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kommenden Stunden verbrachte Brandstetter mit der Durchsicht der Artikel beziehungsweise deren Übersetzungen. Nebenbei machte er sich eifrig Notizen. An Schlaf war nun nicht mehr zu denken. Um seine Gedanken etwas zur Ruhe kommen zu lassen, unterbrach er kurz, ging in die Küche und bereitete sich den längst überfälligen Kaffee. Dann ging er mit Kaffee und Zigarette hinaus auf die kleine Dachterrasse und dachte angespannt nach. Am östlichen Horizont hatte sich bereits als schmaler Streifen die Dämmerung des neuen Tages in die Dunkelheit der Nacht geschlichen, von Westen her wehte ein kühler, frischer Nachtwind.

      Der Vermerk auf dem ersten Foto – „Treffen C.S. mit MA von Brunex AG“ – konnte nur bedeuten, dass Steelmans sich hier mit einem Mitarbeiter von Brunex getroffen hatte. Wenn er den Mann neben Steelmans auf dem Foto identifizieren konnte, hatte er den Kontaktmann von der Brunex. Die Frage war nur, wusste bei der Brunex AG auch die Firmenleitung von den illegalen Geschäften, oder waren es nur einige wenige Personen, die hier im Stillen ihr eigenes Süppchen kochten? Das musste er noch herausfinden. Jedenfalls hatte er mit diesem Foto den Beweis in Händen, dass Steelmans und Brunex engen Kontakt miteinander pflegten! Auch die Personen auf den anderen Aufnahmen musste er noch identifizieren. Nur auf diese Weise konnte er sämtliche Kontakte und Querverbindungen von Steelmans Transporten ermitteln, um am Ende feststellen zu können, woher das Kriegsgerät und die Waffen kamen, die hier verschachert wurden. Er befürchtete jedoch, dass diese Arbeit wochenlange Recherchen erforderlich machte.

      Ein weiterer wichtiger Schritt war, möglichst viele der Zeugen zu finden, die in den Ermittlungen ihre Aussagen zurückgezogen hatten. Vielleicht konnte man sie dazu bewegen, ihre Informationen preiszugeben. Kein leichtes Vorhaben, denn es war anzunehmen, dass alle mit Drohungen und Bestechung zum Schweigen gebracht worden waren. Er beschloss, eine Liste dieser Zeugen anzufertigen, soweit sie bekannt waren.

      Nachdem er mit der Zigarette fertig war, ging er mit der Kaffeetasse in der Hand wieder zurück zum Arbeitstisch, packte alle Zeitungsausschnitte und den USB-Stick wieder in den Umschlag. Er griff nach dem nächsten mit der Aufschrift „R.K.“ Er zog ein Foto und vier eng beschriebene Seiten Notizen hervor, die sein Informant in einem Word-Dokument niedergeschrieben und ausgedruckt hatte.

      Aufmerksam las er die gesammelten Daten zu „R.K.“ durch. Hier stand, dass „R.K.“ ein gewisser Robert Kleinschmidt war, ebenfalls in Diensten der Brunex stand und als Sachbearbeiter in der Logistik des Unternehmens arbeitete. Die Aufzeichnungen belegten eindeutig, dass sich Brandstetters Informant zweimal in kurzen Abständen mit diesem Mitarbeiter getroffen hatte. Außerdem wurde hier erwähnt, dass Kleinschmidt Beweise hatte, die belegten, dass bei der Brunex AG illegale Waffenschiebereien stattfanden! Nur wurde auf die Beweise selbst nicht näher eingegangen. Und er war der Tote, den man gestern Morgen im Deutzer Hafen aufgefunden hatte! Kleinschmidt und sein Informant kannten sich also! Und – er war nicht der Mitarbeiter von Brunex auf den Fotos mit C.S.!

      Da stellten sich gleich mehrere heikle Fragen: Hatte Kleinschmidt dem Informanten vielleicht den Namen des Kontaktmanns verraten? Musste er sterben, weil er gerade dabei war, das Netzwerk auffliegen zu lassen?

      Welche Verwicklungen taten sich da auf?

      In den bisherigen Unterlagen deutete jedoch nichts auf eine solche Annahme hin! Auch die Recherche im Netz zur Brunex AG ergab nichts. Keinerlei Angaben zu den Mitarbeitern, lediglich ein gewisser Ludger Brunnhausen sowie ein Wolfram Brüggemann wurden hier als Geschäftsführer des Unternehmens gelistet. Mehr gab es nicht!

      Er musste also einen Weg finden, mit den Mitarbeitern der Brunex AG in Kontakt zu treten. Noch hatte er keinen Plan, wie er dies am geschicktesten anstellen konnte, ohne dabei an die falschen Leute zu geraten. Aber ihm würde schon noch eine Lösung einfallen.

      Heino Brandstetter beschloss, sich erst einmal für ein paar Stunden hinzulegen, um etwas Schlaf nachzuholen. Er hatte noch ausreichend Zeit, sich morgen um den Rest der Informationen zu kümmern.

      Er legte noch die Liste der Zeugen an, die in den verschiedenen Zeitungsartikeln genannt wurden und von Interesse waren, insgesamt fünf Personen, dann klappte er sein Notizbuch zu und ging hinüber zum Sofa im Wohnzimmer. Kaum hatte er sich dort niedergelassen, war er auch schon tief und fest eingeschlafen. Er hörte auch nicht mehr die vielen Anrufe auf seinem Handy, die seit Stunden eingegangen waren, da er es noch vor dem Treffen mit dem Informanten auf lautlos gestellt hatte…

       9.

      Arndt Köster wartete bereits, als Alex Berger und Jan Scheuer kurz vor neun Uhr den Arbeitsbereich im Gebäude der Rechtsmedizin betraten. Die Leiche Robert Kleinschmidts lag auf einem der Untersuchungstische und war bis zum Kinn mit einem weißen Tuch bedeckt. Eine Nackenstütze hielt seinen Kopf in einer leicht nach vorne gebeugten Haltung. Aufmerksam begutachtete Berger nun das Gesicht des Ermordeten. Offenbar hatte Köster nach Abschluss der Untersuchung versucht, dem Toten ein einigermaßen erträgliches Aussehen zu verschaffen, bevor man die Fotos angefertigt hatte.

      „Ich habe mich bemüht, ihn ein wenig herzurichten. Heute Nachmittag kommt die Ehefrau zur offiziellen Identifizierung. Dann soll er wenigstens einigermaßen aussehen“, sagte Köster, ohne die Begrüßung der Kollegen abzuwarten. „Aber alles kann auch ich nicht verschwinden lassen.“

      „Und weiter?“ fragte Scheuer mit einem deprimierten Blick auf die blasse Haut der Leiche. Dieser Ort hier, die Rechtsmedizin, gehörte nicht unbedingt zu seinen Lieblingsorten, an denen er gerne viel Zeit verbringen wollte. Ganz im Gegenteil, alleine der Geruch von Formaldehyd war ihm in höchstem Maße zuwider, und im Stillen war er dankbar für den bescheidenen Umstand, dass er zumindest einen Großteil seiner Arbeitszeit an der frischen Luft verbringen konnte.

      „Aber wie ich schon sagte, es war eine Hinrichtung, ein aufgesetzter Schuss, bei dem die Kugel von schräg oben abgefeuert wurde und direkt unter dem Kinn wieder ausgetreten ist. Hier erkennt man deutlich das Stanzmuster.“ Köster zeigte mit einem Kugelschreiber auf die Stelle, an der eine kreisrunde, dunkle Verfärbung auf der Kopfhaut des Opfers zu sehen war. „Es entsteht, wenn ein Abdruck der Mündung einer Waffe durch Schmauchgas auf der Haut abgebildet wird, so ähnlich wie bei einem Stempel.

      Die Hirnschädigungen weisen darauf hin, dass der Mann sofort tot war.“

      „Wie sieht es mit inneren Verletzungen aus?“ fragte Berger.

      „Nein. Ich fand zwar zahlreiche Prellungen, im Gesicht wie auch am gesamten Oberkörper, aber keine inneren Verletzungen.“ Köster deckte den Körper bis zur Taille auf und deutete auf mehrere Hämatome. Der Brustkorb Robert Kleinschmidts war geöffnet worden, wie der vernähte Y-Schnitt zeigte. „Die Todesursache war eindeutig die Schussverletzung. Erstaunlich, dass das Geschoss den Schädel so glatt und einfach durchschlagen konnte. Es kommt schon mal vor, dass es irgendwo stecken bleibt.“ Arndt Köster zuckte mit den Schultern, als wolle er sich dafür entschuldigen, dass das Geschoss dieses Mal nicht stecken geblieben war.

      „Du wärst aber nicht unser Arndt Köster, wenn Du nicht noch etwas für uns in der Hinterhand hättest. Also mein Freund, raus mit der Sprache. Was hast du noch für uns?“ drängte Jan Scheuer.

      „Es gibt da tatsächlich noch etwas: Unter seinen Fingernägeln haben wir noch Hautpartikel von zwei unterschiedlichen DNA-Strukturen, also von zwei verschiedenen Personen sichergestellt. Offenbar hat er sich heftig gewehrt. Die DNA-Analyse läuft noch. Damit steht zumindest schon mal fest, dass es zwei oder mehr Täter waren.“

      „Das ist doch gar nicht so schlecht für den Anfang. Du bist ein guter Junge, Arndt. Schicke uns die Ergebnisse rüber, wenn Du fertig bist.“

      „Alles klar. Ach so, noch etwas. Schaut mal bei Stenzel in der KTU vorbei. Der Gunnar hat auch noch was Interessantes für euch Spürnasen.“

      Berger und Scheuer bedankten sich und machten sich sogleich auf den Weg zur Kriminaltechnischen Untersuchung. Das Gebäude lag quer über den Hof. Dort trafen sie kurze Zeit später deren Leiter Gunnar Stenzel an, der gerade mit zwei weiteren Technikern den schwarzen Audi A8 von Robert Kleinschmidt unter die Lupe nahm.

      „Hallo Gunnar, wie geht es Frau und Kindern?“ fragte Berger, als sie die Halle betraten, die zumindest ansatzweise eine verblüffende

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