf mich los. Der Fernseher fiel dem anderen auf die Füße, der jaulte auf, und ich feuerte den ersten Schuss ab. Traf den Schwarzen in den Bauch. Er ging zwei Fuß von mir zu Boden. Ich schoss erneut und traf ihn in den Oberschenkel. Der andere Schwarze floh aus der Wohnung, der Getroffene hielt sich mit einer Hand die Wunde am Bauch, mit der anderen haute er auf den Boden und beschimpfte mich. Ich ging näher ran und feuerte nacheinander zwei Schüsse in diese Hand, mit der er auf den Boden klopfte. Einer riss ihm den Mittelfinger ab, der andere durchbohrte die Hand in der Mitte. Na, der hat vielleicht gejault und vor Schmerz gezittert, der Hurensohn. Die Polizisten packten dann den Mittelfinger in eine Tüte. Aus meinem Kühlschrank haben sie Eis genommen. Der Richter gab mir drei Jahre. Wäre das hier passiert, ich wäre ein freier Mann. Aber in Ohio sind die Gesetze anders. Der Richter sagte, ich hätte die Grenzen der Selbstverteidigung überschritten, als ich ihm in die Hand schoss. In Ordnung, der erste Schuss, er war schließlich auf mich losgegangen, ich hatte Angst um mein Leben und habe geschossen. Aber warum musste ich ihm denn später in die Hand schießen? Weil er mich beschimpft hat? ... Jedenfalls hat der Schwarze einen Finger eingebüßt, das Eis hat ihm nicht geholfen.“

      Larry stierte sein Mädchen auf der Bierflasche unverwandt aber zärtlich an, Jeff brachte Sam und Wim jeweils noch eine Flasche Budweiser. Er selbst trank einen kurzen Whisky auf Ex und spülte das Glas sofort. Der Alte fuhr fort:

      „Während ich da in Ohio meine Strafe absaß, haben sie hier in Texas meinen Bruder umgebracht. Es war ein Halbbruder väterlicherseits. Tom war ein ganzes Stück jünger als ich. Er wurde von Mexikanern getötet, diesen Illegalen, die ohne Papiere ins Land kommen. Amerika ist voll davon. Mein Bruder war Ranger. Eines Nachts wurden er und seine Kollegen von einer Gruppe Mexikaner überrascht. Die Chicanos eröffneten das Feuer und töteten zwei unserer Ranger, unsere Leute erschossen dann einige von ihnen. So hat Larry seinen Vater verloren. Er war fünf Jahre alt. Da ist etwas mit ihm geschehen. Eine Zeitlang sprach er überhaupt nicht. Sie wussten nicht, was sie mit ihm machen sollten. In der Schule war er auch schlecht. Ein Jahr später, ich war gerade raus aus dem Knast, rief mich meine Schwägerin an und meinte: Komm doch her. Larry braucht einen Vater und ich einen Mann im Haus. Du bist sein Onkel, wer sollte denn besser für ihn sorgen können als du. Und so lebten wir ein paar Jahre. Dann wurde sie krank. Erst nahm man ihr eine Brust ab, dann die andere. Es half nichts. Ein paar Monate später starb sie ... seitdem sind Larry und ich allein ... Larry, die Deutsche, Jeff und ich. Das ist unsere ganze Clique.“

      Wim Wenders bat Jeff, Larry noch so ein deutsches Bier zu bringen, sich selbst einen Kurzen einzuschenken und ihm und Sam noch jeweils ein Budweiser zu bringen. Sie tranken schweigend in der Vorabendstille der kleinen Bar.

      Als die Flasche leergetrunken war, stand Wim Wenders auf und zog sein Portemonnaie hervor.

      „Jeff, mein Freund, was macht das bitte alles zusammen, was wir vier getrunken haben?“

      „O nein, auf gar keinen Fall“, rief der alte Sam, „heute bist du mein Gast. Ich bin sehr froh, einen Deutschen kennengelernt zu haben, der Filme macht. Ich habe noch mehr Geschichten, komm doch wieder, wir drei sind an jedem frühen Abend hier, bevor die anderen Gäste kommen. Ich mag es nicht, wenn jemand meinem Kleinen hier dumm kommt, du weißt schon. Komm ruhig, ich werde dir noch mehr Geschichten aus meinem Leben erzählen. Vielleicht kannst du eines Tages einen Film über mich drehen.“

      „Gut. Ich komme wieder. Dann kannst du mir mehr aus deinem Leben erzählen und die Rechnung bezahlen. Aber heute zahle ich!“

      Wim Wenders legte eine Banknote auf den Tresen. Über die Theke reichte er Jeff die Hand, dann gab er sie dem alten Sam. Er hielt die Hand des alten Mannes lange fest, die Linke legte er dabei auf dessen Schulter. Dann ging er zu Larry. Zärtlich legte er die Hand auf seinen Hinterkopf, und so schauten sie gemeinsam ein paar Augenblicke lang die schöne Deutsche an.

      „Larry, du bist ein guter Junge. Ich freue mich, dich kennengelernt zu haben. Ich gehe jetzt, pass gut auf Sam und Jeff auf.“

      ***

      Zwei Jahre später feierte Wim Wenders’ Film „Paris, Texas” große Erfolge. Er bekam Preise auf Filmfestivals und eroberte die Zuschauer auf der ganzen Welt.

      ***

      Früh am Abend betrat Wim Wenders die Old Spurs Bar. In der Hand hielt er ein großes zusammengerolltes Plakat. Links an der Theke saß Larry, der eine Flasche St. Pauli Girl vor sich stehen hatte. Jeff lächelte den Gast an. Der Platz des alten Sam rechts an der Theke war leer. Wim ging zu dessen einstigem Barhocker.

      „Setz dich ruhig darauf. Sam ist nicht da. Er ist nicht mehr unter uns. Larry und ich haben ihn vor einem halben Jahr zu Grabe getragen.“

      „Jeff, bitte, gib Larry sein deutsches Bier, nimm dir dein Getränk und stelle hier zwei Budweiser hin. Und bitte, häng dieses Poster dort gegenüber von Larry auf, damit er es immer vor Augen hat. Es ist aus Deutschland.“

      „Jeff nahm das große Poster und ging zu dem Teil des Tresens, an dem Larry saß. Er hängte Wims Poster gegenüber der Coca-Cola-Werbung auf. Mit Tränen in den Augen sagte er: Larry, schau mal, wer da ist.“

      Larry Gesicht erstrahlte wie die Sonne und erleuchtete die ganze Bar. Goldig glänzte Larrys Gesicht und spiegelte die Helligkeit der Farbe des Bremer Bieres wider.

      Das amerikanische Tattoo

      Zum ersten Mal hatte ich mit zwölf Sex. Niemand glaubt es mir, aber es ist wahr.

      Meine Schulfreundin und ich gingen nach der Schule zu ihr nach Hause. Ihre Mutter war gerade drauf und dran, mit dem Auto in die Arbeit zu fahren. Sie hielt vor dem Haus an, schaute zu ihrer Tochter, dann zu mir, dann wieder zur Tochter. Sie zog die Zigarette aus dem Mundwinkel:

      „Hey, Kleine, wenn du den Kerl zur Tür bringst, sperr ab. Wir sehen uns morgen früh ... ich hoffe, der Typ hat Kondome mit.“

      „Mama!“, rief ihr meine Schulfreundin verlegen hinterher.

      Die Mama meiner Schulfreundin hatte im Krankenhaus fünf Tage hintereinander eine Doppelschicht und dann hatte sie drei Tage frei. Dann wieder fünf Tage hintereinander, von vier am Nachmittag bis acht Uhr in der Früh. Von den drei freien Tagen verbrachte sie den ersten im Bett, während sie an den beiden anderen Tagen mit ihrer Tochter im Einkaufszentrum herumhing. Abends

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