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die da unten amputieren sollen. Die Feuerwehrleute behaupten, man könnte nicht da unten zu den Leuten hin. Das Dach könnte noch weiter durchsacken und zerschlagen. Sie wollen es anzuheben versuchen. Aber in dieser Zeit können die beiden Verletzten verblutet sein. Ich brauche einen hervorragenden Anästhesisten.“

      „Ich bin Internist“, sagte Preiß, „was nicht bedeutet, dass ich nicht in der Lage wäre, eine Narkose zu machen.“

      Dr. Sanders warf einen Blick auf Schwester Marita und sagte: „Ich weiß nicht, Herr Kollege, ob wir mit einer Dame etwas anfangen können. Das, was da unter dem Dach liegt, ist reine Männerarbeit.“

      Marita befand sich jetzt in einer Verfassung, wo alles in ihr aufgewühlt war Sie blickte Dr. Sanders an und sagte: „Glauben Sie denn, wir Frauen wären aus Marzipan?“

      Dr. Sanders legte ihr beschwichtigend die Hand auf die Schulter. „Nun regen Sie sich mal nicht auf, Schwester. Wir haben so viel zu tun. Helfen Sie denen da drüben bei der Vorbereitung der Schwerverletzten für die Sofortmaßnahmen.“

      Marita schwieg, obgleich ihr eine heftige Antwort auf der Zunge lag. Aber sie hatte immer getan, was die Ärzte ihr befahlen; und so wollte sie es auch jetzt halten.

      Harald Preiß musste sich seinerseits um die Geretteten kümmern, die schwere Vergiftungserscheinungen aufwiesen. Als Internist war das seine Aufgabe und Schwester Marita half ihm dabei.

      Indessen gelang es den Rettungsmannschaften, noch fünf Verletzte unter den Trümmern hervorzuholen. Die wurden sofort in die Klinomobile gebracht, von denen mittlerweile zwei nah der Unfallstelle standen. Und dort versorgte man sie ärztlich, damit sie überhaupt transportiert werden konnten.

      Mittlerweile war es dem Technischen Hilfswerk und der Feuerwehr gelungen, die beiden Krane so einzusetzen, dass es ihnen möglich sein würde, jenen Teil des Daches anzuheben, unter dem sich die Schwerverletzten befanden und dort eingeschlossen waren. Bis zu ihnen hatte noch niemand vordringen können

      Dr. Preiß war gerade mit der Versorgung eines Schwerverletzten fertig und ließ ihn unter Sauerstoffbeatmung mit dem Rettungswagen zum Hafenkrankenhaus bringen, als Dr. Sanders wieder auftauchte und sagte:

      „Wir müssen hin. Die Schwerverletzten dort unten müssen an Ort und Stelle versorgt werden. Man kann nicht einfach so hinkommen, Herr Kollege. Wir sind gezwungen, zu kriechen. Und es besteht ein Risiko. Dieses Dach kann trotz der Kräne jeden Augenblick wieder herunterstürzen. Die sind zwar dabei, abstützende Stempel zu setzen, aber alles ist morsch und kaputt. Wir können auch nicht warten bis die Abstützung völlig fertiggestellt ist. Wer von Ihnen kann mitkommen?“

      „Als Anästhesist kann ich Ihnen helfen. Ein Chirurg bin ich nicht.“

      „Ich brauche einen Anästhesisten. Ich habe hier weit und breit keinen. Also los, kommen Sie! Und wir müssen noch jemanden haben ... Einen Pfleger, einen OP-Pfleger.“

      Es gab keinen OP-Pfleger. Ein Rettungssanitäter der Feuerwehr meldete sich und Dr. Sanders fragte ihn barsch: „Haben Sie schon einmal bei einer Operation assistiert?“

      „Operation, nein! Meine Aufgabe ist erste Hilfe und ... “

      Dr. Sanders winkte ab. „Verdammt noch mal“, wandte er sich an Dr. Preiß, „wen nehmen wir da mit? Wir müssen jemanden haben. Ich kann doch keine Frau mitnehmen. Und dann ist es noch nicht einmal heraus, ob wir eine Operationsschwester hätten.“

      Marita hatte es gehört. Sie ging auf die beiden Männer zu. „Ich habe jahrelang als Operationsschwester gearbeitet. Ich könnte Ihnen helfen."

      Sanders musterte sie skeptisch. „Und wieso arbeiten Sie dann in der Inneren Abteilung?“

      „Wegen einer Schleimbeutelentzündung im rechten Ellenbogen. Ich musste damals aussetzen und man hat mir geraten, nicht mehr als Operationsschwester zu arbeiten, weil das, wenn ich das Tag für Tag tue, die Entzündung wieder aufflammen lässt.“

      „Also gut, in der Not frisst der Teufel Fliegen“, knurrte Dr. Sanders. „Wir können ja nicht noch länger warten bis sie uns einen OP-Pfleger schicken.“

      Marita sagte gar nichts.

      Sanders schaute sich nach einem Kollegen um, der ebenfalls mitkommen sollte. „Wo bleiben Sie denn, Bertram?“, rief er.

      Der etwa gleichaltrige Arzt aus der Universitätsklinik fauchte zurück: „Ich komm ja schon. Nun spielen Sie sich hier nicht so auf! Fliegen kann ich nicht.“

      Willi wollte ebenfalls mitkommen, aber Sanders wies ihn zurück. „So wenig wie möglich Leute in die Risikozone bringen. Je mehr es sind, umso gefährlicher könnte es werden. Das reicht. Schlimm genug, dass wir eine Frau mitnehmen müssen.“

      Da platzte Marita der Kragen. „Was glauben Sie denn, was eine Frau ist?“, fauchte sie ihn an. „Meinen Sie denn, wir sind zu allem zu dumm?“

      Sanders wandte sich ihr kurz zu und sagte: „Tut mir leid. Legen Sie nicht alles auf die Goldwaage, Schwester.“

      Dann war es endlich soweit. Ein Rettungssanitäter von der Feuerwehr schleppte die beiden Bereitschaftskoffer, ging vor den anderen ins Trümmerfeld hinein und ein zweiter Feuerwehrmann kam ihm entgegen. Er war völlig erschöpft, sein Gesicht war rußverschmiert.

      „Kommen Sie ganz schnell! Es ist höchste Eile! Der Mann verblutet uns.“

      Er packte einen der Bereitschaftskoffer und rannte jetzt vor allen anderen her.

      Dann kam die Stelle, wo das Dach leicht angehoben war. Der Feuerwehrmann, der vorn ging, ließ sich auf die Knie nieder und über die Schulter rief er zurück: „Hier müssen wir kriechen. Und betet zu Gott, dass dieses Dach hält.“

      Ein Glück, dachte Marita, ein Glück, dass ich die Einsatzkombination angezogen habe und nicht im Kleid bin.

      Es wurde immer niedriger und dunkler. Die Lampe, die der Rettungssanitäter, der vor Dr. Sanders kroch, ab und zu hochhielt, erhellte nur die Fläche vor ihm. Die anderen hinter ihm waren im Dunkeln. Und ganz am Schluss kam wieder einer von der Feuerwehr. Er hatte ebenfalls eine Lampe, aber Marita wurde davon eher behindert durch den eigenen Schatten, als dass sie etwas erkennen konnte.

      Schließlich erreichten sie die Stelle, wo Männer Stempel einsetzten, um das Dach abzustützen. Und immer noch musste die Rettungsmannschaft weiter.

      Rohre, wohl Wasserrohre und Fliesen, die kantig und scharf waren, versperrten den Weg.

      Endlich erreichten sie eine Stelle, wo der zweite gewaltige Träger der Dachkonstruktion umgekippt war, zugleich aber eine Art Hohlraum geschaffen hatte, sodass es hier wie unter einem ganz flachen Zelt war: Man konnte knien und wenigstens den Oberkörper etwas aufrichten.

      Und hier lag der Verletzte.

      Dr. Sanders und Dr. Preiß waren schon bei ihm. Ein Rettungssanitäter der Feuerwehr hatte dem Schwerverletzten eine Abbindung am rechten Oberschenkel angelegt.

      Dr. Sanders war schon einmal hier gewesen und wusste, dass der Mann, der hier lag, auch innere Verletzungen aufwies. Es gab gar keine andere Möglichkeit, als ihn hier an Ort und Stelle zu operieren. Eine starke innere Blutung war die größte Gefahr für diesen Verunglückten.

      Dr. Sanders musste also hier nicht nur eine Amputation vornehmen, sondern auch die Bauchhöhle öffnen, weil er mutmaßte, dass Teile des Dünndarms infolge eines stumpfen Schlages auf die Bauchdecke zerrissen sein konnten. Zudem war es ganz sicher im Bereich der Bauchspeicheldrüse zu einer inneren Blutung gekommen. Der Puls des Schwerverletzten war so klein, dass Dr. Preis, der sich um Kreislauf und Atmung kümmerte, jeden Augenblick mit dem Tod des Verletzten rechnen musste.

      Bis auf diesen einen Mann hatte man alle Verletzten herausbringen können. Und dieser hier würde sterben, gelang es nicht, die Blutung rechtzeitig zum Stillstand zu bringen. Die intravenöse Anwendung von Hämostyptika, also blutstillender Mittel, wirkte nicht. Es konnte als sicher angesehen werden, dass ein größeres Organ, vermutlich die Milz, zerrissen war.

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