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Beschützerin des Hauses (Neuauflage). Marlene Klaus
Читать онлайн.Название Beschützerin des Hauses (Neuauflage)
Год выпуска 0
isbn 9783862827565
Автор произведения Marlene Klaus
Издательство Readbox publishing GmbH
»Zahn war heute früh bei mir. Er will, dass ich die Sache morgen vor dem Ortsgericht rüge. Dann will er’s auf die Zent schreiben. Beibringung blutiger Wunde.« Baumann verstummte, denn er konnte nur undeutlich sprechen, während sie die Salbe verteilte.
Barbara griff nach den frischen Leinenstreifen und sagte: »Vielleicht findet man die Missetäter ja.«
»Natürlich«, nuschelte er.
Sie wickelte den Verband. »Bewegt Euch so wenig wie möglich, Ihr wisst es ja. Eure Wirtsfrau bringt Euch nach wie vor Suppe?«
»Ich komme zurecht.«
Er klang mit einem Mal abweisend. Sie war fertig mit Verbinden und legte dem Lehrer zum Zeichen dafür die Hand auf die Schulter. Baumann erhob sich sofort. Sie verschloss den Salbentiegel und machte sich bereit zum Aufbruch. Baumann kramte in der Truhe nach seinem Beutel, um sie zu bezahlen. Friedgard stand ebenfalls auf und wippte auf den Fersen vor und zurück. Sie schloss die Tür hinter sich mit einem seltsamen Gefühl des Unbehagens.
Sie stieg die Außentreppe hinunter und sann darüber nach, warum ihr derart zumut war. Da fiel ihr des Zentgrafen Frage ein, die er am Georgsmorgen bei dem Verletzten vor sich hingemurmelt hatte. Sie hatte völlig vergessen, den Lehrer darauf anzusprechen. Ob Friedgard es getan hatte?
Sie überquerte die Gemeindegasse und bemerkte erst jetzt die Handvoll Weiber, die sich auf dem Dorfplatz um den Brunnen drängte. Schon löste sich eine aus der Traube und eilte mit erhobenem Arm auf sie zu. »Auf ein Wort, Heilmännin!«
Ausgerechnet Engel Eigner. Niemandem wollte sie jetzt weniger begegnen. Die Hausfrau des Pfarrers kam heran, hielt sich die linke Hand vor die Brust und rang nach Atem, als wäre sie weiß Gott wie schnell gelaufen. Betont demütig wie stets sagte sie: »Gott zum Gruße! Gut, dass ich Euch treffe.« Engel Eigner war einige Jahre älter als sie, Anfang vierzig vielleicht, doch sie sah älter aus – und ganz und gar nicht wie ein Engel. Ihr herzförmiges Gesicht mit der unglaublich spitzen, nach oben gebogenen Nase war grau wie ihre Aufmachung, die etwas aus der Zeit gekommenes hatte. Sie verzichtete auf eine gefällige Jacke und trug ein schlichtes wollenes Überkleid, das bescheidene Ehrbarkeit ausdrücken sollte. Ihre Haube war ebenfalls schon alt und von nicht ganz reinem Weiß.
Barbara schaute an dem Pfarrersweib vorbei, um sie nicht ansehen zu müssen. Sie mochte diese Erbsenaugen nicht, deren Ausdruck dem Gegenüber Gottesfürchtigkeit vermitteln sollte und doch nichts anderes war als Selbstgerechtigkeit. Sicher wollte sie Barbara gemahnen, öfter den Weg zur Kirche zu finden. Wäre nicht das erste Mal.
»Heilmännin, wir …« – sie wies zu den Frauen hin, die wartend am Brunnen standen, und unter welchen Barbara Ortrud Oreans, das Weib eines Zöllners, sowie Dorit Seyfried, des Schuhmachers Hausfrau, erkannte. Auch Margarete Herwart war dabei.
»Wir sprachen darüber, dass es durch und durch wider Calvins Lehren ist, wenn in wenigen Tagen zum Tanz aufgespielt werden soll. Wir leben in einer schweren Zeit, in der Gott die Seinen auf das Härteste prüft und ihnen Opfer abverlangt. Auch wenn der junge Friedrich – Gott sei’s gedankt – dem rechten Glauben zugehört, hat er sich doch darauf verstiegen, das Tanzen zuzulassen.«
Das ist ja nun nichts Neues, das hat er letztes Jahr Michaeli bereits getan, dachte Barbara und ärgerte sich, der Eignerin in die Arme gelaufen zu sein.
Diese befeuchtete die dünnen Lippen mit der Zunge, ehe sie fortfuhr: »Wir wissen ja, dass unser junger Kurfürst auch sonstigen Sinnenfreuden zugeneigt ist, der Herr sehe es ihm nach und lenke ihn zur Vernunft, seine baldige Heirat möge ein übriges tun. Keineswegs wollen wir wider unseren Landesherrn sprechen, halten aber dennoch das Tanzen für sittenwidrig und sammeln Stimmen, die dem verderbten Treiben Einhalt gebieten. Man muss diesem heidnischen, ärgerlichen und unzüchtigen Gebräuch rechtzeitig wehren. Sicher stimmt Ihr darin mit uns überein?« Die Eignerin war bei den letzten Worten lauter geworden als wolle sie, dass die Weiber im Hintergrund sie gut vernehmen konnten.
Barbara war überrascht. Von ihr wollte man Rückhalt in dieser Sache? Was sollte sie sagen? Sie konnte nichts Schlimmes daran finden, auch wenn die Kirchenmänner es als Teufelswerk ansahen.
»Ich kümmere mich nicht um solcherlei Sachen«, erwiderte sie deshalb ausweichend.
»Aber das solltet Ihr!«, entrüstete sich die Eignerin und auf ihrer Stirn zeigte sich eine Furche, die geradewegs auf ihre Nasenspitze zeigte. »Wer ein gottgefälliges Leben führt und den Einflüsterungen des Satans widersteht, zeichnet mit seinem Namen gegen das Fest.«
Barbaras Unbehagen wuchs. In Engel Eigners Herzgesicht las sie gottgefälligen Eifer. Und noch etwas anderes. Kaum verhohlene Hinterlist. Sie wollte sie prüfen. Widersprach sie, führte sie also kein gottgefälliges Leben – und war anfällig für die Einflüsterungen des Satans. Keine gute Aussicht für eine, die ohnehin im Geschrei stand. Stimmte sie zu … ja, was dann? Engel Eigner würde ihr trotzdem nicht glauben. Deutlich las Barbara in ihrem Gesicht, dass sie geradezu darauf wartete, ihre Meinung über sie, das hoffnungslos von Gott abgefallene Weib, bestätigt zu sehen.
»Calvins Lehren sind eindeutig. Ihr fügt Euch seinen Richtlinien, Heilmännin? Dann zögert nicht länger mit der Antwort.«
Dieses scheinfromme Weib! Nie und nimmer würde sie mit der und ihren gleichgesinnten Freundinnen an einem Strang ziehen! Zur Wut gesellte sich Trotz. Einen Augenblick lang bedauerte sie, die Einladung des Königsmannes nicht angenommen zu haben. Sie versuchte, ihre Stimme so ruhig wie möglich klingen zu lassen, als sie entgegnete: »Meine Antwort habt Ihr. Ich beschäftige mich nicht damit. Ich habe anderes zu tun.« Sie neigte den Kopf zum Zeichen, dass das Gespräch für sie beendet sei und ging über den Dorfplatz.
Margarete Herwart trat ihr in den Weg. Bosheit im Blick. »So wollt Ihr also nicht wider gotteslästerliches Treiben zeichnen, Heilmännin.« Sie senkte die Stimme zu einem bösartigen Flüstern: »Ich habe es von Euch nicht anders erwartet.«
»Ihr tut, was Ihr für richtig haltet, Frau Herwart, ich tue, was ich für richtig halte. Und bitte –« Sie schaffte es, Friedgards Mutter anzulächeln. »Unterlasst endlich Eure spitzzüngigen, niederträchtigen Bemerkungen.« Damit ließ sie die Herwartin stehen und eilte Richtung Speyerer Straße davon.
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