Скачать книгу

      Ja, wie war das denn eigentlich zu verstehen? Wem vertraute er denn mehr als seinem eigenen Sohn, dem er immer wieder zu versichern pflegte, in ihm seinen einzig würdigen Nachfolger zu sehen?

      Und genau das fragte sich Johann jetzt nicht mehr nur insgeheim, sondern sprach es aus, weil er anscheinend auf die Frage hin, wer denn solches behauptet hatte, gar keine Antwort bekommen sollte:

      „Du hast also einen Informanten, dem du dermaßen vorbehaltlos vertraust, dass du sogleich auf mich los gehst, ohne überhaupt sicher sein zu können, ob es stimmt? Ich bin schließlich dein Sohn, dein eigenes Fleisch und Blut. Ja, was macht dich da so sicher? Und um welche der Brinkmanns soll es sich deiner Meinung nach überhaupt handeln?“

      Georg Wetken schnappte nach Luft wie der sprichwörtliche Fisch auf dem Trockenen. Ihm fehlten ausnahmsweise einmal die Worte. Anscheinend hätte er dermaßen viel Unverfrorenheit von seinem eigenen Sohn niemals erwartet.

      Dann blies er dick die Wangen auf und ließ anschließend die Luft zischend entweichen.

      Die typische Handbewegung zu seinem wallenden Vollbart folgte, ehe er, immer noch vor kaum verhaltenem Zorn bebend, antwortete:

      „Es geht nicht um die Quelle allein, von der ich diese Information habe, sondern es geht darum, dass ich definitiv weiß, wann du heute Morgen zurückgekommen bist. Glaubst du denn im Ernst, ich kümmere mich nicht darum, was mein künftiger Nachfolger so treibt?

      Hast du denn überhaupt eine Ahnung davon, wie wichtig du für das Hansehaus Wetken und darüber hinaus für alle Hansekaufleute bist, die sich unserer Gilde angeschlossen haben, und was du in dieser ganz besonderen Stellung, in der du dich nun einmal befindest, mit einem solchen Fehlverhalten für Schaden anrichtest?“

      „Und du bist also völlig sicher, dass ich mich auf eine Brinkmann eingelassen habe?“, beharrte jetzt Johann stur.

      „Ich kenne die Umstände, weiß, dass du dich heimlich mit jemandem triffst...“, begann Georg Wetken und hatte dabei alle Mühe, nicht wieder regelrecht zu explodieren.

      Ungewohnt respektlos fiel ihm sein Sohn ins Wort:

      „Und wieso muss es ausgerechnet eine Brinkmann gewesen sein, mit der ich mich traf?“

      „Mit wem denn sonst? Du bist erst in der Frühe zurückgekommen, weil diese Adele nicht zu eurer Verabredung gekommen ist, nicht wahr? Sie hat dich versetzt.

      Aus gutem Grund, wie ich meine. Aus demselben Grund, aus dem ich gewillt bin, dich als meinen Sohn für immer zu verstoßen. Was du damit nämlich dem Hansehaus Wetken und darüber hinaus angetan hast, bleibt für alle Zeiten unverzeihlich.“

      „Ja, du hast völlig recht, Vater!“, sagte Johann auf einmal zu dessen größten Überraschung.

      In vielen Häusern der Hanse war es üblich, dass Kinder ihre Eltern ehrenvoll anredeten, nämlich mit einem Ihr. Umgekehrt war häufig die Anrede für die Kinder ein distanziertes Er oder Sie, je nach Geschlecht eben. Wann immer Johann jedoch mit seinem Vater allein war, taten sie das schon lange nicht mehr. Von daher gesehen wurde Georg Wetken die vertrauliche Anrede gar nicht bewusst in dieser Situation, im der er natürlich eher bemüht war, auf möglichst großen Abstand zu seinem Sohn zu gehen, zumindest gefühlsmäßig, um nur ja keine väterliche Schwäche zeigen zu müssen, wie er es sah.

      Bevor Georg noch seine Sprache wiederfinden konnte, fuhr Johann unbeirrt fort:

      „Würde es sich in der Tat um eine Brinkmann handeln, beispielsweise eben um Adele, wäre dies absolut unverzeihlich und würde jegliche Strafe rechtfertigen, die dir in den Sinn kommt, mein Vater. So aber...“

      In Gedanken indessen tat er flehentlich Abbitte bei Adele:

      Verzeih mir bitte, dass ich dich solchermaßen verleugne, aber es ist einzig und allein der besonderen Situation geschuldet. Ich kann jetzt einfach nicht anders. Wie soll ich es ansonsten schaffen, dich jemals wiederzusehen, wenn ich am Ende verstoßen bin oder mir noch Schlimmeres widerfährt?

      Ich werde dir eines Tages meine wahre Liebe beweisen können, das verspreche ich dir hiermit hoch und heilig, aber bis dahin, leider Gottes...

      Sein Vater unterbrach diesen reumütigen Gedankengang brüsk:

      „Und wieso erreichte mich dann der Hinweis ausgerechnet aus dem Hansehaus Brinkmann selbst, dass es sich eben genau um jene Adele Brinkmann handelt, auf die du dich eingelassen hast? Ich weiß sogar, wo du sie kennengelernt hast, nämlich im Hansehaus Schopenbrink!

      Und das willst du jetzt noch leugnen? Für wie dämlich hältst du deinen Vater denn überhaupt?“

      „Ich halte dich keineswegs für dämlich, mein Vater! Verzeih mir, aber ich erlaube mir zumindest darauf hinzuweisen, dass alles, was aus dem Hansehaus Brinkmann kommt, sowieso von vornherein mit aller gebührenden Vorsicht zu genießen ist. Vor allem solche Behauptungen!“

      „Dann leugnest du tatsächlich, diese Adele Brinkmann auf dem Fest im Hansehaus Schopenbrink kennengelernt zu haben? Wo du dich übrigens ohne meine Billigung befunden hast?“

      „Würde es auch deine Missbilligung finden, wenn ich dir sagen würde, dass ich dorthin eingeladen war von der Tochter des Hansehauses Gordula Schopenbrink? Sie ist eine wunderschöne, wahrlich gut genährte und sehr auf ihr Äußeres bedachte junge Frau, deren Anblick allein schon das Herz eines jeden aufrechten Mannes berührt.“

      „Du behauptest doch nicht etwa, eine Liaison mit dieser Gordula Schopenbrink zu haben?“, rief Georg Wetken verdattert. „Ja, zugegeben, sie ist das, was man eine dralle Schönheit nennt, und scheint sich sogar alle Mühe zu geben, dem modernen Idealbild einer jungen Frau aus wohlsituiertem Hansehaus zu entsprechen, aber immerhin ist sie eben nur eine Schopenbrink, und du weißt selbst, dass dieses Haus nicht zu unserer Gilde gehört.“

      „Also, wenn das wirklich das Einzige ist, was gegen sie spricht: Zumindest ist sie dann ja keine Brinkmann, nicht wahr?“

      Das konnte sein Vater nicht leugnen, trotzdem wackelte er bedenklich mit dem Kopf.

      „Aber nein, trotzdem, nicht doch ausgerechnet so eine Gordula Schopenbrink...“

      „Wieso eigentlich nicht? Und selbst wenn es so etwas wie eine Liaison wäre: Was wäre denn grundsätzlich gegen eine solche Verbindung vorzubringen? Gordula Schopenbrink ist eine rechtschaffene junge Frau, die in der Tat nicht nur mit ihrem verführerischen Anblick das Herz eines jeden wohl erzogenen und rechtschaffenen Mannes erfreut. Weil sie ebenso wohlerzogen und rechtschaffen ist und zudem genau weiß, was für einen rechten Mann das Beste ist.“

      „Moment einmal!“, rief jetzt Georg Wetken dazwischen, dem diese Schwärmerei offensichtlich zu viel wurde: „Du behauptest also, Gordular Schopenbrink habe dich zu jenem Fest eingeladen? Und wieso hast du mich davon niemals in Kenntnis gesetzt, bis heute nicht?“

      „Weil ich genau diese Reaktion von dir vermeiden wollte, die du jetzt an den Tag legst. Bei allem Respekt, mein über alles verehrter Vater, ich kann es leider nicht anders sagen. Wie hätte ich dir denn erklären sollen, dass Gordular Schopenbrink geradezu ideal als Frau für deinen Sohn wäre?

      Falls ich wirklich einmal in deine Fußstapfen treten sollte, könnte ich wohl kaum jemals eine Frau finden, die passender wäre. Sie stammt zwar nicht aus einem Hause, das sich unserer Gilde angeschlossen hat, aber nichtsdestotrotz aus einem besonders guten Hause, wie ich finde, zumal einem Hause, mit dem wir dennoch Geschäfte machen.

      Gordula Schopenbrink, da kannst du versichert sein, würde mich auf Lebzeiten in geradezu idealer Weise unterstützen bei all meinen Bemühungen geschäftlicher Art – und gleichzeitig würde eine solche Verbindung das Hansehaus Wetken eindeutig stärken.“

      „Und inwiefern solches?“, erkundigte sich jetzt Georg Wetken alarmiert.

      Aber sein Zorn war weitgehend verraucht, wie Johann erleichtert feststellte. Konnte es sein, dass seine Ablenkungsstrategie bereits dermaßen fruchtete? Oder würde da noch etwas kommen,

Скачать книгу