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nur eine geringe Vernetzung und Verankerung in der organisierten Missbrauchsszene statt168.

      Der hypersexualisierte Täter

      Gerade der letzte Aspekt unterscheidet diesen Tätertypus von dem Hyper-Sexualisierten. Diesem geht es in einer annähernd pathologisch zwanghaften Art um das Ansammeln von kinderpornografischen Medien. Der Täter kann sie auch selbst durch die Interaktion aus Onlinekontakten mit Kindern selbst produzieren. Die Kontaktaufnahmen zu den Kindern sind dabei bereits von Beginn an mit einer aggressiven sexuellen Konation versehen. Er unterhält im Unterschied zu den beiden anderen Tätertypen typischerweise Kontakt zu weiteren Sexualtätern und der organisierten Missbrauchsszene169. Dieser Tätertypus scheint auch oft ein routiniertes Vorgehen an den Tag zu legen. So berichtet das LKA Baden-Württemberg, dass einige der im Rahmen einer proaktiven polizeilichen Überführung erfassten Täter sogar Kamerahalterungen unter dem Tisch angebracht haben, um das eigene Geschlechtsteil zu filmen. Dies deutet auf eine routinierte und häufige Vorgehensweise hin170. Daher kann bei diesem Täter vergleichbar mit dem anpassungsfähigen Tätertypus mit insgsamt hohen Opferzahlen – teilweise im dreistelligen Bereich – gerechnet werden171.

      Diese Tätereinteilung ist in ihrer Grundstruktur eher eine Einteilung nach Motivation als nach klassischen Vorgehensweisen, auch wenn diese im Rahmen des Projektes zur Identifizierung des Tätertypus herangezogen werden. Im deutschsprachigen Raum ist auch eine Unterscheidung danach bekannt, ob ein Täter Vertrauen zu dem Kind aufbauen möchte oder ob es um eine schnelle Interaktion mit dem Opfer geht, um die daraus resultierenden sexuellen Chatprotokolle und ggf. angefertigten Medien zu immer weitergehenden Erpressungshandlungen zu nutzen. Rüdiger unterscheidet daher den kurzfristig erpresserischen und langfristig strategischen Typus, dem es um einen Vertrauensaufbau über einen längeren Zeitraum geht, vom rein kurzfristig orientierten Erpressertypus172. Der langfristig agierende Typus des Vertrauenstäters ist am ehesten mit dem skizzierten Intimitätstäter vergleichbar, denn es geht ihm um den Aufbau einer langfristigen und vertrauensvollen Beziehung zum potentiellen Opfer. Das primäre Ziel ist die Einleitung eines physischen Treffens mit dem Opfer, bei dem es dann laut der MIKADO Studie in fast allen Fällen auch zum sexuellen Missbrauch kommt173. Dem Erpresser Typus geht es hingegen um die Einleitung scheller sexueller Interaktionen und Kommunikationen mit Kindern im digitalen Raum. Hieraus erhofft er sich die Anfertigung von Material – wie kinderpornografische Medien – mit denen er das Kind zu immer weiteren Missbrauchshandlungen erpressen kann174. Dieser Tätertypus geht dabei fast ausschließlich digital vor, ein physisches Treffen mit dem Opfer wird nicht angestrebt. Entsprechend kann davon ausgegangen werden, dass solche Täter auch örtlich flexibler sind, also auch aus anderen Ländern stammen können175. Es kommen auch Mischformen vor, wo ein langfristiger Täter beispielsweise auch die Übersendung von Nacktbildern des Opfers akzeptiert oder ein kurzfristiger Täter ein Treffen für einen physischen Missbrauch, womit dieser dem Profil des anpassungsfähigen Täters entspricht176. Alexiou bezweifelt hierbei aufgrund der aus ihrer Sicht kaum vorhandenen Unterschiede zu klassischen Offline-Grooming-Tätern das Vorliegen eines individuellen Online-Täterprofils. Sie sieht das Internet eher als ein weiteres Tatmittel zur Begehung der Delikte177. Dieser Gedanke ist nachvollziehbar, v. a. bedingt durch die Ähnlichkeiten der Tatmodalitäten. Auf der anderen Seite muss aber beachtet werden, dass gerade Umstände wie die Anonymität des digitalen Raums einen Einfluss auf Täterprofile und Tatbegehungen haben können, da die Hemmschwelle beispielsweise auch bei Personen sinken kann, die nicht das übliche Grooming-Profil aufweisen. Zudem bezieht sich diese Debatte auf den klassischen langfristigen Tätertypus, wobei die aggressiven sexuellen Belästigungen nicht thematisiert werden. Gerade hier scheint sich aber im Internet durch die Kommunikationskultur doch eine Art eigenes Täterprofil herausgebildet zu haben.

       Abbildung 4 Täter-Typologien nach Webster et al. 2016

      Eine Auseinandersetzung mit Cybergrooming erfordert auch eine Betrachtung der Opferprofile und der Auswirkungen eines Cybergrooming-Prozesses auf Opfer. Darauf aufbauend können kriminalpolitische Schlussfolgerungen gezogen werden. Unterschiedliche Studien haben sich bereits mit der Frage der Auswirkungen eines erlebten Cybergrooming-Prozesses bei den Opfern auseinandergesetzt. Katzer kommt dabei zum Ergebnis, dass die Viktimisierung durch einen sexuellen Onlineübergriff von differenten Opfertypen auch in der Belastung unterschiedlich wahrgenommen wird. In der Auswertung ihrer Untersuchung teilt sie jugendliche weibliche Opfer in fünf unterschiedliche Gruppen ein: 1. die Unauffälligen, 2. die Souveränen, 3. die Braven-Schockierten, 4. die Traumatisierten und 5. die Abenteuerinnen178. Dabei zeigte sich, dass die Souveränen am wenigsten die Viktimisierungen als akute Belastungen empfanden. Die Braven-Schockierten und Traumatisierten empfanden die Viktimisierungen dagegen als akut und dauerhaft belastend179. Es zeigte sich, dass v. a. die Abenteuerinnen, also Mädchen, die ein gewisses Interesse an sexuellen Chats zeigten, die höchste Wahrscheinlichkeit für eine schwere sexuelle Viktimisierung im Chat aufwiesen, während die übrigen Gruppen alle eine relativ ähnliche Viktimisierungswahrscheinlichkeit hatten. Dass gerade die Abenteuerinnen diese hohen Werte aufwiesen, ließ sich von einer erhöhten Häufigkeit von Chatbesuchen ableiten180.

      Im Ergebnis bilanziert Katzer, dass rund ein Drittel der betroffenen Mädchen starke und akute Belastungen durch die Viktimisierung erleben181. Bei 65 Prozent der belästigten Mädchen äußerten sich diese als unangenehme Erfahrung, 46 Prozent waren wütend, 20 Prozent frustriert, 16 Prozent verängstigt und 12 Prozent waren niedergeschlagen182. Katzer äußerte sich nicht, ob die Auswirkungen dieser rein digitalen Viktimisierungen vergleichbar seien mit klassischen physischen Missbrauchshandlungen. Dabei muss unterschieden werden zwischen Cybergrooming-Handlungen, bei denen der Täter das Kind trifft und es zu einem klassischen Missbrauch mit entsprechenden Auswirkungen kommt, und solchen, die kein physisches Treffen beinhalten: Dort wird die Missbrauchshandlung also digital eingeleitet oder erfolgt durch die Übersendung entsprechender Medien. Diese Frage wird in Bezug auf die digitalen Missbrauchserlebnisse durchaus uneinheitlich in der Wissenschaft beantwortet.

      Weller kommt beispielsweise im Rahmen der Partner 4 Studie zu dem Schluss, dass sexuelle Missbrauchshandlungen in der Familie folgenschwerer seien, „.[…] während erlebte Grenzüberschreitungen im Internet i.d.R. nicht traumatisieren […]“183. Gleichzeitig hat die Studie aber auch herausgearbeitet, dass der häufigste Ort für sexuelle Übergriffe sowohl bei weiblichen (45 Prozent) als auch männlichen (14 Prozent) Opfern das Internet ist, wobei die Familie den seltensten Viktimisierungsort darstellt (5 Prozent der Mädchen und nur 1 Prozent der Jungen)184. Eine qualitative Interviewstudie von Whittle/Hamilton-Giachritsis und Beech mit acht von Cybergrooming betroffenen Jugendlichen kommt zu dem Schluss, dass die Viktimisisierungserfahrungen von Opfern von Cybergroomern geringer sein sollten als bei klassischen Missbrauchsdelikten, die rein im physischen Raum stattfinden185. Gleichzeitig ergab ihre Studie, dass die Belastungserscheinungen der Opfer wie psychologische Auffälligkeiten, Scham und Aggression gleich sind186. Zwei Opfer wiesen zudem Tendenzen zur Selbstverletzung auf. Im Resultat sehen die Autoren die Notwendigkeit, bei onlinebasierten Delikten dieselbe Sorgfalt anzuwenden und den Opfern eine entsprechende betreuende Begleitung zu ermöglichen, um sekundäre und tertiäre Viktimisierungen zu vermeiden187. Johnsons Studie von 2017, bei der 5.839 schwedische Schüler zu ihren onlinebasierten Viktimisierungserfahrungen befragt wurden, kommt zu einer ähnlichen Schlussfolgerung188: „Our report shows that online abuse where the child hasn’t met the perpetrator can have just as serious consequences as abuse that occurs offline“189. Interessanterweise wird explizit darauf verwiesen, dass insbesondere das Wissen um sexualisierte Missbrauchsabbildungen – beispielsweise, weil die Opfer sie selbst angefertigt und übersendet haben oder weil sie im Rahmen von Webcam-Missbrauch selbst angefertigt wurden – „has negative effects on the mental health of the young people“190. Hierbei muss diese Situation klar als eine Form der wiederkehrenden Viktimisierung erfasst werden, da Opfer im ungünstigsten

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