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Sein glattes Haar war gelb und sein narbiges Gesicht düster. Plötzlich wirbelte er herum und griff zum Schwert, als hinter einer kleinen, blattlosen Baumgruppe ein anderer Mann hervortrat. Die beiden betrachteten einander angespannt. Der Neuankömmling paßte noch besser in die Landschaft als der andere. Jede Linie seines schlanken, aber kräftigen Körpers war Zeuge der harten Umgebung, die ihn geformt hatte. Er war von mittlerer Größe, hatte breite Schultern, und sein Körperbau glich dem eines Wolfes. Sein Gesicht war dunkel und unergründlich, die Augen glänzten wie dunkles Eis. Ebenso wie der andere Mann trug er einen Helm und ein Kettenhemd. Er brach als erster das Schweigen.

      „Ich grüße dich, Fremder. Ich bin Partha Mac Othna. Ich bin auf dem Weg zu den Häuptlingen der Rotbärte, um ihnen Worte der Freundschaft von meinem Herrn, Bran Mac Morn, dem König der Pikten, zu übermitteln.“

      Der große Mann entspannte sich, und ein Grinsen verzog seine bärtigen Lippen.

      „Ich entbiete meinen Gruß. Man nennt mich Thorvald den Hauer, und bis gestern war ich Herr über ein Langschiff und eine Besatzung tapferer Wikinger. Aber die Stürme warfen uns gegen ein Riff, und die gesamte Mannschaft mit Ausnahme von mir füllen nun Fafnirs Magen. Ich versuche, die Dörfer von Caithness zu erreichen.“

      Beide lächelten und nickten höflich, und beide wußten, daß der andere log.

      „Es wäre gut, miteinander zu reisen“, sagte der Pikte, „aber unsere Ziele liegen in verschiedenen Richtungen.“

      Thorvald stimmte zu und blieb, auf sein Schwert gestützt, stehen, als der Pikte davonging. Bevor er außer Sicht gelangte, wandte er sich noch einmal um und hob die Hand zum Gruß, und der Nordmann beantwortete die Geste. Als der Pikte hinter einer kleinen Anhöhe verschwand, grinste Thorvald grimmig und schritt mit weit ausholenden Schritten ostwärts davon.

      Der Mann, der sich Partha Mac Othna genannt hatte, ging nicht weit, sondern wich plötzlich vom Weg ab und verbarg sich im laublosen Unterholz. Dort wartete er geduldig mit bereitgehaltenem Schwert. Aber die grauen Wolken über ihm rollten und zogen vorbei, der kalte Wind blies über das raschelnde Gras, und keine Gestalt kam ihm auf seinem Pfad nachgeschlichen. Endlich erhob er sich und blickte mit seinen scharfen, schwarzen Augen über die trostlose Landschaft. Weit im Osten sah er eine winzige Gestalt, die sich einen kurzen Augenblick lang auf dem Kamm eines Hügels gegen die grauen Wolken abzeichnete. Und der schwarzhaarige Wanderer zuckte die Schultern und setzte seinen Weg fort.

      Das Land wurde rauher und zerklüfteter. Der Pfad führte zwischen niedrigen Hügeln hindurch, die nur von braunem, totem Gras bedeckt waren. Zur Linken dröhnte die See gegen die Klippen und grauen Felsvorsprünge. Zur Rechten erhoben sich dunkel und dräuend die Berge. Nun, da der Tag zur Neige ging, wehte ein starker Wind vom Meer her und trieb zerfetzte Wolken über den Rand der Welt empor. Die sinkende Sonne warf ihren kalten, roten Schein über den Ozean.

      Der Wanderer gelangte auf ein Felsplateau, das sich hoch über die Wasser erhob, und sah auf einem grauen Steinblock eine Frau sitzen, deren rotes Haar im Wind flatterte.

      Sie zog seine Blicke an wie ein Magnet Eisen. Unbekümmert der Kälte des Windes saß sie da. Ihr einziges Kleidungsstück war ein ärmelloses Gewand, das ihr kaum bis zu den Knien reichte, neben ledernen Sandalen an ihren Füßen. An ihrem Gürtel hing ein kurzes Schwert.

      Sie war fast so groß wie der Mann, der sie betrachtete, breit gebaut und hatte mächtige Brüste. Ihr Haar war rot wie der Sonnenuntergang, und ihre Augen waren kalt und faszinierend. Die Römer, die die Zivilisation auf dieser Welt repräsentierten, hätten sie nicht als schön bezeichnet, aber es war etwas Wildes an ihr, das die Blicke des Pikten festhielt. Dreist starrte sie zurück.

      „Welch böser Wind trieb dich in dieses Land, du Rabenfresser?“ fragte sie mit unfreundlichem Ton.

      Der Pikte runzelte verärgert die Braue.

      „Was kümmert es dich, Weib?“ fragte er zurück.

      „Dies ist mein Land“, antwortete sie und machte mit ihrem starken, weißen Arm eine kühne Bewegung, die die trostlose Umgebung umfaßte. „Mein Volk lebt in diesem Land und kennt keinen Herren. Es ist mein Recht, jeden Eindringling zu fragen: ‚Was willst du hier?’“

      „Ich habe nicht die Angewohnheit, jedem Weibsbild Rede und Antwort zu stehen, dem ich zufällig begegne“, grollte der Krieger verärgert.

      „Wer bist du?“ Wie ihr Haar im sterbenden Glanz der Sonne schimmerte!

      „Partha Mac Othna.“

      „Du lügst!“ Sie erhob sich geschmeidig, trat an ihn heran und begegnete unbewegt dem Blick seiner schwarzen Augen. „Du bist in das Land gekommen, um zu spionieren.“

      „Mein Volk hat keinen Streit mit den Rotbärten“, brummte er.

      „Wer weiß, gegen wen ihr Pläne schmiedet oder sich euer nächster Überfall richtet?“ gab sie zurück. Dann änderte sich ihre Laune, und ein erwartungsvoller Glanz trat in ihre Augen.

      „Du wirst mit mir ringen“, sagte sie, „und die Stelle nicht eher verlassen, bis du mich besiegt hast.“

      Er schnaubte verächtlich und wandte sich ab. Sie aber packte ihn am Gürtel und hielt ihn mit überraschender Stärke zurück.

      „Fürchtest du mich, mein schwarzer Krieger?“ höhnte sie. „Sind die Pikten so sehr vom Imperator eingeschüchtert, daß sie sich vor einem Ringkampf mit einer Frau des Roten Volkes fürchten?“

      „Laß los, Weib“, knurrte er, „ehe ich meine Geduld verliere und dir weh tue.“

      „Tu es doch, wenn du kannst!“ rief sie plötzlich, stellte einen Fuß hinter seine Fersen und warf sich mit ihrem ganzen Gewicht gleichzeitig gegen seine Brust. Von dem unerwarteten Angriff überrascht, ging der Krieger zu Boden. Wild fluchend versuchte er, sie von sich zu schieben, aber sie kämpfte wie eine Wildkatze und widerstand ihm eine beträchtliche Zeitlang mit Hilfe geschickter Ringergriffe. Doch dann setzte sich die überlegene Kraft des Kriegers durch, er schleuderte sie wütend beiseite und erhob sich. Sie kam jedoch wieder auf die Knie, packte ihn am Schwertgurt und riß ihn fast wieder nieder. Da zog sie der Pikte, der die Beherrschung verloren hatte, an ihren roten Locken hoch und versetzte ihr mit der flachen Hand einen solch heftigen Hieb, daß sie besinnungslos zusammenbrach. Er wandte sich ab und klopfte sich den Staub aus den Kleidern. Dann warf er dem bewußtlosen Mädchen einen Blick zu und zögerte. Mit einem Fluch kniete er neben ihr nieder, hob ihren Kopf und schüttelte ihr seinen Trinkwasservorrat ins Gesicht. Sie fuhr zusammen, schüttelte den Kopf und öffnete die Augen. Augenblicklich ließ er los, und ihr Kopf fiel wenig sanft gegen den frostigen Boden, als er sich erhob und den Wasserbeutel am Gürtel befestigte.

      Sie setzte sich mit gekreuzten Beinen auf und blickte zu ihm empor.

      „Nun, du hast mich besiegt“, sagte sie ruhig. „Was wirst du mit mir tun?“

      „Ich sollte dir mit meinem Gürtel die Haut gerben“, schnappte er. „Es ist keine geringe Schande für einen Krieger, zu einem Kampf mit einem Weib gezwungen zu werden, und keine geringe Schande für eine Frau, wenn sie sich Männerdingen annimmt.“

      „Ich bin keine gewöhnliche Frau“, antwortete sie. „Ich bin eins mit den Winden und den Frösten und den grauen Seen dieses wilden Landes.“

      Würmer der Erde

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