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tiefen Seufzer der Zufriedenheit. Endlich war es so weit! Die Camargue, die Sonne, der Wind und das große Abenteuer erwarteten sie, so malte sie sich es aus, und ihrer Fantasie waren keine Grenzen gesetzt.

      Sophie hatte für die lange Reise ein Buch mitgenommen; aber sie kam nicht zum Lesen. Fortwährend gab es draußen etwas zu sehen: Landschaft, Ortschaften, aber auch Menschen. Bis Bern fuhr Sophie mit einer Frau, die sich in Kreuzworträtseln vertiefte, und mit zwei bärtigen Holländern, die schmutzige Jeans trugen und schwer beladene Rucksäcke schleppten. In Bern stieg ein älterer Mann zu, der bald mit offenem Mund einschlief. Eine Fliege schwirrte um sein Gesicht. Sophie wartete gespannt auf den Augenblick, in dem er sich an der Fliege verschlucken würde. Aber als der Zug in Fribourg einfuhr, erwachte der Mann, und die Fliege verschwand. Nun fuhr der Zug durch Weinberge weiter. Der Genfer See strahlte blau wie der Himmel, die hohen hellen Häuser von Lausanne flogen vorüber, große Parks mit Zedern und exotischen Bäumen vor Genf, und schon war die Grenze erreicht. Ein kurzer Aufenthalt wegen der Grenzkontrolle und schon ging die Fahrt weiter. Jetzt war sie in Frankreich!

      Kurz vor Mittag gelangte der Zug nach Lyon. Die Stadt kam Sophie groß vor. Auf dem Bahnsteig wimmelte es von Menschen, die sich mitsamt ihrem Gepäck drängelten und schubsten. Der Zug wurde überfüllt. Sophie saß eingezwängt zwischen dem Fenster und einer dicken, stark parfümierten Frau, die sie dauernd mit dem Ellbogen in die Seite stieß. Ihr gegenüber saß ein ungefähr gleichaltriges Mädchen und hielt einen Katzenkorb offen auf dem Schoß. Sophie sah die Augen der Katze gelb leuchten. Jedes Mal, wenn das Tier miauend klagte, streichelte es das Mädchen.

      Sophie verschlang die beiden belegten Brote und den Apfel. Die Orange sparte sie auf. Es war heiß. Sophie kämpfte gegen den Schlaf, betrachtete das blaugraue Band der Rhône, die zwischen niedrigen Dämmen dahinfloss. Sie sah Weinberge, Getreidefelder, Zypressen. Es war eine friedliche, aber eintönige Landschaft, wo nichts Besonderes ins Auge fiel. Sophie renkte sich vor Gähnen fast die Kinnlade aus. Sie war ja heute auch in aller Frühe aufgestanden. Der Anblick dunkler Festungswälle und massiver Türme, die ins Licht aufragten, riss sie aus ihrer Stumpfheit. Das musste Avignon sein!

      Sie stand rasch auf, stieß an Ellbogen und Knie von irgendjemand. Ihr Rucksack prallte unsanft mit einem Schädel zusammen. Sophie stotterte eine Entschuldigung.

      Uff! Endlich stand sie auf dem Bahnsteig! Im Gegensatz zu dem Gedränge in Lyon machte der Bahnhof in Avignon einen eher verlassenen Eindruck. Der Zug nach Arles wartete bereits. Sophie fand ein fast leeres Abteil. Das wäre geschafft!, dachte sie und machte es sich bequem. Im Abteil saß nur ein alter Mann, der in ein großes Taschentuch hustete. Er schien erkältet zu sein.

      Der Zug fuhr mit halbstündiger Verspätung ab. Obwohl es schon Nachmittag war, stand die Sonne immer noch hoch. Der Himmel war matt, verstaubte Zypressen standen aufgereiht in der grauen Ebene; nirgends war Schatten. Sophie hatte Durst. Sie aß die Orange. Die Augen fielen ihr zu. Sie nickte ein, fuhr aber plötzlich hoch, als der Zug verlangsamte. Sie sah weiße Häuser und eine Platanenallee.

      »Entschuldigen Sie, wo sind wir?«, fragte sie noch halb verschlafen den Alten.

      »In Arles!«, röchelte dieser hinter seinem Taschentuch. Es blieb ihr gerade noch Zeit, die Orangenschalen verschwinden zu lassen und den Rucksack aufzuladen. Schon hielt der Zug! Schläfrig benommen, blinzelte Sophie auf den heißen Bahnsteig und suchte den Ausgang.

      »Sophie!« Die Stimme ließ sie herumfahren. Ihr Rucksack schlug einem Mann ins Gesicht, der sich fluchend mit der Hand über das Gesicht fuhr.

      »Was bin ich ungeschickt mit meinem Gepäck!«, stieß Sophie hervor und streckte Mireille die Hand entgegen, »aber das macht wohl die Hitze!«

      Mireille hatte sich nicht verändert, war nur noch dünner und sonnenverbrannter. Sie trug Jeans, ein weites Hemd mit aufgekrempelten Ärmeln und die üblichen Leinenschuhe.

      »Wie war die Reise?«

      »Ich bin eingedöst und wäre fast weitergefahren«, stammelte Sophie.

      »Zugfahren schläfert ein«, bestätigte Mireille. »Einmal, als Alain nach Nizza zu Papa fuhr, wachte er erst eine Stunde später an der italienischen Grenze wieder auf!« Sie grinste. »Aber sag ihm nicht, dass ich es dir erzählt habe, das wurmt ihn heute noch!«

      »Ist Alain nicht da?«

      Mireille schüttelte den Kopf. »Der ist schon seit einer Woche bei Tante Justine. Inzwischen hatte ich meine Ruhe! Er ist nämlich echt anstrengend!«, fügte sie hinzu. Sie streckte die Hand nach dem Rucksack aus.

      »Komm, ich helfe dir.«

      »Nicht nötig, der ist ganz leicht«, log Sophie.

      »Wir nehmen den Bus.« Vor dem Ausgang packte sie plötzlich Sophies Arm. »Schnell! Da kommt er schon!« Der stark besetzte Bus hielt gerade gegenüber. Mireille benutzte die Ellbogen, um Sophie auf einen der wenigen freien Plätze zu stoßen. Sophie klemmte den Rucksack zwischen die Knie. Mit einem Ruck fuhr der Bus an, eine Wolke Abgase ausstoßend.

      »Arles stinkt im Sommer. Man sollte alle Motorfahrzeuge verbieten«, erklärte Mireille und hielt sich die Nase zu.

      Sophie schmunzelte. Mireille ließ sich nie eine Gelegenheit entgehen, gegen eine Luftverschmutzung zu wettern. »Und wie soll man sich dann fortbewegen? Zu Fuß?«

      »Zum Beispiel. Oder zu Pferd oder in einem Pferdewagen. Das ist nur eine Sache der Gewohnheit. Die Energiekrise haben wir ja schon. In zwanzig Jahren wird Europa nur noch ein schöner, großer Autofriedhof sein!«

      Sophie betrachtete die beschatteten Straßen, die von Geschäften und überfüllten Kaffeehäusern gesäumt waren. Mireille hatte recht: Arles erstickte an seinem Verkehr. Die Abgase, die die Hitze noch drückender machten, hüllten Straßen und Plätze ein. Aber war das nicht in allen Städten der Fall?

      Der Bus fuhr durch den breiten Boulevard des Lices und bog dann ab. Mireille zeigte auf eine hochragende, grauschwarze Mauer, die eine abschüssige Gasse abzuriegeln schien.

      »Das ist die Arena«, erklärte sie, »sie soll zu Beginn des zweiten Jahrhunderts nach Christus erbaut worden sein. Dort finden sonntags die Wettkämpfe um die Kokarde statt.«

      »Was heißt das?«

      »Das sind Stierkämpfe. Die Teilnehmer, die so genannten razeteurs, müssen eine Kokarde ergattern, die der Stier zwischen den Hörner trägt. Es gehört viel Mut und Geschicklichkeit dazu, um den wütenden Angriffen der Stiere zu entgehen.«

      »Und der Stier wird dann getötet?«

      »Gott behüte, nein!« Mireille schüttelte empört den Kopf. »Der Stierkampf in der Camargue ist weder eine Corrida noch ein Rodeo, sondern ein Wettkampf, bei dem das Tier auch eine Chance hat.«

      »So einen Stierkampf würde ich gern einmal sehen«, sagte Sophie.

      »Nichts leichter als das. Tante Justine hat zwei Stiere, die nächsten Sonntag in Aigues-Mortes kämpfen werden. Komm, hier müssen wir aussteigen!«

      Sie bahnten sich einen Weg zum Ausgang. Dann überquerten sie eine von Autos und Motorrädern vollgestopfte Straße und gelangten schließlich auf einen von großen Bäumen beschatteten Platz. Ein tumultartiges Gezwitscher tönte aus dem Laub der Bäume; es musste sich eine ungeheure Zahl von Vögeln darin niedergelassen haben. Rings um den Platz standen Restaurants, Kaffeehäuser und Geschäfte.

      »Dort ist unsere Boutique«, sagte Mireille stolz.

      Im Schaufenster, auf das sie wies, sah Sophie lange Volantröcke, Leder- und Korbwaren, einige handgestrickte Pullover in leuchtenden Farben und eine Anzahl jener kleinen Statuen aus Ton, in bunte Trachten gekleidet, die in Südfrankreich als Krippenfiguren aufgestellt werden.

      »Nicht schlecht«, sagte Sophie.

      »Du hast ja noch gar nichts gesehen!« Mireille stieß die Tür auf. Ein Glockenspiel ertönte.

      In

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