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Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.. Sarah Markowski
Читать онлайн.Название Der Regisseur. Mein Buch, dein Tod.
Год выпуска 0
isbn 9783347028630
Автор произведения Sarah Markowski
Жанр Триллеры
Серия Nils Johansen und Arne Lassen
Издательство Readbox publishing GmbH
Helena rauft sich wütend die Haare, und Manni kann sie glücklicherweise noch rechtzeitig davon abhalten, sie sich in Büscheln auszureißen.
„Hey“, redet er ruhig auf sie ein. „So wird das auch nichts.“
Helena stößt einen resignierten Seufzer aus. Sie zittert am ganzen Körper. „Wie viel Uhr ist es?“
„Kurz nach vier. Wir haben immer noch genug Zeit, um den Text in deinen Kopf zu bekommen.“
Wozu?, fragt sich Oliver, doch er spricht den Gedanken nicht laut aus, um Helena nicht noch mehr zu beunruhigen, als sie es ohnehin schon ist. Sie ist ein nervliches Wrack, und obwohl sie sich größte Mühe gibt, nach außen hin einen gefassten Eindruck aufrecht zu erhalten, ist ihr das deutlich anzumerken. Oliver geht es nicht anders.
„Wie lange genau?“
Sie pilgert ungeduldig hin und her. Manni nimmt das kurze Begleitschreiben in die Hand, das beim vierzehnten Betrachten allerdings auch keine neuen Auskünfte gibt. Wieder gehen sie es von Anfang bis Ende durch; Absatz für Absatz, Zeile für Zeile, Wort für Wort. Erst der Steckbrief, dann die Regieanweisung, und schließlich die Anforderungen, die – obwohl an Mia adressiert – eindeutig an Helena gerichtet sind:
Du bist Mia, die Protagonistin. Erfülle deine Rolle. Sei nicht wie Mia, sei Mia.
Nutze die Zeit bis zum Anbruch der Dunkelheit zum Lernen. Dann muss die Situation skriptgetreu abrufbar sein, eine Alternative gibt es nicht.
Sei Mia.
„Bis zum Anbruch der Dunkelheit“, schimpft Helena, ehe sie sich wieder ihrer Performance widmet. „Das kann doch alles bedeuten! Wenn ich schon kaum Informationen bekomme, dann möchte ich wenigstens wissen, wie lange ich Zeit habe, um meinen Text zu lernen. Warum geht es denn nicht ein bisschen präziser?“
Manni steht ratlos daneben und betrachtet das Mädchen mit einem mitleidigen Blick. Er würde zu gerne helfen, dessen ist sich Oliver sicher, doch ihm geht es wie ihm selbst – er weiß weder wie noch womit.
„21: 08 Uhr“, wirft Julius in den Raum, nachdem er Manni das Skript aus der Hand gerissen und wie wild durch die Seiten geblättert hat. „Um 21: 08 Uhr geht die Sonne unter. In den nächsten Tagen tendenziell früher.“
Oliver wollte seine ursprüngliche Einschätzung bezüglich Julius‘ Intelligenz gerade revidieren, als dieser auf den Mondkalender deutet, der dem Umschlag neben dem Skript und dem kurzen Anschreiben beigelegt wurde.
„Das steht zumindest hier. Ich wusste doch, dass ich es irgendwo gelesen habe.“
Immerhin hat er es gefunden, denkt Oliver, während er sich selbst von Julius‘ Aussage überzeugt. Obwohl ich wahrscheinlich auch noch darauf gekommen wäre.
Samstag, 29.06.2019, 21: 04 Uhr
- Helena -
Helena sitzt auf einem der fünf Plastikstühle, die den nicht weniger strahlend weißen Tisch umrunden, dessen Oberfläche so blitzblank ist, dass sich ihr verzweifeltes Gesicht darin spiegelt. Sie seufzt, rauft sich die Haare und blättert mit zittrigen Fingern durch das Manuskript. Während sie auch die letzte Textpassage noch einmal durchgeht, wippen ihre Beine unter dem Tisch nervös auf und ab.
Warum tue ich mir das eigentlich an?, fragt sie sich in Gedanken. Warum mache ich mir bloß so einen Stress?
Den kompletten Textauszug auswendig zu lernen hat Helena einige Nerven gekostet, doch trotz regelmäßigem Fluchen und immer weiter sinkender, miesepetriger Laune war sie insgeheim froh, durch die Aufgabe endlich mal etwas Ablenkung bekommen zu haben. Allerdings hätte sie ohne Oliver und Manni, die sie die ganze Zeit über tatkräftig unterstützt und mit bestärkenden Worten immer wieder aufgebaut haben, schon längst das Handtuch geschmissen und das Textdokument in zigtausend kleine Fetzen zerrissen.
„21: 07 Uhr“, bemerkt Helena mit einem Blick auf ihre Armbanduhr. Sie legt das Manuskript beiseite und schiebt den Stuhl mit einem unangenehmen Quietschen zurück. „Ich wäre dann bereit für meinen großen Auftritt.“
Mit siegessicherer Pose baut sie sich vor den anderen auf, doch die Worte klingen aus ihrem Mund nicht halb so optimistisch, wie sie es eigentlich hätten tun sollen.
Samstag, 29.06.2019, 21: 09 Uhr
- Oliver -
„21: 09 Uhr“, sagt Helena und tippt tadelnd mit ihrem Zeigefinger auf die Uhr an ihrem Handgelenk. „Schon eine Minute zu spät.“
Sie dreht sich einmal um die eigene Achse und sinkt dann seufzend auf einem der Plastikstühle zusammen. Mit dem Kopf in den Händen vergraben murmelt sie irgendetwas vor sich hin.
„Was hast du gesagt?“
Helena reagiert nicht, anscheinend war es nicht so wichtig.
„Wenn ich doch nur wüsste, worauf ich warte…“, stöhnt sie und wirft den Kopf in den Nacken. Oliver setzt gerade zu einer Antwort an, als plötzlich das Brummen des Lastenaufzuges zu hören ist. Innerhalb eines Wimpernschlags sind alle Augen auf dessen Türen gerichtet; jeder wartet auf das Geräusch, das wie gewohnt die Ankunft des Liftes ankündigt.
„Vielleicht kommt jetzt die Filmkamera?“
Helenas Satz – mehr als Frage formuliert – wird vom altbekannten Pling beendet.
„Vielleicht auch nicht“, antwortet Julius, als sich die Türen öffnen und den Blick auf einen leeren Innenraum freigeben. Er ist der erste, der sich dem Lastenaufzug nähert und neugierig seinen Kopf hineinsteckt.
„Ist da was?“
Niemand rührt sich vom Fleck. Julius nickt. Es ist so still im Raum, dass alle Anwesenden bei dem plötzlichen, lauten Dong unweigerlich zusammenzucken.
„Was war das?“
Helenas Augen sind schreckgeweitet. Sie steht da, wie zur Salzsäule erstarrt. Julius reibt sich den schmerzenden Hinterkopf und stößt einen Fluch aus.
„Ich habe mir an dieser blöden Kante den Kopf gestoßen“, antwortet er schließlich; und da keiner nachfragt: „Aber keine Sorge, mir geht’s gut.“
Samstag, 29.06.2019, 21: 12 Uhr
- Helena -
Helena hat keine Zeit, die Beule an Julius‘ Hinterkopf zu betrachten und ihn zu bemitleiden. Seinem Aufschrei und Verhalten nach zu urteilen, muss es sich um ein Monstrum handeln, doch ihr Blick gilt einzig und allein dem Schild im Lastenaufzug. Einmal in der Hälfte gefaltet steht es wie ein Platzkärtchen auf Geburtstagsfeiern in der Mitte es Aufzuges. Mia steht darauf, mehr nicht. Helena schluckt. Verunsichert schaut sie sich zu Manni um, doch seine Aufmerksamkeit ist gerade auf den zum Sterben verurteilten Julius gerichtet. Helena wünschte, sie hätte auch nur eine Beule am Kopf. Ihr Blick trifft den von Oliver; in seinen Augen spiegeln sich Sorge, Angst und Ungewissheit – jedenfalls deutet Helena das so, denn auch seine Mimik und Gestik gleichen nicht mehr der des starken, selbstbewussten jungen Mannes, wie sie ihn kennengelernt hat.
„Ich muss dann wohl…“, flüstert Helena. Ihr Herz rast, und vor lauter Angst füllen sich ihre Augen mit Tränen. Sie schluckt den Kloß in ihrem Hals herunter und strafft die Schultern. Mutigen Schrittes nähert sie sich dem Lift, doch als sie direkt davor steht, weigert sich alles in ihr dagegen, einzusteigen.
„Meinst du, du musst da wirklich rein?“
Olivers Stimme zittert. Jetzt ist Helena noch mehr verunsichert.
„Sieht alles danach aus, oder?“
In dem oder steckt so viel Hoffnung. Vielleicht malt