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des Kinder- und Jugendmedienschutzes und den „Netzlobbyisten“54. Letztere wollen demnach Einschränkungen in der Netznutzung – mit denen vermutlich eine Erhöhung der Sicherheit für Kinder einhergehen würde – verhindern, was einen entsprechenden Diskurs erschwere. Er kommt zu dem Schluss, dass das Internet mit seinen Möglichkeiten und der geringen Schutzhöhe mittlerweile eine „pädophile Spielwiese“ sei55. Hiermit kommt er zu einer ähnlichen Einschätzung wie die in der Einleitung zitierten Sicherheitsbehörden. Solmecke weist darauf hin, dass trotz des Internets als aktueller Ort der Viktimisierung die Sexualtäter weiterhin auch im physischen Raum aktiv sind56. Es darf daher kein reiner Dualismus genutzt werden: Sexualdelikte können überall dort stattfinden, wo Täter auf Kinder treffen, also sowohl der physische als auch der digitale Raum. Hummel weist zudem dabei darauf hin, dass die Klassifizierung einer Handlung als Sexualdelikt eine rein „juristische Entscheidung“ sei, die von keiner anderen Disziplin – v. a. nicht der Psychologie oder Medizin – vorgenommen werden kann57. Letztlich können beide Formen des sexuellen Missbrauchs auch ineinander übergehen. So können digitale Sexualdelikte zu einem Treffen mit einem physischen Missbrauch führen und gleichzeitig können physische Missbrauchshandlungen auch digital weitergeführt werden, beispielsweise indem der Täter das kindliche Opfer – beziehungsweise ein Kind, das er aus dem physischen Raum kennt – dann auch digital kontaktiert58.

      Die klassische Vorstellung des sexuellen Missbrauchs von Kindern kann auf zwei grundlegende Typen eingegrenzt werden. Es handelt sich einerseits um eine dem Opfer weitestgehend unbekannte – zumeist männliche – Person, die ein Kind mit Gewalt oder durch Täuschung sexuell missbraucht. Andererseits gibt es den Tätertypus, der sich das Vertrauen des Kindes und nicht selten auch der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten erschleicht bzw. von vornherein inne hat – wenn es sich beispielsweise um einen familiären Missbrauch handelt. Hierbei handelt es sich jedoch eher um eine Betrachtung der Vorgehensweisen von Tätern und Täterinnen auf einer Metaebene, nicht um eine Betrachtung der Tätermotivation und ob es sich beispielsweise um Kernpädophile59 oder homosexuell-pädophile Tätertypen handelt60.

      Der erste genannte Tätertypus kennzeichnet sich zumeist durch einen engen zeitlichen Zusammenhang zwischen der Kontaktaufnahme bzw. Interaktion mit dem Opfer und der Durchführung des sexuellen Missbrauchs bzw. auch von Tötungs- und Entführungsdelikten. In der jüngeren Vergangenheit haben dies unter anderem die Tötungen des 6-jährigen Elias aus Potsdam und des 4-jährigen Mohamed aus Berlin gezeigt. Der Täter Sylvio S. soll bereits am Tage nach der Entführung von Mohamed sein Opfer – nach einem mehrfachen sexuellen Missbrauch – umgebracht haben61. Ein weiteres Kennzeichen dieses Tätertypus ist es zumeist, dass es sich bei dem Übergriff um einen begrenzten Zeitraum handelt, in dem der eigentliche Missbrauch – teilweise auch überfallartig – geschieht62. Es handelt sich typischerweise nicht um einen langfristig wiederkehrenden und anhaltenden Missbrauch, der in weiteren primären Folgeviktimisierungen enden kann63. Etwaige sekundäre64 oder tertiäre65 Viktimisierungen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens und der Selbstwahrnehmung als Opfer können jedoch weiterhin erfolgen.

      Dabei kann unabhängig von konkreten Einzeldelikten davon ausgegangen werden, dass diese Form des sexuellen Missbrauchs eher im Hellfeld festgehalten werden kann als ein strategisch eingeleiteter und lange vorbereiteter Missbrauch, bei dem die Schutzmechanismen um und bei dem kindlichen Opfer sukzessive verringert werden. Wenn das Kind beispielsweise einem Missbrauch auf seinem Schulweg zum Opfer fällt, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass bereits durch die vermutlich erlittenen Verletzungen, aber auch durch das Verhalten und Schilderungen des Kindes, Erziehungsberechtigte etc. auf die Tat aufmerksam werden. Auch bei einer Entführung oder gar Tötungshandlung liegen üblicherweise objektive Tatsachen für das Vorhandensein einer (Straf-)Tat oder Gefahrensituation vor, die innerhalb kürzester Zeit erkannt werden können. Beispielsweise sollen nach Darstellung der Medien und der Eltern beim Entführungs- und Tötungsfall des 6-jährigen Elias im Juli 2015 in Potsdam zwischen dem mutmaßlichen Entführungszeitpunkt (frühestens 17:30) und dem Zeitpunkt der Anzeige bei der Polizei (19:13 Uhr) insgesamt nur 103 Minuten gelegen haben66. Dies legt nahe, dass solche Übergriffe ein zunächst höheres Hellfeld aufweisen.

      Im Gegenzug existiert aber auch ein Tätertypus, der langfristig den Missbrauch einleitet, vorbereitet und aufrechterhält67. Biedermann unterteilt Sexualtäter in insgesamt 8 Kategorien. Der Täter, der Grooming-Prozesse nutzt, wird von ihm als „Kategorie 5“ erfasst. Diese Täter setzen gezielt auf „Lock-Strategien“ um sich mit den Opfern anzufreunden und sie ggf. zu einem Missbrauchsort zu locken68. Dieser Tätertypus nutzt dabei entweder vorhandene Gegebenheiten – wie im Rahmen des familiären Missbrauchs – oder erschafft sich einen Rahmen, der ihm den sexuellen Missbrauch von einem oder mehreren Opfern ermöglicht. Teilweise argumentieren aber auch mit dem Opfer verwandte oder ihm bekannte Täter damit, dass ihre Tathandlung spontan erfolgt sei und ein Zwang über sie gekommen sei, der erst zu dem eigentlichen Missbrauch geführt habe oder dass es gar nichts Sexuelles gewesen sei69. Damit würden bei dieser Sonderform gerade keine strategischen Planungen oder Vorbereitungshandlungen vorliegen.

      Der Kontext, den diese Täter ausnutzen oder schaffen, baut zum einen ein Vertrauen mit dem Kind soweit auf, dass es den Missbrauch nicht als solchen erkennt und einstuft. Zum anderen kann ein Kontext entstehen, in dem das kindliche Umfeld so vertrauensvoll geprägt wird durch den Täter, dass einem Kind die Offenlegung des Missbrauchs schwierig erscheint. Dabei findet typischerweise keine Gewaltanwendung statt, vielmehr versucht der Täter die Tathandlung durch die Gewinnung von Vertrauen zu erreichen bzw. zu ermöglichen70. Studien scheinen dabei zu belegen, dass zumindest in den vergangenen Jahrzehnten die wenigsten kindlichen Opfer eines sexuellen Übergriffs im sozialen Nahfeld eine durch ‚schwere‘ Gewalt erzwungene Handlung erlebten – eine Vergewaltigung. In einer Studie aus den USA an 930 Frauen mit sexuellen Viktimisierungserlebnissen in der Kindheit berichteten nur 32 Prozent von der Anwendung von Gewalt und nur 1 Prozent von schwerer Gewalt71. Empirische Studien im deutschsprachigen Raum unterscheiden dabei typischerweise nicht, ob der sexuelle Missbrauch eines Kindes im Rahmen des sozialen Nahfeldes durch Gewalt erzwungen oder durch einen Grooming-Prozess ermöglicht wurde. Selbst in repräsentativen Dunkelfeldbefragungen erfolgt keine entsprechende Differenzierung – womit Zahlen zu dieser Form des Grooming-Prozesses im deutschsprachigen Raum nicht darstellbar sind72. Die Studie von Hellmann fokussiert sogar explizit nicht auf das Vorliegen von physischer Gewalt, um einen sexuellen Missbrauch zu begründen: „Aufgrund der Asymmetrie der Beziehung ist physische Gewaltanwendung explizit kein Definitionskriterium. Bezeichnend für den sexuellen Missbrauch ist aus dieser Perspektive vielmehr das Macht- und Autoritätsgefälle zwischen den Beteiligten […]“73.

      Die beschriebene strategische Vorgehensweise kann auch bedeuten, dass ein Täter soweit auf ein Kind einwirkt, dass es den sexuellen Missbrauch gar nicht erst als einen solchen erkennen oder benennen kann, was im Gegenzug dazu führt, dass der Täter annimmt, dass es das Opfer möchte74. Ziel des oder der Täter sei dabei, dass das Opfer die Handlung als „natürlichen Akt“ und ganz normale alltägliche Handlungen wahrnehmen solle75. Dabei besteht im Rahmen der Erforschung des sexuellen Missbrauchs von Kindern die Annahme, dass dieser Tätertypus verallgemeinert einem vierstufigen Aufbau folgt76. Zunächst muss ein Täter prinzipiell motiviert sein, ein Kind missbrauchen zu wollen, und selbst innere Hemmungen – beispielsweise durch Rechtfertigungsstrategien – abbauen. Ost bezeichnet diesen Prozess als Situation mit dem „[…] individual justifying or denying their behaviour […]“ 77. Hierbei muss der Täter durch seine Rechtfertigungsstrategien auch die moralischen Konventionen negieren, die den Missbrauch eines Kindes als einen schweren gesellschaftlichen wie strafrechtlichen Normenbruch definieren. Diese Selbstrechtfertigung weist auch Ähnlichkeiten zu den Neutralisationstechniken auf, die Sykes und Matza thematisieren, laut denen Täter zur moralischen Neutralisation ihres Normenbruches fünf primäre Rechtfertigungsgründe nutzen. Ein Aspekt ist die ‚Verneinung des

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