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den Pflanzen und deren Verarbeitung half, sich die quälenden Gedanken vom Leib zu halten. Alles andere brachte sie nur durcheinander.

      »Die Leute reden so oder so, was sie wollen. War schon immer so und wird sich auch net ändern. Aber was sich ändern lässt« – Katharina hielt inne und sah sie nun doch an. »Na!«, machte sie, zuckte die Schultern und sah wieder in die Ferne. »Ändern lässt sich, worüber sie sich die Mäuler zerreißen. Gib du ihnen keine Veranlassung mehr, über dich zu tratschen.«

      Ihre Niedergeschlagenheit wandelte sich in Wut. »Was soll ich denn tun, Mutter?!« Ihre Stimme überschlug sich. »Ich bin wer ich bin. Es geschah, was geschah. Soll ich etwa von hier fortgehen?«

      Katharina schwieg und starrte zum Waldrand.

      »Ist es das?«, schrie sie. »Willst du, dass ich fortgehe? Nach Heidelberg oder Neustadt, nur recht weit fort von hier? Willst du das?«

      Katharina sah zu ihr her und die Liebe und der Schmerz, den sie auf dem Gesicht ihrer Mutter sah, nahm ihr die Luft. Sie senkte den Blick. In diesem Augenblick begriff Barbara, dass sie selbst es war, die diese Liebe zurückwies. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass man sie noch lieben konnte, nachdem sie schuldig geworden war am Tod von Mann und Tochter. Sie verzieh sich nicht. Sie konnte es nicht. Es brach Katharina das Herz. Und es brach ihr noch einmal, weil sie, Barbara, ihre Vergebung nicht annehmen konnte. Sie schluckte. Es tat ihr leid. Sie wollte Katharina das nicht antun. Doch war es längst geschehen. Sie wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte.

      Auch Katharina schwieg. Nach kurzer Weile räusperte sie sich. »Na, ’s wär net verkehrt, man säh’ dich mit ’nem Mann.«

      Barbara wartete einen Augenblick, ehe sie erwiderte: »Dann reden sie da drüber.«

      Sie griff nach dem Trinkschlauch. Als sie getrunken hatte, reichte sie ihn Katharina. Die nahm ihn ohne herzuschauen, trank jedoch nicht. Er lag in ihrem Schoss und Katharina hielt ihn mit beiden Händen wie ein altes Halstuch, das man in einer Ecke gefunden und für das man augenblicklich keine Verwendung hatte. Sie hob den Kopf und sagte: »’S schwingt eine Bosheit mit, die gefährlich klingt.«

      Barbaras Magen krampfte sich beim Gesichtsausdruck ihrer Mutter zusammen. »Gehst ja net Wasser holen. Am Brunnen verstummen sie, wenn ich komme. Und in ihren Gesichtern steht Gehässigkeit.«

      Gehässigkeit? Wieder spürte sie Wut. »Mutter, Friedgard geht schon so lange bei uns ein und aus, das kann …«

      »Friedgard! Der ist doch nur der Tropfen, der’s Fass zum Überlaufen bringt.«

      »Ach Mutter, ich wusste, warum ich mich zurückzog!«

      »Darum geht’s. Fünf Jahre Witwe, lebst für dich, bist nachts unterwegs, kümmerst dich um nichts …«

      »Und?«

      »Und? Eins zum andern geben sie, erinnern sich an altes Zeug, mischen’s mit Diesem und Jenem, was so die Runde macht, rühr’n genüsslich um und raus kommt eine Suppe mit Namen ›Geschrei‹.«

      Barbara starrte auf den Waldsaum. »Was für altes Zeug?«

      »Weißt es genau«, brummte Katharina.

      Sie ruckte den Kopf zu Katharina herum. »Maria Zahn.«

      »Na.«

      »So ein dummes …«

      »Ja. Dumm ist’s. Und trotzdem lassen sie’s net ruh’n. Erst recht net bei dem, was sich um uns herum tut. Bist ja net blind und taub.«

      Jajaja, ich weiß, dachte sie bitter und presste die Lippen aufeinander. Die Hexensekte. Natürlich war die Welt ein magischer Ort! Doch es war Gottes Magie, die sie in jeder Blüte, jedem Blatt und jedem Regenguss spürte. Menschen konnten all dies nicht erschaffen. Menschen konnten beobachten und aus ihren Beobachtungen lernen. Sie konnten sich die Vielfalt, die Gott geschaffen hatte, zunutze machen. Vielfalt, die in Wolken steckte, die Regen brachten, und in einem Gerstenkorn, das Getreide heranwachsen ließ. War dies etwa kein Wunder? Menschen selbst waren Geschöpfe Gottes. Sie konnten die Kraft der Kräuter nutzen. Sie konnten das Wasser nutzen. Sie waren imstande, ganz wundersame Dinge zu tun, etwa, Schiffe zu bauen. Oder war es etwa nicht staunenswert, dass diese großen Holzdinger nicht untergingen, sondern über Ozeane fuhren und ganz und gar absonderlichen Kunde aus fernen Ländern brachten?

      Ach Leonhard, dachte sie, wie vertraut haben wir über all die Dinge gesprochen, die uns zum Staunen brachten. Wie sehr du mir fehlst! Sie starrte auf die aufgeworfene Erde, sog den frischen, würzigen Geruch des Bodens ein. Leonhard, hier sitze ich und alles was mir von dir blieb, ist der Anteil an der zwölften Hube. Nie werde ich mir verzeihen, dass ich so unachtsam war, dachte Barbara.

      »Na!«, machte Katharina. »Seufze halt. Aber Taten wären besser.«

      »Taten?«

      »Tanzen geh’n. Dich zeigen. Mit einem Kerl an deiner Seite, der ihnen ’s Maul stopft, wenn sie dumm daherreden.«

      War es das, was ihrer Mutter die Sorge nehmen würde? Sie beruhigen würde? Sie dachte an Elisabeth und wusste, es würde ihr selbst ebenso ergehen. Sie würde ihre Tochter versorgt und in Frieden wissen wollen. Sie rief sich den Königsmann in Erinnerung. Zugegeben, er war stattlich. Aber seine Augen, dieser Blick … etwas darin rüttelte an der Tür zu jenem Raum in ihr, den sie so gut verschlossen hielt. Sie vermochte nicht zu sagen, was das war. Und sie wollte es keinesfalls herausfinden. Sie wollte ihr Leben weiterleben wie bisher. Wollte mit ihrer Mutter sein und in ihrem Wald. Alles sollte wieder gut sein.

      »Mutter ich … möchte dir keinen Kummer machen, wirklich nicht.« Sie spürte, wie ihr Tränen in die Augen traten und schluckte.

      »Schon gut«, machte Katharina. Sie spähte den Pfad am Waldrand entlang und fragte: »Wo nur Hedwig bleibt?«

      »Ach, sie wollte kommen?« Barbara schluckte die Tränen hinunter.

      »Meine, wir hätten’s vereinbart.«

      »Hat sie wohl vergessen.«

      Barbara war dankbar dafür, dass ihre Mutter zu Hedwig schwenkte. Ihre vierzehnjährige Nichte half manchmal auf der Flur und im Garten, wenn auch nicht besonders gerne. Was wohl der Grund für ihr Fernbleiben sein mochte. Vielleicht hatte auch Gundel, ihre Schwägerin, sie für eine andere Arbeit gebraucht.

      Katharina brummte und stopfte sich den letzten Bissen in den Mund. Sie spülte ihn mit einem letzten Schluck Wasser hinunter und Barbara stand auf. »Lass uns weitermachen. Übermorgen müssen wir nach Wersau.«

      Katharina tat es ihr nicht gleich. Blieb hocken und sah zu ihr empor. »Ich wünschte, ich könnte dir was abnehmen. Aber das kann ich net. Ist deine Sache. Aber gut tut’s dir net, das Absondern. Verhärtest. Und je länger das dauert, je härter wird’s in dir.«

      Barbara hatte gehofft, ihre Mutter würde nichts mehr zu der Sache sagen. Aber ihre Sorge hatte sich nicht verzogen, sie hing noch immer zwischen ihnen.

      »Mutter … ich weiß, es ist auch für dich nicht leicht.« Sie streckte ihr die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Ächzend kam Katharina in die Höhe. Tätschelte ihr die Wange. »Na. Schon gut. Du weißt, wie ich darüber denke. Niemand sagt, ’s wär leicht. Aber ’s Leben geht weiter.«

      Sie sah Katharina an, eine alte Frau, wie viele Jahre mochten ihr noch gegeben sein? Die Liebe zu ihr durchspülte Barbara plötzlich heftig und warm. Sie fühlte die Sanftheit, die dadurch in sie sickerte wie Sirup. Ohne Gegenwehr ließ sie es geschehen und es wärmte sie durch und durch. Sie lächelte und erwiderte: »Wie ein Rad, das immer weiterrollt. So ist das Leben.«

      »Na«, machte Katharina, streckte sich und rieb sich die Hüfte. »Bin ja froh, dass ich dich habe.«

      »Na«, machte sie ihre Mutter nach und verzog dabei das Gesicht. »Ich verspreche dir, nächsten Sonntag zur Kirche zu gehen. Gut so?«

      Katharina tätschelte ihr den Arm.

      »Was anderes. Holst du noch Eichenlaub? Auch die Müllerin klagt jetzt über blutigen Harn.«

      Barbara

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