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Er war ganz in Schwarz gekleidet, wenn man von der glänzenden, grünen Schärpe um seine Taille absah. Unter dichten, schwarzen Brauen im Schatten eines tief in die Stirn gezogenen Schlapphuts glühten zwei Augen. In beiden Händen hielt er schwere Pistolen. Solomon Kane!

      »Keine Bewegung, Jonas Hardraker«, sagte Kane ausdruckslos. »Rühr dich nicht, Ben Allardine! George Banway, John Harker, Black Mike, Bristol Tom, haltet eure Hände vor euch, so daß ich sie sehen kann! Keiner rührt an Säbel oder Pistole, oder er stirbt augenblicklich.«

      Im Keller befanden sich fast zwanzig Mann, aber in den schwarzen Läufen lauerte für zwei von ihnen der sichere Tod, und keiner wollte der erste sein, der ihn fand.

      Also rührte sich niemand. Nur Steuermann Allardine keuchte: »Kane! Ich habe es gewußt! Wenn er in der Nähe ist, schwebt der Tod in der Luft! Ich habe es dir gesagt vor fast zwei Jahren, als er dir die Nachricht sandte, Jonas. Aber du lachtest. Ich habe dir ja gesagt, er kommt wie ein Schatten und tötet wie ein Gespenst! Die Indianer der Neuen Welt könnten von ihm lernen! Oh, Jonas, du hättest auf mich hören sollen!«

      Unter Kanes eisigem Blick verstummte er.

      »Du kennst mich von früher her, Ben Allardine. Du kennst mich noch aus der Zeit, ehe die Bruderschaft der Freibeuter zu einer blutigen Bande von Halsabschneidern und Piraten wurde. Wir beide erinnern uns daran, daß ich mit deinem Kapitän zu tun hatte. Er war ein schlechter Mensch, und er brennt zweifellos im Feuer der Hölle – wohin ich ihn mit Hilfe einer Musketenkugel schickte.

      Und was den Vergleich mit den Indianer betrifft, so muß ich zugeben, daß ich tatsächlich in der Neuen Welt etwas vom Jägerhandwerk und vom Anpirschen gelernt habe, aber Piraten sind wie Ochsen und leicht zu beschleichen. Die Wachen vor dem Haus sahen mich nicht, als ich durch den Nebel schlich, und der Halunke, der mit Muskete und Säbel die Kellertür bewachte, wußte nicht, daß ich das Haus betreten hatte. Er starb eines plötzlichen Todes.«

      Hardraker fluchte wild. »Was willst du hier?«

      Solomon Kane bedachte ihn mit einem Blick, in dem er sein sicheres Verderben las, und das Blut gefror dem Kapitän in den Adern.

      »Einige deiner Leute kennen mich von früher, Jonas Hardraker, den man den Fischadler nennt.« Kanes Stimme war fast ausdruckslos, aber wenn man genauer hinhörte, erkannte man unterdrückte Leidenschaft dahinter. »Und du weißt sehr genau, warum ich dir von der Neuen Welt nach Portugal und von Portugal nach England gefolgt bin. Vor zwei Jahren versenktest du in der Karibischen See ein Schiff, die ›Flying Heart‹ aus Dover.

      Darauf befand sich ein junges Mädchen, die Tochter von ... Nun, der Name tut nichts zur Sache. Du erinnerst dich an das Mädchen. Sein Vater war ein guter Freund von mir, und vor vielen Jahren habe ich seine Tochter oftmals auf den Knien geschaukelt, das Kind, das, kaum erwachsen, in deine dreckigen Hände fiel. Das Schiff wurde also geentert, das Mädchen kam in deinen Besitz und starb kurz danach. Der Tod war gnädiger zu ihr als du. Ihr Vater, der durch Überlebende des Massakers von ihrem Schicksal erfuhr, wurde wahnsinnig. Sie hatte keine Brüder, niemanden außer dem alten Mann. Niemand war da, um sie zu rächen ...«

      »Außer dir, Sir Galahad?« höhnte der Fischadler.

      »Ja, ich, du verdammter Hund!« brüllte Kane unerwartet. Das Dröhnen seiner mächtigen Stimme schmerzte in den Ohren, und selbst die abgehärteten Freibeuter fuhren zusammen und erbleichten. Nichts ist überraschender und schrecklicher als der Anblick eines Mannes mit eiserner Selbstbeherrschung, der plötzlich diese Beherrschung verliert und in einem mörderischen Wutausbruch explodiert. Eine kurze Zeitlang, als er die Worte hinausdonnerte, bot Kane das Bild schrecklicher Leidenschaft. Danach legte sich der Sturm augenblicklich, und er war wieder er selbst: kalt und hart wie Stahl, tödlich wie eine Kobra.

      Einer der schwarzen Läufe richtete sich auf Hardrakers Brust, während der andere die übrigen Männer in Schach hielt.

      »Versöhne dich mit Gott, Pirat«, sagte Kane tonlos, »denn in wenigen Augenblicken ist es dazu zu spät.«

      Zum ersten Mal wurde der Kapitän kreidebleich.

      »Großer Gott«, keuchte er, während Schweiß auf seiner Stirn perlte, »du wirst mich doch nicht wie einen tollen Hund niederschießen?«

      »Das werde ich tun, Jonas Hardraker«, antwortete Kane, und weder seine Stimme noch seine Hand zitterte auch nur im geringsten. »Und freudigen Herzens. Hast du nicht alle Verbrechen begangen, die man sich nur denken kann? Bist du nicht Gestank in der Nase Gottes und ein Schmutzfleck in den Büchern der Menschen?

      Hast du jemals den Schwachen verschont oder Mitleid mit Hilflosigkeit gehabt? Fürchtest du dich vor deinem Schicksal, du erbärmlicher Feigling?«

      Mit ungeheurer Anstrengung riß sich der Pirat zusammen.

      »Nein, ich fürchte mich nicht, aber der Feigling bist du.«

      Zorn verdunkelte einen Augenblick lang die kalten Augen. Kane schien sich noch mehr in sich zurückzuziehen, noch mehr von menschlichem Kontakt zurückzuweichen. Wie eine unmenschliche Gestalt stand er oben auf der Treppe – wie ein riesiger, schwarzer Kondor, der sich aufs Töten vorbereitet.

      »Du bist ein Feigling«, fuhr der Pirat hastig fort, denn er war kein Narr und hatte die schwache Stelle in Kanes Panzer entdeckt: Eitelkeit. Obgleich er nie prahlte, war Kane äußerst stolz darauf, daß, was immer man auch von ihm sagte, nicht einmal seine Feinde ihn je Feigling genannt hatten.

      »Vielleicht verdiene ich es, kaltblütig getötet zu werden«, fuhr der Fischadler fort und beobachtete ihn genau, »aber wenn du mir keine Gelegenheit gibst, mich zu verteidigen, wird man dich eine feige Memme nennen.«

      »Eitelkeit ist die Tugend und die Schande des Menschen«, sagte Kane düster. »Und alle wissen, ob ich ein Feigling bin oder nicht.«

      »Aber ich nicht!« rief Hardraker triumphierend. »Wenn du mich niederschießt, so werde ich im Jenseits wissen, daß du feige bist, mögen die Leute denken oder sagen, was sie wollen!«

      Trotz all seines Fanatismus war Kane letzten Endes dennoch menschlich. Er versuchte sich einzureden, daß er sich nicht um das kümmerte, was der elende Schuft dachte oder sagte; aber in seinem Herzen wußte er, daß sein Stolz und seine Tapferkeit innerlich so groß war, daß er es für den Rest seines Lebens nicht zu vergessen vermochte, wenn der Pirat mit einem höhnischen Lächeln sterben würde. Er nickte grimmig.

      »Es sei. Du sollst deine Chance haben, obgleich der Herr weiß, daß du sie nicht verdienst. Wähle die Waffen.«

      Die Augen des Fischadlers verengten sich. Kanes Geschick mit dem Degen war ein geflügeltes Wort unter den Gesetzlosen und Räubern, die die Welt durchstreiften. Mit Pistolen hätte er, Hardraker, keine Gelegenheit für eine Hinterlist und vermochte auch nicht seine unerhörte Kraft einzusetzen.

      »Messer!« stieß er zwischen den Zähnen hervor.

      Kane betrachtete ihn einen Augenblick lang nachdenklich, dann breitete sich ein grimmiges Lächeln über seine Gesichtszüge aus.

      »Ich bin einverstanden. Zwar ist das Messer nicht die geeignete Waffe für einen Gentleman, aber damit kann man einen Tod bringen, der weder rasch noch schmerzlos ist.«

      Er wandte sich an die Piraten: »Werft eure Waffen weg!« Sie gehorchten widerwillig.

      »Und jetzt macht das Mädchen und den Jungen los!«

      Auch diesem Befehl kamen sie nach. Jack streckte seine betäubten Gliedmaßen, befühlte die Wunde auf dem Kopf, die von getrocknetem Blut bedeckt war, und nahm die wimmernde Mary in die Arme.

      »Laßt das Mädchen gehen«, flüsterte er, doch Solomon schüttelte den Kopf.

      »Sie käme niemals an den Wachen vor dem Haus vorbei.«

      Kane bedeutete Jack, sich auf die Treppe zu stellen, mit Mary hinter ihm. Er reichte Hollinster die Pistolen, nahm den Gürtel ab, zog sich den Rock aus und legte beides vor sich auf die Stiegen. Hardraker legte seine Waffen ab und zog sich bis auf

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