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alle Mitarbeiter der Bewachungsfirma einvernommen, bis auf einen. Der befand sich auf einer mehrtägigen Wanderung in den Alpen. Oder, auf der Flucht. Wer weiß? Sie werden ihn auf jeden Fall überprüfen. Das heißt, sobald der Wanderer aus den Bergen zurück war, wird er von Assistent Norbert befragt.

      Außerdem wurden alle Verdächtigen durchleuchtet, ob sie in einer Situation steckten, aus der heraus sie bestochen werden könnten. Zum Beispiel, weil sie Schulden hatten.

      Zudem hoffte er, dass die Spurensicherung Brauchbares zu Tage fördern würde, woraus sie weitere Hinweise erhielten. Zum aktuellen Zeitpunkt gab es noch viele Ungereimtheiten.

      Die dramatisch ansteigende Stimme der Sprecherin ließ ihn erneut aufhorchen: »Der Safe galt als einbruchsicher. Er besaß ein spezielles Schließsystem, dass im Falle einer Manipulation Alarm…«

      Das war amüsant, aber nicht realistisch. Denn, einbruchsichere Safes gab es nicht, solange Glitter-Glamy frei herumlief. Gerade für sie, stellte er wohl eine sportliche Herausforderung dar ihn zu knacken. Und ihre allseits bekannte und an Besessenheit grenzende Vorliebe für Diamanten, sprachen ebenfalls dafür, dass sie dahintersteckte. Sie war seine prioritäre Verdächtige und war bereits befragt worden.

      Glitter-Glamys Alibi war, »Den ganzen Abend habe ich mit Freunden gepokert, bis ich mittendrin eingeschlafen bin.« Das klang so belanglos, dass es fast schon stimmen könnte.

      Trotzdem. Harry schüttelte den Kopf. Sie brauchten mehr als bloße Vermutungen und Bauchgefühle, um sie festnageln zu können. Zuerst musste geklärt werden, wer den Schlüssel und den Code geliefert hatte. Und ob jemand von der Bewachungsfirma darin verwickelt war.

      Im Fernseher waren die Nachrichten zu den Auslandmeldungen übergegangen und zeigten den französischen Staatspräsidenten. Harry schaltete ab.

      Tief seufzend schob er den Rest der kalt gewordenen Pizza zur Seite und stand auf. Seine Gedanken kehrten zurück zur hypernden Frau und dem Taschendieb. Weshalb war sie verschwunden, als er den Dieb gestellt hatte? Hatten die beiden gemeinsame Sache gemacht? War das alles ein abgekartetes Spiel? Hatte ihm der Dieb die Brieftasche gemopst? Oder war es am Ende die Frau gewesen?

      Die Geschichte war von A bis Z seltsam. Denn was für ein Motiv könnten sie gehabt haben? Vielleicht ergab das Ganze erst zu einem späteren Zeitpunkt einen Sinn.

      Immer noch innerlich aufgekratzt, wählte er aus seiner DVD-Sammlung einen Charlie Chaplin Film aus, damit er auf andere Gedanken kam.

      7.

      Liz Bardi, mit vollem Namen Elisabetha Sophia, war mit eins zweiundsiebzig beim größeren Durchschnitt und war meistens mit ihrem Körper zufrieden. Sie konnte jedoch nicht verstehen, warum andere sie um ihre Figur beneideten. Sie fand ihre Brüste unpraktisch groß, ihren Po zu augenfällig und ihre Füsse mit der Siebenunddreißig zu klein. Sie trug ihre lockigen Haare entweder offen, sanft über die Schultern fallend oder steckte sie zu einem Knoten hoch. Ihre Augen funkelten auf eine ansteckende Art vergnügt, was auf ihren südländischen Einschlag hinwies.

      Der wichtigste Teil ihres Lebens betraf die Sorge für ihre Familie, bestehend aus ihren beiden Jungs und ihren Eltern. Als Alleinerziehende kam sie für ihre Kinder auf. Das zwang sie mit beiden Füssen fest auf dem Boden zu bleiben. Sie gab für ihre Jungs ihr Bestes, war aber auch bemüht, sie in klar definierten Strukturen aufwachsen zu lassen. In diesem ausgefüllten Leben, das durch die Stundenpläne der Schule und ihren Arbeitseinsatzplan dominiert wurde, sollte noch Platz bleiben für spontane Einfälle. Damit nichts vergessen ging, trug sie alle Aktivitäten wie Musikschulkonzerte, Schulreisen, oder Elternabende, in einen großen Terminkalender ein und heftete zusätzliche Infos an die Kühlschranktür.

      Sie war von Natur aus positiv gegenüber Menschen eingestellt. Doch sie hatte in den vergangenen Jahren gelernt, dass man nicht allen ausnahmslos trauen konnte. Arnie war daran nicht unschuldig. Doch sie mochte deswegen nicht bitter werden und sich den Glauben an gute Menschen weiter bewahren, um vorbehaltlos auf sie zuzugehen. Ob mit jungen Teenagern, älteren Damen oder werdenden Müttern, Liz kam mit ihnen auf ihre unverkrampfte Art rasch ins Gespräch.

      Anders als früher war für sie ihre Arbeit nicht mehr nur ein Job, den sie nach Belieben hinschmeißen konnte. Heute war er existenziell für sie und ihre Familie. Ohne die Stelle würden sie verarmen. Diese Verantwortung gab ihr Kraft und trieb sie täglich an, ihr Bestes zu geben.

      Die Doppelbelastung von Beruf und Familie forderten ihren Zoll, seit der Scheidung hatten sich bei ihr ein paar Pfunde verabschiedet. Abends war sie oft müde, sodass sich die süßen Grübchen in der Wange auswuschen und sich die Linien um ihren Mund vertieften.

      Ihr Leben drehte sich vor allem um ihre Söhne Samuel und Johnny. Liz hatte zum Glück eine herzensgute Tagesmutter gefunden, die sich um die beiden kümmerte, wenn sie arbeiten war. Und für all die kleinen Notfälle, die neben dem sorgsam erstellten Tagesplan anfielen, unterstützten sie ihre Eltern. Sie nahmen die Jungs gerne am Wochenende zu sich und verschafften ihr so zwischendurch kostbaren Freiraum. Meist unternahm sie nicht viel, sondern blieb zu Hause, schlief aus, las ein Buch und genoss es, nach Lust und Laune herumzutrödeln.

      Obwohl ordentlich organisiert, brauchte sie zuweilen Nerven wie Drahtseile, eine dicke Haut, an der alles abprallte und Nagelschuhe, um sich durchzusetzen. In letzter Zeit fühlte sie sich oft ausgelaugt. Sie gestand es ungern ein, aber es fehlte ihr ein Partner, der sie von Zeit zu Zeit mal in die Arme nahm.

      Jüngst hatte sich ein Symptom dazugesellt, das sie sehr beunruhigte. Sie hyperventilierte. Ein Risiko, das sie stresste. Die bisherigen Anfälle waren zwar bisher glimpflich abgelaufen, abgesehen vom Taschendiebstahl. Aber es ließ sie mit Sorge in die Zukunft blicken. Wenn ihr etwas zustiess, würde die kleine, geordnete Welt einstürzen, die sie für ihre Familie aufgebaut hatte.

      Doch wenn ihr all das über den Kopf zu wachsen drohte, packte sie einen Rucksack und unternahm mit den Jungs einen Ausflug in den nahegelegenen Wald. Dort spielten sie Spiele wie Fang mich oder Verstecken, sie beobachteten Käfer, wie sie sich vom Rücken wieder auf die Beine drehten, sie schauten gefräßigen Raupen zu und versuchten Vögel anhand ihres Gezwitschers zu erkennen. Wenn es dämmerte, trug sie mit den Buben eifrig Holz zusammen und entfachte ein Lagerfeuer, an dem sie Kartoffeln und Würste brieten. Das wirkte immer. Angesteckt von der ausgelassenen Stimmung und durch die Bewegung an der frischen Luft, rückte ihre Last der Verantwortung in den Hintergrund.

      Liz zog Befriedigung und Selbstbestätigung aus ihrer beruflichen Tätigkeit. Daneben genoss sie die Zeit, die sie gemeinsam mit ihren Jungs verbringen konnte. Schwierig wurde es nur, wenn die beiden Welten aufeinanderprallten und sich nicht nach Plan verhielten. Dann war von allen Beteiligten Flexibilität gefordert.

      Bei der Arbeit war Liz viel auf den Beinen. Wenn dann abends die Kinder schliefen, lag sie oft auf der Couch und genoss die Stille.

      Im Alltag übersah sie die Blicke, die ihr folgten und war froh, dass ihre Chancen offenbar intakt zu sein schienen. Aber zu viel mehr, als gelegentlich in Träumen zu schwelgen, reichte ihre Energie nicht. Liz hatte sich immer eine kleine Familie mit einem Mann gewünscht. Doch heute war sie viel vorsichtiger bei der Wahl eines Partners. Sie hatte bei ihren geschiedenen Freundinnen gesehen, wie schwierig es war, wenn sich die Kinder plötzlich an einen fremden Mann, als ein Art Papa-Ersatz gewöhnen sollten. Wenn dann nach wenigen Monaten die Beziehung wieder zerbrach, blieben mehr als nur ein gebrochenes Herz zurück. Das wollte Liz ihren Jungs ersparen. Die ernüchternde Wahrheit war, ein netter Bettgefährte war noch lange kein passabler Ersatzvater.

      Weshalb sie immer sie die Nieten zog, war ihr ein Rätsel. Vielleicht sandte sie die falschen Signale aus? Von Liebe geblendet übersah man nur allzu gerne, ob man zueinander passte. Trotzdem, ihr Wunsch nach einem Lebensgefährten war ungebrochen. Irgendwo da draußen in der Welt existierte ihr Traummann. Es musste kein Prinz sein, der sie wachküsste, ein ganz Normaler tat es auch. Jemanden, mit einer gesunde Portion Humor und ernsthaften Absichten. Daran glaubte sie.

      Dem Rat ihrer Freundin Jule folgend, hatte sie sich vor Kurzem im Internet bei einer Partnervermittlung angemeldet. Wer weiß, vielleicht lernte sie so jemanden kennen?

      Zu Beginn

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